Besser im Verbund

KOMMENTAR

Eva Westhoff ©dot

Autorin: Eva Westhoff
Kooperativen Unternehmensnetzwerken gehört die Zukunft, sowohl im Business-to-Consumer- als auch im Business-to-Business-Bereich. Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Unternehmenskooperation – Auslauf- oder Zukunftsmodell?“ von PricewaterhouseCoopers (PwC) und dem Internationalen Centrum für Franchising und Cooperation (F&C) aus dem Jahr 2006. Gerade im globalen Wettbewerb und in Zeiten dynamischer wirtschaftlicher Rahmenbedingungen böten sie gute Perspektiven. Und wie sieht die Gegenwart aus?

WERBUNG

Bereits vor zwei Jahren verwies Martin Richrath im Gespräch mit FT darauf, dass Genossenschaften wie EDEKA oder REWE auch mit den großen internationalen Playern mithalten können, und brach einmal mehr eine Lanze für den Solidaritätsgedanken in einer globalisierten Welt. Doch hätte der Vorstandschef des Bielefelder Mehrbranchenverbundes EK nicht seinen Job verfehlt, schlüge er andere Töne an? Was sagt die Wissenschaft? Prof. Dr. Theresia Theurl, emeritierte Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen der Universität Münster, die wir für die aktuelle Ausgabe von FASHION TODAY zum Thema befragt haben, sieht in der Textilbranche sogar noch mehr Kooperationspotenzial als im Lebensmitteleinzelhandel. In der neuesten Liste der größten Verbundgruppen in Deutschland finde sich die KATAG AG, Europas größter Fashion-Dienstleister, unter den – gemessen am Innenumsatz – Top 25, nicht jedoch die Verbundgruppen der Lebensmittelhändler, stellt sie fest. Und das, obwohl EDEKA, REWE und auch die MARKANT mit Milliardenaußenumsätzen um das X-Fache größer sind als die textilen Artgenossen.

Verbundgruppen sind Netzwerke rechtlich selbstständiger Unternehmungen mit einer Systemzentrale. Oft bewahren sich ihre Mitglieder ihre Autonomie und treten am Markt weiterhin als eigenständige Händler auf. Durch eine stabile wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Inanspruchnahme der Dienstleistungen der Verbundgruppenzentrale kann es Mitgliedern gelingen, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu wahren oder die Marktposition zu verbessern. Doch wie wichtig sind Verbundgruppen für den mittelständischen Bekleidungshandel? Und wie müssen sie aufgestellt sein, damit Unternehmen ihre Ziele besser erreichen, als sie es allein könnten?

WERBUNG

Es geht hier in der Tat sehr stark um das Wie. Denn, um es mit den Worten von Prof. Dr. Theresia Theurl zu sagen, viele Kooperationsvorteile sind nicht „garantiert“. Zur Pro-Kontra-Abwägung ist der „erwartete Nettovorteil“ heranzuziehen – und der ist individuell. Nicht nur, weil jeder Händler für sich die Kosten durchrechnen muss, sondern auch, weil subjektive Einschätzungen eine Rolle spielen. Doch letztlich ist entscheidend, ob es einer Verbundgruppe gelingt, einen überzeugenden Member Value zu schaffen. Als strategische Fokusthemen hatte Martin Richrath FASHION TODAY gegenüber zum einen die Digitalisierung – im Handel und in der EK selbst –, zum anderen Nachhaltigkeit in den Bereichen Environment, Social and Governance (ESG) genannt, neben der weiteren Internationalisierung der Verbundgruppe. Ebenfalls die Digitalisierung im Blick, empfiehlt der Verband DER MITTELSTANDSVERBUND den Verbundgruppen, ihre Mitglieder beim Aufbau und Betrieb eines zentralen Online-Shops oder dem Aufbau eines Marktplatzes zu unterstützen. Oder aber Hilfe beim Aufbau dezentraler Online-Shops der Verbundgruppenmitglieder und/oder der Nutzung eines (externen) Marktplatzes zu leisten. Auch weitere Services sind wichtig und wurden an den Start gebracht. Das unitex-FashionFestival beispielsweise. Für 2025 – und damit die vierte Auflage der B2B-Modemesse – ist das Save-the-Date bereits rausgegangen.

Zum 100. Geburtstag der KATAG im vergangenen Jahr von FASHION TODAY um einen Zukunftsausblick gebeten, antwortete KATAG-Chef Dr. Daniel Terberger, es werde auch in zehn Jahren immer noch eines ganz sicher geben: einen Haufen Arbeit. Themen wie KI, Fachkräftemangel oder sterbende Innenstädte würden auch die KATAG und ihre Vertragspartner, derzeit 350 an der Zahl, weiter umtreiben.

„Die Welt der Verbundgruppen ist eine bunte“, sagt Prof. Dr. Theresia Theurl. Für den Modeeinzelhandel sieht sie angesichts des dynamischen und komplexen Umfelds eine dezentral organisierte Gruppe mit einem hohen Partizipationsgrad und einem sehr leistungsfähigen Informations- und Kommunikationssystem im Vorteil. Bei aller Komplexität des Themas und Notwendigkeit zur individuellen Entscheidungsabwägung dürfte diese Aussage eine gute Orientierungshilfe bieten.