Autor: Andreas GrüterZur Februar-Edition des monatlichen „Auf ein Kaltgetränk mit …“-Trinkgelages hat es uns ausgerechnet in der heißesten Phase des Straßenkarnevals nach Köln verschlagen, wo wir uns mit dem Couturier Carlo Jösch trafen. Hier, in der Hauptstadt des närrischen Treibens, sprachen wir über Kilts, Hemden und Social Media. Viel Spaß beim Lesen.
FASHION TODAY: Willkommen zur Februar-Trinksoirée. Was darf es für dich sein?
Carlo Jösch: „Gerne ein Mineralwasser ohne Kohlensäure.“
Das passende Essen zu meiner Getränkewahl wäre …
„Da entscheide ich mich für ein Thai-Curry.“
Endstation Fashion. Wie bist du in die Branche gekommen?
„Ursprünglich durch meine Familie. Meine Oma und meine Tanten haben viel geschneidert und eine der Tanten hat auch ihre eigenen Modeteile entworfen. Insgesamt ist meine gesamte Familie handwerklich ziemlich versiert, und das hat natürlich auch auf mich abgefärbt.“
Gab es für den 15-jährigen Carlo alternative Berufspläne?
„Eigentlich wollte ich Architekt werden. Meine Eltern haben mir aber davon abgeraten und dann war Mode die Alternative. Natürlich stand Modedesigner damals ganz oben auf meiner Wunschliste, aber heute bin ich froh, mich für den Beruf des Couturiers entschieden zu haben. Mir macht das Handwerkliche an der Mode einfach Spaß und als Vollmaßschneider habe ich einen viel persönlicheren Kontakt zu meinen Kunden. Wenn man als Modedesigner keinen großen Namen hat, ist das heutzutage ja ehrlich gesagt auch kein sonderlich kreativer Job mehr.“
Du bist zertifiziert von der Kiltmaker Association of Scotland. Wie kam es dazu?
„Mich hat Schottland schon als Kind fasziniert. So sehr, dass ich mir mit sieben oder acht Jahren einen Faltenrock aus einem alten karierten Regenschirmbezug gebastelt habe. Die Liebe zu den Highlands hat die Jahre überdauert und irgendwann kam ein Kunde in meinen Laden und wollte einen Kilt geschneidert haben. Ich habe den Auftrag damals nicht angenommen, weil ich viel zu wenig über die richtige Herstellung wusste und nicht einfach irgendwas zusammenschustern wollte, habe mich aber danach ins Thema gehängt, recherchiert und Betriebe in Schottland angeschrieben. Über eine alteingesessene Kilt-Manufaktur aus Inverness bekam ich dann den Kontakt zu William Law, Inspekteur der Kiltmaker Association of Scotland, der anbot, mir die Tricks und Kniffe beizubringen, die mir zum Kiltmaker noch fehlten. Ich habe zunächst mehrere Kilts unter Anleitung nähen müssen und nachdem ich dann einen Kilt allein und zu Williams Zufriedenheit gefertigt hatte, erhielt ich das offizielle Zertifikat.“
Du lebst und arbeitest in Köln. Traumstadt oder notwendiges Übel?
„Weder noch. Ich lebe gern in Köln, weil die Leute hier doch sehr anders ticken als in anderen deutschen Großstädten. Kölner sind sehr offen, die Stadt ist bunt und mir gefällt diese Veedelskultur. Man kennt sich und grüßt sich in der Nachbarschaft, und das finde ich sehr schön. Meine Lieblingsstadt in Deutschland ist allerdings Hamburg und mein großer Traum ist ein Leben auf dem Land nahe am Meer irgendwo in Schottland.“
„Meine chilenische Großmutter war definitiv sehr prägend für mich. Reisen geben mir stets neue Eindrücke, die auch meinen Alltag immer wieder in andere Bahnen lenken, und die Entdeckung der Meditation ist bis heute ein echter Einschnitt in meinem Leben.“
Deine drei Highlights der Stadt.
„Der Dom, bei dem ich direkt um die Ecke wohne, Spaziergänge am Rhein mit meinem Hund und das reichhaltige kulturelle Angebot, das Köln mit seinen vielen Museen und Kinos bietet.“
Bar oder Club?
„Bar.“
Sport oder Sofa?
„Sport.“
Plagen dich Sammelleidenschaften?
„Ich befürchte, ich habe ein sehr ausgeprägtes Faible für Hemden. Aktuell habe ich über einhundert im Schrank. Ich versuche mich aber zu zügeln und habe auch schon ein paar an meinen Vater verschenkt.“
Als Couturier hast du ein Auge fürs Detail. Was gilt es in der deutschen Modewelt zu verbessern?
„Den modischen Einheitsbrei finde ich leider wirklich ziemlich schlimm. Man muss schon in den richtigen Ecken unterwegs sein, um Menschen mit einem guten und interessanten Stil zu finden. ‚Gut‘ ist in diesem Zusammenhang natürlich ein dehnbarer Begriff. Ich meine damit Leute, bei denen man merkt, dass sie sich bei der Wahl der Kleidungsstücke Gedanken gemacht haben.“
Sneaker oder Budapester?
„Budapester.“
Analoges oder digitales Leben? Wie hältst du es mit Social Media?
„Ich bin leider ein ziemlicher Social-Media-Junkie, obwohl ich ein rein analoges Leben eigentlich toll finde. Wenn ich mich am Riemen reißen würde, könnte ich natürlich die ganzen Apps löschen und trotzdem glücklich sein. Meine Ausrede, dies nicht zu tun, ist, dass ich beruflich gar nicht daran vorbeikomme. Ich möchte schließlich, dass meine Arbeit gesehen wird. Mein Zwillingsbruder nutzt beispielsweise überhaupt keine Social-Media-Kanäle.“
Drei Dinge, die dein Leben geprägt oder verändert haben.
„Meine chilenische Großmutter war definitiv sehr prägend für mich. Reisen geben mir stets neue Eindrücke, die auch meinen Alltag immer wieder in andere Bahnen lenken, und die Entdeckung der Meditation ist bis heute ein echter Einschnitt in meinem Leben.“
Wohin führen dich kleine Alltagsfluchten?
„Ins Grüne – und zwar jeden Tag bei einer Runde mit meinem Hund.“
Sommer oder Winter?
„Winter.“
Du rettest einer Fee das Leben und hast drei Wünsche frei.
„Ich würde mir wünschen, wunschlos glücklich zu sein.“
Drei Must-haves, die in keinem Kleiderschrank fehlen dürfen.
„Eine Chino, ein gutes Hemd und ein robustes Outdoor-Sakko.“
Drei Dinge, die in deinem Kleiderschrank niemals einen Platz finden werden.
„Ein billiger Fußballschal aus Synthetik, ein String-Tanga und eine Gore-Tex-Jacke.“
Hiervon könnte ich mich nie trennen.
„Grundsätzlich muss man sich ja leider irgendwann von allem einmal trennen, aber bis es so weit ist, hoffe ich, dass mir mein Corgi Winston noch lange erhalten bleibt und ich meinen Beruf noch viele Jahre ausüben kann.“
Deine musikalischen und literarischen Never-go-Withouts?
„Als Kind der Achtziger liebe ich nach wie vor die Platten von Jean-Michel Jarre und Mike Oldfield. Auch wenn ich eigentlich überhaupt kein Romanleser bin, sondern mich hauptsächlich mit Sachbüchern beschäftige, hat mich das Buch ‚Jungfernfahrt‘ des britischen Schriftstellers Denton Welch von der ersten bis zur letzten Seite gepackt.“