Autor: Markus OessIn diesem August wurde die Copenhagen International Fashion Fair (CIFF) zur Bühne für eine besondere Partnerschaft. Unter der inzwischen bekannten Head NEUDEUTSCH brachte die CIFF mehr als 30 kreative Köpfe und innovative Marken aus Deutschland nach Kopenhagen. Diese Kooperation, kuratiert von dem Modeexperten Julian Daynov, bot eine beeindruckende Präsentation zeitgenössischen deutschen Designs, das weit über die bekannten funktionalen Wurzeln hinausging. „Unsere Gastgeber von der CIFF waren unglaublich erfreut zu sehen, dass der NEUDEUTSCH-Bereich der belebteste Bereich der gesamten Messe war und definitiv der am meisten fotografierte Stand“, resümiert Julian gegenüber FASHION TODAY.
CIFF-Chefin Sofie Dolva hält nicht ganz ohne Eigennutz Deutschlands Design-Welt für eine interessante Geschäftsoption, schließlich sieht sie die Republik seit Jahren als zentralen Markt für viele Marken, die auf der CIFF ausstellen. Überdies verzeichnete in den letzten Jahren die Messe eine stetige Zunahme deutscher Teilnehmer – sowohl auf Käufer- als auch auf Ausstellerseite. Die Zahl der deutschen Besucher hatte sich sogar mehr als verdoppelt. Dolva will die CIFF als bevorzugte Plattform für deutsche Marken weiter festigen, die ihren internationalen Fußabdruck erweitern wollen. „Wir glauben fest an das kreative Potenzial und die Marktstärke unserer Nachbarn in Deutschland“,sagt sie. Die Partnerschaft mit NEUDEUTSCH war ein weiterer Schritt, um die engen Kontakte zwischen Kopenhagen und Deutschland zu vertiefen.
Umgekehrt hat Julian Daynov, der kreative Kopf hinter NEUDEUTSCH, mit dem Projekt, die verstaubten Klischees über deutsches Design aufzubrechen, wie schon bei der Pitti Erfolg. NEUDEUTSCH steht für eine neue Kraft der Kreativität, die weit über funktionale Designansätze hinausgeht und eine vielfältige, globale Perspektive einnimmt. Für Daynov ist das Projekt ein „zeitgenössisches Manifest der Modernität“, das die deutsche Designsprache durch kulturellen Pluralismus und innovative Talente bereichert. Das Kollektiv zeigte eine breite Palette an kreativen Disziplinen auf der CIFF – von Mode und Accessoires über Interiordesign und Objektdesign bis hin zu Schönheit und Kunst.
Julian, der den Menschen stets sehr aufgeräumt und freundlich begegnet, lächelt (das tut er oft), als wir ihn nach der Bilanz von NEUDEUTSCH in Kopenhagen fragen. Für ihn ist Kopenhagen eine Etappe auf einer weiteren Reise seines Kollektivs, aber eine sehr erfolgreiche.
FASHION TODAY: Julian, wie zufrieden bist du mit der Performance von NEUDEUTSCH in Kopenhagen?
Julian Daynov: „Ich bin wirklich überwältigt von dem unglaublichen Erfolg der Show in Kopenhagen und ein wenig stolz darauf, dass so viele Besucher vorbeikamen und sich mit den Arbeiten der Designer, die ich kuratiert habe, auseinandergesetzt haben. Es ist ein erstaunliches Kompliment, nicht nur für meine Arbeit, sondern für die Arbeit jedes Einzelnen dieser Kreativen, die ihre neuesten Designs auf der CIFF präsentiert haben. Mein persönliches Highlight ist immer zu sehen, wie die Insider der Branche auf das Projekt reagieren – Einkäufer, Presse, Einzelhandelsexperten waren alle beeindruckt, als sie feststellten: ‚Da gibt es tatsächlich großartiges Design in Deutschland und wir sollten unsere Augen offen halten.‘ Das ist die übergeordnete Mission, die ich mit NEUDEUTSCH verfolge – die aktuelle Großartigkeit des deutschen Designs und der Kreativität zu fördern und international bekannt zu machen. Unsere Gastgeber von der CIFF waren unglaublich erfreut zu sehen, dass der NEUDEUTSCH-Bereich der belebteste Bereich der gesamten Messe war und definitiv der am meisten fotografierte Stand. Auch die dänische Presse hat es sehr gefeiert, ebenso wie einige große Publikationen – alles in allem bin ich also wirklich zufrieden mit der Performance von NEUDEUTSCH.“
Was hat dich am meisten überrascht?
„Ich war überrascht zu sehen, wie die Einkäufer auf die Kuratierung und das gesamte Set-up reagiert haben: Viele von ihnen sagten, dass sie durch die Präsentation der Produkte in dieser sehr ‚installativen‘ und ‚galeristischen‘ Weise – ähnlich wie in einem Concept Store – sofort einen besseren Bezug zu den Waren herstellen und sich vorstellen konnten, wie sie in ihrem Laden aussehen würden. Ich glaube, das war eine Erkenntnis für alle auf der Messe –wir sind alle visuell sehr angezogen, wenn der gesamte Raum und das Erlebnis ,rund‘ und ,angenehm‘ sind. Zusätzlich fand ich es großartig, dass so viele Fachleute die Arbeiten deutscher Designer auf ihre Beobachtungslisten gesetzt oder sie sofort in ihre Ladensortimente aufgenommen haben – das bestätigt nur mein Credo, dass Exposure und Visibilität entscheidend sind, um ein junges Geschäft zu unterstützen.“
Neben Mode gab es in Kopenhagen, wie schon in Florenz, auch Wohnaccessoires, Kosmetik und Lebensmittel aus Berlin zu erkunden. Wenn es um Design aus Deutschland oder Berlin geht, scheinen keine Grenzen zu existieren, oder? Anders gefragt: Gibt es ein Segment, das du nicht präsentieren würdest?
„In meinem ersten Gespräch mit Sofie Dolva und ihrem CIFF-Team habe ich herausgehört, dass sie ihre Plattform als einen ‚offenen Raum‘ für alles betrachten, was mit modernem Lifestyle zu tun hat, und nicht nur auf ‚Kleidung‘ beschränken. Das war für mich sofort ein Aufruf, um nach einer größeren Ausstellungsfläche zu fragen und zusätzliche, nicht textilbezogene Produktsegmente in meine Kuratierung aufzunehmen. Ich fand es großartig, dass ich eine reichhaltigere Auswahl an Interior Pieces, Designobjekten und Kosmetik zeigen konnte … Da die Idee von NEUDEUTSCH darin besteht, Innovation und Designgröße zu fördern, würde ich mich nicht auf eine bestimmte Warengruppe beschränken. Natürlich würde ich jedoch niemals bereit sein, Werke von Designern einzubeziehen, deren Werte oder Visionen ich nicht teile oder die mir persönlich nicht gefallen.“
„Der grundlegende Gedanke des NEUDEUTSCH.COLLECTIVE ist – als Plattform zu dienen, die deutsches Talent international zeigt und feiert …“
Was steht als Nächstes an? Sind weitere Messen oder Auftritte geplant?
„Glücklicherweise haben mich einige andere wirklich große Plattformen angesprochen und ein starkes Interesse bekundet, eine NEUDEUTSCH-Ausgabe auf ihren Messen zu präsentieren – momentan sind Paris, Stockholm, Seoul und Tokio im Gespräch, aber wir werden sehen, was sich ergibt. Ich möchte den ,Feiercharakter‘ der Ausstellung bewahren und nicht zu oft bei jeder Messe auftreten – das würde auch das Interesse der Presse, der Einkäufer und des Publikums an der neuen Welle deutscher Kreativität verringern. Ich wäre froh, wenn ich einmal im Jahr eine Kuratierung zeigen könnte, immer an einem anderen Ort.“
Möchtest du das Konzept weiterentwickeln und wenn ja, wo siehst du Verbesserungsmöglichkeiten?
„Es gibt immer Raum für Verbesserungen und weiteres Wachstum, aber was ich unbedingt bewahren möchte, ist der grundlegende Gedanke des NEUDEUTSCH.COLLECTIVE – als Plattform zu dienen, die deutsches Talent international zeigt und feiert, und zwar als ein wohltätiges Projekt. Ich hoffe, dass ich immer Partner wie Pitti Uomo und CIFF finden werde, die dieses Vorhaben vollständig unterstützen. Was ich gerne hinzufügen würde, ist eine weitere Dimension der Kuratierung, die auch mehr darauf abzielt, Kooperationen mit dem Einzelhandel oder Förderorganisationen zu initiieren, um die ,Inkubator‘-Mission des kommerziellen Wachstums für die Marken zu erweitern.“
Diese Marken waren dabei:
Auf der CIFF 2024 wurden unter dem Banner von NEUDEUTSCH spannende neue Namen des deutschen Designs präsentiert. Zu den teilnehmenden Marken gehörten unter anderem: Anna Zimmermann, AVENIR, BALLETSHOFER, Ina Budde, DALUMA, equality Fragrances, FRNKOW, gitti, gestalten, HADERLUMP, Hernán, INTERNATIONAL CITIZEN, kess, MARKE, STUDIO MILENA KLING, NANDO STUDIO, NOAM, NOWRUBI, N33, Objekte unserer Tage, OOR, oftt, RAER Scents, Reality Check Apparel, Rohling, SARAH ILLENBERGER, sleek, SOCIÉTÉ ANGELIQUE, SPSR, STAINLESS STUDIOS, Tina Bobbe, uncommon matters, VAUST und ZWINGENBERG.
Das sagen Teilnehmer und Teilnehmerinnen:
INTERNATIONAL CITIZEN
Die Marke wurde 2020 gegründet. 60 bis 70 Prozent der Kollektion sind unisex, der Rest Womenswear. INTERNATIONAL CITIZEN steht für die Philosophie, dass wir nicht Bürger eines Landes, sondern des Planeten Erde sind. INTERNATIONAL CITIZEN ist eine universell identifizierende, nachhaltige Luxusmodemarke, die spirituelle Modalitäten in das Design und die Firmenethik integriert. Annika Tibando, Gründerin und Creative Director, kommt ursprünglich aus Kanada: „Julian hat eine großartige Möglichkeit geschaffen, uns international zu präsentieren. Hier haben wir mit mehr Einkäufern gesprochen als in Florenz. Allerdings muss man sagen, dass die CIFF der Womenswear mehr Raum bietet. Wir sind total zufrieden mit der Resonanz.“
https://www.internationalcitizen.studio
atelier 37
Die Gründer von atelier 37 sind keine Newcomer. Hinter der Marke steht WORMLAND, mit Julian Spengler als Creative Director und WORMLAND-Geschäftsführer Tim Kälberer als Mitgründer. Die Marke startet im Herbst/Winter 2024 auf der Fläche. Naheliegend, dass sie zunächst neben Autark als weitere Eigenmarke von WORMLAND ins Rennen geht. Das Management kam auf der Pitti Uomo mit Julian ins Gespräch. Alex Wahl kümmert sich um das operative Geschäft: „Es ist schon großartig, was Julian da in kurzer Zeit auf die Beine gestellt hat. Wir wissen genau, wie eine Marke funktioniert. Die Resonanz auf atelier 37 ist wirklich gut. Es ist die erste Messe für uns. NEUDEUTSCH sorgt für die richtige Awareness.“
www.wormland.de
FRNKOW
Die Marke ist bereits seit Längerem am Start und war schon mit NEUDEUTSCH auf der Pitti. Das Stuttgarter Menswear-Label wird in Kürze seinen ersten Store in der baden-württembergischen Hauptstadt eröffnen, mit einer Fläche von 80 Quadratmetern und angeschlossenem Atelier. Philipp Lin ist für die Kommunikation der Marke verantwortlich: „Das Jahr ist wirklich gut angelaufen. Wir nehmen Kopenhagen als weitere Etappe mit. Wir sehen schon, dass im Gegensatz zur Pitti auf der CIFF auch Womenswear eine besondere Rolle spielt. Wir haben zwar noch nichts verkauft, aber Erstkontakte geknüpft. Die Reaktionen sind durchweg positiv. Wir sind mit der Messe zufrieden.“
https://frnkow.com
ZWINGENBERG
Das noch junge Label startete ursprünglich als Unisex-Anbieter, hat inzwischen aber überwiegend Womenswear im Programm. Seit dem 6. Januar verkaufen die Berliner ihre Mode im eigenen Online-Shop. Julia Zwingenberg, die mit ihrem Ehemann Florian Nasse-Zwingenberg das Label gegründet hat, sagt: „Es ist unsere erste Messe. Wir bekommen auf der CIFF viele Einblicke. Gerade die Vernetzung mit anderen Brands bringt uns viel. Unbestritten, die CIFF ist für uns ein Gewinn.“
https://zwingenberg.studio
BALLETSHOFER
Der Designer Alan Balletshofer war bereits zweimal auf der BERLIN FASHION WEEK auf dem Laufsteg vertreten. Nach Kopenhagen ist er mit einer Auswahl der Key Looks seiner jüngsten Berliner Schau angereist. Seine Mode beschreibt er als eine Mischung aus Sportswear und Tailoring, die vor allem, aber nicht nur, junge Männer ansprechen soll. Wie alle NEUDEUTSCH-Marken ist die Marke im Premium-Segment unterwegs: „Der Kleidungsstil in Kopenhagen unterscheidet sich schon von Berlin. Hier ist die Mode cleaner und betont mehr die Silhouetten als in Berlin. Für mich bietet Kopenhagen eine bleibende Erfahrung, die mir bei der Weiterentwicklung der Marke helfen wird. Ich will zuerst die Marke im Markt festigen, dann aber auch sicher in den Wholesale gehen.“
https://www.alanballetshofer.com