Politischer Dreisatz

KATAG

Politik verlangt Flexibilität... alle Bilder ©BrauerPhotos / O.Walterscheid

Autor: Markus Oess
Politisch geht es auf der Cheftagung immer zu. Diesmal kam NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, der mehr Unternehmerfreiheit einforderte und damit auch bei der KATAG und ihren Anschlusshäusern punktete. Drei Dinge seien jetzt gefragt, um Deutschlands Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Auf diese Forderung ging auch Dr. Daniel Terberger ein und mahnte zu kaufmännischen Tugenden, die er ebenfalls mit drei Schlagworten formulierte.

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Politik verlangt Flexibilität. Üblicherweise eröffnet KATAG-Chef Dr. Daniel Terberger seine gleichnamige Tagung, musste aber Platz machen für den NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der aufgrund von Terminänderungen einen anderen Zeitslot für seinen Auftritt brauchte. Wüst erfüllte mit seinem Besuch ein Versprechen, das er vor zwei Jahren gab. Er lobte denn auch gleich die KATAG und ihre Anschlusshäuser als Paradebeispiel für erfolgreiche mittelständische Unternehmer. Klar, Heimspiel. Nach der Analyse des Wirtschaftsstandorts Deutschland, bei der das Land unterm Strich nicht gut wegkommt, listet der CDU-Politiker drei Schlagworte auf, mit denen die deutsche Wirtschaft wieder ans Laufen kommen solle: Verlässlichkeit der Politik und des Staates, um zuverlässige und vor allem berechenbare Rahmenbedingungen zu setzen, die die Unternehmen nicht überlasten, sondern im Gegenteil steuerlich und regulatorisch entlasten. Das zweite Schlagwort lautet Vertrauen als Wurzel der Demokratie und die Zuversicht, nicht einem Zickzackkurs der Regierung ausgeliefert zu werden. Vertrauen auch in die Unternehmen, die ihre Freiheit auch redlich nutzen und nicht durch überbordende Kontrolle ausgebremst werden dürfen. Das dritte Schlagwort schließlich lautet Innovation und die Bereitschaft, Neues anzunehmen und den Fortschritt in allen Bereichen mitzugehen.

Für Dr. Terberger waren Wüsts Ausführungen ein Steigbügel, um die Politik zu ermahnen, gerade dem Mittelstand in diesen Zeiten mit ihren globalen Krisen und Kriegen nicht die Luft zu nehmen. Die Komplexität der aktuellen weltpolitischen Lage sei zu groß, um sichere Planungen mit einem langfristigen Horizont zu erstellen und dann abzuarbeiten, so der KATAG-Chef. Stattdessen sei jeder klug beraten, die Augen aufzuhalten und flexibel auf Veränderungen mit den richtigen Anpassungen zu reagieren. Dr. Terberger sprach die „alten kaufmännischen Tugenden“ an – finanzielle Stabilität, Innovationsoffenheit und Nähe zu allen Stakeholdern, von der Unternehmerfamilie über Mitarbeiter, Finanzierer bis hin zu den Kunden. Nur wer finanziell auf stabilen Füßen stehe, könne auch unvorhergesehene Krisen meistern und schwere Zeiten durchstehen. Das sei klar, sagte Dr. Terberger. Technologie und Innovation seien der Motor der Wirtschaft. Ohne Fortschritt sei Wohlstand nicht möglich und wenn der Wohlstand fehle, gerate die Gesellschaft in Gefahr. Und was die Menschen angehe, offenbare sich deren Bedeutung bei der Unternehmernachfolge, wenn nicht klar sei, wie es in der Folgegeneration weitergehe. Auch Mitarbeiter seien ein limitierender Faktor; handele der Unternehmer falsch, werde er kaum in der Lage sein, seine Firma im Tagesgeschäft im Gleichgewicht zu halten. Das gelte ebenso für Banken, die Innovationen finanzieren sollen, und für Kunden, die ihr Geld am liebsten im Laden lassen sollten. Dr. Terberger blickt trotz aller Unsicherheiten zuversichtlich in die Zukunft. Solange die Händler machten und sich auf unsere Kernaufgaben konzentrierten und sie die alten Tugenden auch beherzigten, werde es den mittelständischen Handel immer geben, sagte er sinngemäß. „Ich bin stolz darauf, was wir geleistet haben, aber wir sollten auch demütig bleiben“, so der KATAG-Chef.

Machen!

„Gegen die globalen Kriege und die Konflikte, unter denen Deutschland als Exportnation leidet, können wir nichts machen. Aber man soll uns machen lassen.“   

FASHION TODAY: Herr Terberger, wie geht es der KATAG, wie geht es dem mittelständischen Modehandel?
Dr. Daniel Terberger: „Nicht so schlecht wie befürchtet, aber auch nicht so gut wie erhofft. Erfreulicherweise ist der Konsum stabil. Das kann man gut finden, aber wir stehen immer noch inflationsbedingt unter Kostendruck. Und unter diesen Umständen bei gleichbleibenden Umsätzen Geld zu verdienen, ist nicht einfach. Bekleidung steht bei den Konsumenten nicht ganz oben auf der Wunschliste. Wir müssen das Beste daraus machen.“

Sie haben sinngemäß gesagt, dass Deutschland Schlusslicht sei im Vergleich der westlichen Industrienationen. Sie stimmten jedoch positiv, immerhin brenne noch Licht im Keller und man könne sehen, was zu tun sei. Später kamen Sie auf die alten Kaufmannstugenden im Mittelstand zu sprechen, auf die es ankomme: finanzielle Stabilität, Offenheit für Innovationen und die Nähe zu den Menschen. Was also ist zu tun, damit der deutsche Wirtschaftsmotor wieder Fahrt aufnimmt?
„Auf das Weltgeschehen haben wir kaum Einfluss. Gegen die globalen Kriege und die Konflikte, unter denen Deutschland als Exportnation leidet, können wir nichts machen. Aber man soll uns machen lassen. Mittlerweile leben wir in einem Dschungel an Gesetzen und Vorschriften, der uns fast schon die Luft zum Atmen nimmt, und es kommen immer neue Regelungen dazu. Ich stimme allen Zielen des Lieferkettengesetzes oder des Umweltschutzes zu, nur müssen wir endlich wieder in die Lage versetzt werden, uns in Ruhe auf unser Tagesgeschäft konzentrieren zu können. Es wäre gut, wenn wir mal fünf Jahre Ruhe hätten und der Staat auf ein, zwei Dinge verzichten könnte, statt immer neue Vorgaben einzufordern. Ich sehe inzwischen den Wohlstand gefährdet und damit in letzter Konsequenz auch den sozialen Frieden und die Sicherheit. Mehr Vertrauen, mehr Freiheit lautet die Parole der Stunde!“

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Sie sind von der Leistungsfähigkeit und Kraft des Mittelstandes, von inhabergeführten Unternehmen überzeugt. Was schreiben Sie in dem Zusammenhang dem Mittelstand generell ins Pflichtenheft?
„Es gibt viele Themen, die wir angehen müssten. Vor allem dürfen wir nicht hadern und versuchen, so gut es geht mit den unveränderbaren Rahmenbedingungen zurechtzukommen. Der Mittelstand sollte seine Anpassungsfähigkeit aufrechterhalten, beweglich bleiben und sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, auf den Kunden und seine Wünsche. Der Markt bietet Chancen, man muss sie nur erkennen und nutzen. Seien es Trendthemen wie Fitness, Athleisure oder neue Denkansätze wie die mögliche Einbindung von Wohnen oder Haustieren in unsere Sortimente.“

Viel ist immer die Rede von der Partnerschaft zwischen Markenindustrie und Handel. Auch hier gelten doch die alten Tugenden. Aber was bedeutet das in unseren Zeiten, die von globalen Krisen, von Krieg, Disruption und Unsicherheit geprägt sind?
„Partnerschaften sind dann wertvoll, wenn sie langfristig angelegt sind und verbindliche Pflichten für beide Seiten beinhalten. Beide Seiten müssen Wort halten. Das ist leider nicht immer der Fall. Gegenüber den Vertikalen wie INDITEX hat das Wholesale-Geschäft zwei Nachteile. Es ist aufgrund der Zweistufigkeit komplexer und es wollen zwei Parteien Geld verdienen. Das geht nicht ohne Planungssicherheit, gegenseitiges Commitment und die Bereitschaft zu teilen.“

Schauen wir nach vorn: Die KI wird uns wichtige strategische Erkenntnisse liefern und, gefüttert mit den richtigen Daten, in eine bessere Zukunft führen. Dominic von Proeck, Co-Founder LEADERS OF AI, hat die Bedeutung der KI in seinem Vortrag mit der Erfindung des Buchdrucks verglichen. Was sagen Sie, neigen wir Deutschen zu sehr zu Pessimismus?
„Ich bin kein Freund von Extremen. Ich denke, man sollte schon den Tatsachen ins Auge blicken. Wenn Sie schauen, wo Luxus und Lebensfreude funktionieren, nämlich in Italien und Frankreich zum Beispiel, und wo der Discounter punktet, nämlich in Deutschland, hat das eine Bedeutung. Trotzdem sollten wir nicht pauschalieren. Wir haben gesehen, wie Second Life oder Metaverse gehypt wurden und was am Ende des Tages daraus geworden ist. Andererseits ist es immer einfach, hinterher zu sagen, ich habe es immer gewusst. Wir sollten immer offen sein für Innovationen und bereit für Investitionen. Aber wir müssen auch nicht gleich First Mover sein. Mir gefällt der Begriff ‚Abwägen‘ besser als ‚Pessimismus‘.“

Auch in diesem Jahr wurden die KATAG-Awards vergeben. Der Award für den Händler des Jahres ging an Bernd Titius und Björn Tischer (PECHT Shoppingwelt). Den Award für erfolgreiches Generationenmanagement erhielten Katharina und Moritz Schmidt und die Eltern von Katharina Schmidt (MODEHAUS cohausz). Der Award Best Performing Brand ging an die spanische Marke MANGO. Mit dem Award für Nachhaltigkeit wurde die Falke KGaA ausgezeichnet und den Award für persönliches Engagement erhielt Mark Rauschen (L&T) für die Übernahme des BTE-Präsidiums.

Weitere Gastredner waren Heinrich Otto Deichmann, CEO der Deichmann SE, der den Werdegang seines Unternehmens zu einem milliardenschweren, erfolgreichen Konzern nachzeichnete, und Dominic von Proeck, Co-Founder LEADERS OF AI, der die Bedeutung von KI und ChatGPT mit dem Buchdruck verglich. Für Glamour sorgte kurz vor der Fußball-EM der ehemalige Weltklasse-Stürmer und Bayern-München-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge.