Autorin: Cordelia AlbertInfluencer? Ist das denn ein Beruf? Fragt man junge Leute, was sie mal werden wollen, hört man auch diese Antwort. Während ältere und medienferne Menschen verwundert den Kopf schütteln – Influ…was? –, sieht das bei der jungen Generation anders aus. Sie kennen die Namen der angesagten Influencer, wissen, was diese machen und vor allem, was sie konsumieren. Sie kennen auch die Geschichten von denen, die es – mal erfolgreich, mal nicht – selbst versucht haben. Gut von Werbeeinnahmen lebend und erfolgreich rund um den Globus jettend – für viele sind Influencer die neuen Topstars.
Doch woher kommt diese Entwicklung und was bedeutet sie für die Gesellschaft? Diesen und vielen anderen Fragen gehen die beiden Autoren, der Soziologe und Journalist Ole Nymoen und der Youtuber, Podcaster und KritikerWolfgang M. Schmitt, in ihrem Buch „Influencer. Die Ideologie der Werbekörper“ nach. Ähnlich einem Essay nähern sie sich dem Thema aus verschiedenen Perspektiven und mit verschiedenen Thesen: Wie entstand dieses Tätigkeitsfeld, welche gesellschaftlichen Entwicklungen und wirtschaftlichen Ursachen lagen dem zugrunde und was bedeutet der Erfolg für unsere heutige Gesellschaft? Das Autorenteam beleuchtet die persönliche Selbstvermarktung ebenso wie die knallharten wirtschaftlichen Interessen bezüglich des Product-Placements. Sie zeigen die Influencer als symptomatische Sozialfiguren unserer Zeit: In einer von Abstiegsängsten geprägten Gesellschaft liegt hier eine scheinbar einfache und für alle zugängliche Chance auf Wohlstand und Erfolg, denn dank des Internets und der modernen Handy- und Bildbearbeitungstechnik kann scheinbar jede(r) in dieser „schönen neuen Welt“ dabei sein. Nymoen und Schmitt erörtern aber vor allem die Schattenseiten: die Falschheit der bearbeiteten Bilder, die Lügen der Inhalte sowie die Regeln der Plattformen und die Kommerzialisierung des Internets, die Macht der Werbung, genauso aber auch die teils gravierenden Einflüsse auf die Gesellschaft bis hin zur distanzlosen Vermarktung von Kindern.
All diese Kritik ist berechtigt, aber manchmal dann doch zu einseitig. Denn es gibt auch berichtenswerte und erfolgreiche Beispiele und Wege, bei denen sich Influencer mit ihrer Präsenz oder ihren Themen nicht als Werbekörper inszenieren, sondern für positive Dinge für die Allgemeinheit einsetzen. Den Autoren geht es aber insgesamt nicht um eine Marktbeleuchtung, sondern um eine sozialkritische, gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Wer hier Gedankenansätze sucht, wird viele Inspirationsquellen finden.
Ole Nymoen, Wolfgang M. Schmitt: Influencer. Die Ideologie der Werbekörper. Suhrkamp Verlag, 1. Auflage 2021, Klappenbroschur, 192 Seiten, 15 Euro.
ISBN: 978-3-518-07640-8