Bereit für den Aufbruch?

Editorial

Markus Oess

Nun also steht sie, die Merkl-Koalition, wohlgemerkt ohne „e“ (Mer-z-Kl-ingbeil). Geht jetzt der große Ruck durchs Land? Ich für meinen Teil habe nun nicht eben viel gespürt. Der mutige große Wurf fehlt, vor allem beim Steuersystem, bei den Sozialversicherungen und beim Gesundheitssystem. Stattdessen bleibt vieles beim Alten und damit bei der Besitzstandswahrung der Älteren. Auch die Mütterrente entbehrt zum Beispiel jeder Lenkungsfunktion, kostet aber Milliarden. Die Kinder sind ja schon lange auf der Welt. Beim Klimaschutz wird zwar kein radikaler Schnitt vorgenommen, aber die Kurskorrekturen in Richtung fossiler Energie sind nicht gerade zukunftsweisend. Auch der angekündigte Umbau beim Bürgergeld bringt nur mehr homöopathische Einsparungen. Und ob die Verschärfung der Sanktionsmaßnahmen notwendig ist und mehr Menschen in Arbeit bringt, sei mal dahingestellt. Erwiesenermaßen sind es nur sehr wenige Menschen, die sich total verweigern. Auch die Migrationswende steht schon EU-rechtlich auf wackeligen Füßen (Abschiebung, Grenzkontrollen et cetera). Auch die Abschiebehaft ist aufgrund der Anzahl der mangelnden Plätze kaum zu realisieren. Und der Stopp des subsidiären Schutzes sowie der Aufnahmestopp für besonders schutzbedürftige UNO-Geflüchtete sind nicht eben Ausdruck christlicher Mildtätigkeit. Wer sucht, findet viele berechtigte Kritikpunkte und je nach politischer Orientierung springt die künftige Regierung zu kurz oder gleich in die völlig falsche Richtung. Und weiter?

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Immerhin, sofern der Finanzierungsvorbehalt nicht eine Vollbremsung in einzelne Maßnahmen auslöst, geht manches in die richtige Richtung. Das gilt für die Förderung von Investitionen etwa oder den von vielen völlig zu Recht angemahnten Bürokratieabbau. Auch Infrastrukturmaßnahmen, so sie denn schnell und zielgerichtet kommen, sind ein wichtiger Wachstumsimpuls, der die deutsche Wirtschaft anschieben dürfte, und selbst die angekündigten Rüstungsmehrausgaben helfen dabei, das Land wieder nach vorne zu bringen – abseits vom schon seit Längerem veränderten Sicherheitsbild der Welt, das Deutschland unter Handlungszwang setzt. Auch ein Digitalministerium ist zweckdienlich, sofern es hilft, Deutschland wieder in die Weltspitze zu bringen. Deutschland hat sich schon vor den Koalitionsverhandlungen mit dem Sondervermögen wichtigen finanziellen Spielraum verschafft und das in Konsens mit den demokratischen Parteien. Abseits der üblichen Nickligkeiten geben die Koalitionsverhandlungen Hoffnung, dass die Regierung sich an Absprachen hält und nicht jede Kleinigkeit durchsticht, um schon gemachte Vereinbarungen im eigenen Sinne nachzubessern oder zu stoppen. Wir sollten der Regierung Zeit und Vertrauen geben, in die Spur zu kommen und Fahrt aufzunehmen. Die Zeiten sind herausfordernd und Einigkeit tut not, da durchzukommen. Neben den eben angerissenen Problemen sitzt die AfD der Regierung im Nacken, es droht tatsächlich die Demokratie zu entgleiten – hier und leider auch in vielen anderen Ländern dieser Welt.

Zutrauen in die eigene Gestaltungsfähigkeit ist gefragt. Ohne dieses wird kein Mensch darangehen, die Zukunft anzupacken, positiv zu ändern. Marco Lanowy tut das mit seinem BUXEMANN. Er lebt mit dem Düsseldorfer Store vor, wie ein Hosenspezialist mit ausgewähltem Sortiment punkten kann. Wir haben mit ihm über Handel und Handeln gesprochen. Wir haben DRESSLER besucht und mit dem neuen CEO Thomas Jaeger und Desgin-Chef Christian Fenske über die Zukunft des Anzugspezialisten im Premiumsegment gesprochen. Wir haben uns ein Update von Thorsten Stiebing zu JOOP! geholt, wie das Holy-Label weiter wachsen soll.

Del Keens, einst Straßenfundin London und Gesicht großer Kampagnen für LEVI’S, DIESEL und Calvin Klein, betreibt heute die Agentur Misfit Models. Sein Motto: „Where the word Inclusion or Diversity is not just another hashtag or fashion statement.“ Auch das ist Ausdruck von Gestaltungswillen. Wir haben mit ihm gesprochen. Ebenso mit Nele Moos, die bei den letzten Paralympics Bronze im Weitsprung holte – über Antrieb, Erfahrungen im Sponsoring und das Leben mit Behinderung. Und wir haben Sebastian Klein getroffen, der mit Blinkist Millionen machte und 90 Prozent seines Vermögens abgab. Er  erklärt, warum viel Geld und Demokratie so schwer zusammenpassen.

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In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine zuversichtliche Zeit

Ihr

Markus Oess