Autorin: Eva WesthoffDer Handel mit Secondhand-Ware ist ein wachsendes Geschäft und floriert längst auch online. Doch warum kaufen Verbraucherinnen und Verbraucher gebrauchte Produkte? Was sorgt für Anreize und was lässt potenzielle Kundinnen und Kunden ihre Kaufentscheidung noch einmal überdenken? Der Bergsportausrüster bergzeit hat vor einem Jahr einen eigenen Online-Secondhand-Shop ins Leben gerufen. Vor dem geplanten Ausbau der Plattform wollte man nun seine Zielgruppe noch besser kennenlernen – mithilfe einer Umfrage. Jens Oellrich, Business Development Manager bei bergzeit, erläutert die wichtigsten Erkenntnisse. Interessant sind diese nicht nur für die Outdoor-Community.
Secondhand hat sein muffiges Trödelmarktimage weitgehend abgelegt. Ein immer größerer Teil des Umsatzes auf dem deutschen Bekleidungsmarkt entfällt auf Produkte, die bereits Vorbesitzerinnen und Vorbesitzer hatten. Laut Statista lag der Anteil 2014 bei 5,2 Prozent und 2022 bereits bei 10,1 Prozent, das entspricht fast einer Verdoppelung. Die Prognose für 2027 sieht ein Wachstum auf knapp ein Fünftel des Gesamtmarktes vor.
Welches Potenzial birgt der Handel mit Secondhand-Artikeln speziell für die Outdoor-Branche? Diese Frage stellte man sich bei bergzeit. Der Hintergrund: Das 1999 als kleines Tourenportal gegründete Unternehmen mit Sitz in Otterfing südlich von München, das seit 2012 zur Südtiroler Sportler AG gehört, betreibt seit rund einem Jahr bergzeit RE-USE, eine Secondhand-Plattform für Bergsportbekleidung und -ausrüstung – ergänzend zum regulären Onlineshop, in dem derzeit über 40.000 Bergsportprodukte von 500 Marken erhältlich sind. bergzeit ist kein kleiner Player: 2021/22 lag der Jahresumsatz bei 139 Millionen Euro.
Auf der Plattform bergzeit RE-USE können gebrauchte Outdoor-Bekleidung, -Schuhe und -Equipment zum Kauf angeboten werden, unabhängig davon, wo sie ursprünglich erstanden wurden. Das Prozedere ist einfach, denn bergzeit RE-USE steht nicht nur für die Überprüfung der eingesandten Produkte auf Qualität und Funktionsfähigkeit gerade, sondern unterbreitet jenen, die sich zu einem Verkauf der von ihnen nicht mehr benötigten Artikel entschließen, auch einen Preisvorschlag. Sämtliche operativen Prozesse im Rahmen des Verkaufs inklusive des „Gradings“, der Bewertung des Zustands eines Produkts also, und der Aufbereitung der Ware übernimmt als Recommerce-Partner das Unternehmen reverse.supply mit Sitz in Berlin.
Um nach einer Testphase die Bedürfnisse der Zielgruppe noch genauer in den Blick zu nehmen, führte bergzeit RE-USE im März dieses Jahres eine Umfrage unter 1.407 Personen aus der Outdoor-Community durch. Die Ergebnisse wurden im Mai veröffentlicht. Eine Erkenntnis: Nicht nur die Generation Z setzt auf Secondhand, wenngleich sie hier Vorreiterin ist: 57 Prozent der unter 20-jährigen Befragten kaufen und verkaufen ihre Outdoor-Sportartikel über Online-Secondhand-Shops. Doch auch die befragten 50- bis 59-Jährigen (33 Prozent), die 60- bis 69-Jährigen (23 Prozent) und die Umfrageteilnehmer ab 70 Jahren (38 Prozent) nutzen das Angebot von Online-Secondhand-Shops, um Artikel für ihren Berg- und Outdoor-Sport zu kaufen und zu verkaufen. Zahlen, die, wenn sie sich auch nicht eins zu eins auf andere Segmente übertragen lassen, doch andeuten, dass der Wiederkauf ausrangierter Bekleidung über alle Altersgrenzen hinweg funktionieren und somit ein Puzzlestück in einer nachhaltigeren Kreislaufwirtschaft darstellen kann. Vorausgesetzt, die Ware ist hochwertig. Denn dies ist bei Secondhand ein Schlüssel zum Erfolg – so sieht es auch Jens Oellrich, Business Development Manager bei bergzeit.
FT: Herr Oellrich, was hat bergzeit RE-USE zu der Umfrage motiviert? Wen haben Sie befragt?
Jens Oellrich: „Befragt haben wir interessierte Besucherinnen und Besucher der bergzeit-Website – beworben wurde die Umfrage über alle unsere Kanäle. Das Thema ist spannend, zukunftsweisend, neu und wir wissen noch zu wenig über die Motive und Hintergründe unserer Zielgruppe, Secondhand zu kaufen. Unser Interesse ist natürlich, das Thema Secondhand größer zu machen und mit den aus der Umfrage gewonnenen Erkenntnissen weitere Personen zu erreichen und sie noch gezielter anzusprechen.“
Hat es Sie überrascht, dass knapp 80 Prozent der Befragten Online-Secondhand-Shops nutzen, um Berg- und Outdoor-Sportartikel zu kaufen oder zu verkaufen?
„Wir wissen, dass es einen Secondhand-Markt für Outdoor- und Bergsportartikel gibt und über diverse Kanäle wie Flohmärkte, Anzeigen in Zeitschriften, eBay und natürlich auch über die vorhandenen Secondhand-Plattformen viele Outdoor-Produkte gehandelt werden. Die Zahl 80 Prozent spiegelt das wider, auch wenn wir den Zuspruch nicht ganz in dieser Höhe erwartet hatten.“
Wie die Umfrage ergeben hat, schlägt Kostenersparnis mit 88 Prozent den Nachhaltigkeitsgedanken (82 Prozent) als Hauptgrund für die Nutzung von Online-Secondhand-Shops, wenn auch nur knapp. Sie verkaufen auf Ihrer Plattform hochwertige Pre-owned-Ware, die ihren Preis hat. Wie wird das akzeptiert? Welches Resümee können Sie hier nach einem Jahr ziehen?
„Secondhand-Outdoor-Produkte werden gut akzeptiert. Der Preis hängt mit der Hochwertigkeit der Ware zusammen – Secondhand-Ware stellt hier preislich eine gute Alternative zu Neuware dar. Natürlich lassen sich auf eBay oder in Facebook-Gruppen vergleichbare Artikel zu einem günstigeren Preis finden, allerdings tragen die Käuferinnen und Käufer dort auch ein größeres Risiko. Bei uns ist die Ware geprüft und es gibt komfortable Retourenmöglichkeiten. Diese Serviceleistungen schätzen die Kundinnen und Kunden.“
Tatsächlich äußerte mehr als jede, jeder Dritte der von Ihnen Befragten, sich aufgrund fehlender Retourenmöglichkeiten gegen ein Secondhand-Produkt zu entscheiden. bergzeit RE-USE bietet eine kostenlose Retoure binnen 14 Tagen an. Ist das speziell bei Outdoor-Sportartikeln und -Bekleidung der Schlüssel für einen erfolgreichen Online-Secondhand-Handel?
„Ob es speziell für Outdoor-Produkte der Schlüssel ist, kann ich schwer beurteilen. In unseren Augen müssen die Serviceleistungen rund um ein Secondhand-Produkt vergleichbar sein mit jenen, die beim Kauf eines Neuprodukts geboten werden, damit die Käuferinnen und Käufer diese Form des Onlinekaufs überhaupt in Erwägung ziehen.“
Welche Artikel laufen im Resale am besten, wodurch zeichnen sie sich aus?
„Wir stellen fest, dass Produkte von bekannten Marken, die ein gutes qualitatives Markenversprechen haben, auch im Secondhand-Markt gut funktionieren und schnell wieder verkauft werden. Bezüglich der Kategorien waren wir von der Nachfrage nach gebrauchten Schuhen positiv überrascht.“
Wie festgestellt, nutzen 80 Prozent der von Ihnen Befragten Online-Secondhand-Shops. Zugleich hat die Umfrage ergeben, dass bei 36 Prozent der Befragten nur etwa jeder zehnte Artikel im Outdoor-Kleiderschrank aus einem Online-Secondhand-Shop stammt. Wie kann das Potenzial noch besser genutzt werden?
„Indem Secondhand-Ware als qualitativ hochwertige Alternative zu einem Neuprodukt dargestellt und das ‚verstaubte‘ Image abgelegt wird. Oftmals handelt es sich bei dieser Ware um wenig benutzte Produkte, die für die Käuferinnen und Käufer aus irgendeinem Grund ein ‚Fehlkauf‘ waren. Statistiken beweisen, dass viel ungenutzte oder kaum genutzte Ausrüstung im Umlauf ist, sprich in den Schränken liegt. Wir bereiten die angebotenen Artikel auf und überprüfen sie – damit gehen Käuferinnen und Käufer kein Risiko mehr ein und das versuchen wir, nach außen zu tragen.“
Ebendas scheint essenziell zu sein. Immerhin entscheidet sich Ihrer Umfrage zufolge fast die Hälfte derer, die Online-Secondhand-Shops skeptisch gegenüberstehen, aufgrund von Zweifeln an der Qualität der angebotenen Stücke gegen einen Kauf. Zugleich gibt etwa die Hälfte der Umfrageteilnehmenden an, den Willen zum Verkauf zu haben, jedoch unsicher zu sein, ob sich die getragenen Produkte noch dazu eignen. Wie wichtig ist für Verkäuferinnen und Käufer der Qualitätscheck beziehungsweise der Preisvorschlag durch bergzeit RE-USE?
„Der Qualitätscheck ist sehr wichtig. Wir wollen gute Secondhand-Ware in Umlauf bringen, sodass die Kundinnen und Kunden positive Erfahrungen mit ihren neu erworbenen Produkten machen und sich diese nachhaltige Form des Konsums weiter etabliert. Für einen Verkauf von eigenen Artikeln spielen zwei Faktoren eine Rolle: ein fairer Preis und ein einfacher Ablauf. Es ist zentral, dass der Verkauf schnell, unkompliziert und ohne großen Aufwand vonstattengeht, außerdem, dass ich als Verkäuferin oder Verkäufer die Sicherheit habe, auch den Preis zu erzielen, der mir vorgeschlagen wurde.“