Autorin: Katja VadersMetaverse ist aktuell ein viel diskutierter Begriff, wenn es um das Thema Digitalisierung geht. Aber was steckt dahinter? Gibt es schon ein funktionierendes Metaverse? Und welche Fehler können die Entwickler dieser virtuellen Welten vermeiden, mit denen schon jetzt das Internet zu kämpfen hat? FT sprach mit Mateja Riveros Silva, Gamedesignerin, CEO und Founderin des Kölner Game Studios minty mode, über die Hintergründe, Chancen und Gefahren des Metaverse.
FASHION TODAY: Mateja, wenn ich dich bitte, mir das Metaverse und seine Hintergründe zu erklären, bist du als Spieleentwicklerin mit Sicherheit die richtige Ansprechpartnerin. Was genau machst du?
Mateja Riveros Silva: „Ich habe Ende letzten Jahres mein Game Studio minty mode gegründet und wir arbeiten gerade an einem Spiel, das vom Land NRW gefördert wird. Darüber habe ich immer mehr mit dem Web 3.0, NFTs und Metaverse-Themen zu tun – die Gaming-Welt und das Metaverse hängen ja ziemlich stark zusammen. Wir haben diesbezüglich auch schon viele Aufträge für das Design von 3-D-Avataren erhalten, mit denen sich Nutzer in der virtuellen Welt bewegen können.“
Du hast gerade den Begriff „Metaverse“ genutzt, der sehr stark an „Meta“ erinnert – so hat Mark Zuckerberg unlängst sein Unternehmen umbenannt.
„Genau. Der Name ist sicherlich Strategie, damit viele Menschen denken, dass das Metaverse von Mark Zuckerberg erfunden wurde. Aber das stimmt so natürlich nicht.“
Wer hat es denn in Wirklichkeit erfunden?
„Wie so viele futuristische Dinge stammt die Idee aus der Science-Fiction-Literatur, in der das Metaverse bereits im Jahr 1992 in dem Roman ,Snow Crash‘ von Neal Stephenson beschrieben wurde. Die Definition des Metaverse ist ein dezentraler, virtueller, dreidimensionaler Raum, der von allen Menschen betreten werden kann und in dem sie sich begegnen können. Dieser Raum soll auf der Blockchain basieren – so zumindest die Idee.
Die Frage ist nur, wie wir jetzt die Grundsteine für ein Metaverse legen, damit wir als Menschen weiterhin eine gewisse Kontrolle über es behalten. Dazu gibt es ein paar Dinge, die man beachten muss – wie zum Beispiel die Frage nach der technischen Umsetzung.“
Du hast gerade einige Begriffe benutzt, die die meisten sicherlich schon gehört haben, aber nicht wissen, was dahintersteckt. Was sind denn beispielsweise eine Blockchain oder NFTs?
„Im Internet arbeitet man mit Datensätzen, die auf Servern hinterlegt werden. Hacker können ganz leicht auf diese Daten zugreifen, sie stehlen oder aber auch auf Server hochladen. Mit der Blockchain wird dies ein bisschen schwieriger, weil die Daten hier über ganz viele unterschiedliche Server geschickt werden und dadurch eine Art Verkettung entsteht, die es unmöglich macht, diese Daten zu fälschen oder Zugriff auf sie zu bekommen.
NFTs – das sind ,Non-Fungible Tokens‘ – sind ein gutes Beispiel dafür, da sie immer eine gewisse Historie haben. Du kannst in einem NFT ganz genau nachvollziehen, wie seine Geschichte im Metaverse oder im Internet ist: Wer hat es kreiert, wer hat es zuerst bekommen, an wen hat derjenige es weitergeschickt? … und so weiter. So ist es auch mit diesem Datensatz selber, der über ganz viele Schranken geschickt wird, die dann wie Sicherheitssysteme funktionieren.“
Und auf dieser Technologie beruht das Metaverse?
„Ja. Diese Technologie ist einerseits eine große Chance für das Metaverse, da man durch sie Werte schaffen und gleichzeitig Dateien absichern kann. Nicht so wie im normalen Internet, wo du Images zunächst einfach runterladen und dann immer wieder hochladen kannst. So gibt es dann auf einmal Tausende Varianten eines Bildes, wie etwa bei einem Meme. Das soll im Metaverse nicht mehr so einfach funktionieren. Die NFTs sind immer einzigartige Originale. Außerdem gibt es noch ,Tokens‘, das sind zum Beispiel Bitcoins oder andere Kryptowährungen, die die User untereinander austauschen können. Sie haben einen festgelegten Wert und man kann sie weder duplizieren noch einfach so runterladen, sondern sie sind fest integriert in einer Blockchain.“
„Wir sollen also ins Internet hineinsteigen können.“
Blockchains, NFTs oder Bitcoins stellen also die Grundvoraussetzungen dar, um ein Metaverse zu bauen. Wie ist denn überhaupt gerade der Stand der Dinge, was die Entwicklung des Metaverse angeht? Wenn ich das richtig verstehe, gibt es das Metaverse eigentlich noch gar nicht.
„Das stimmt. Was es allerdings gibt, sind einige kleine Metaversen, die abgegrenzte Räume sind beziehungsweise schon einen Teil des großen Ganzen abbilden. Man kann also schon jetzt mit einer VR-Brille und einem Avatar in diese virtuellen Räume eintreten und dort Leute treffen, mit NFTs und Kryptowährung hantieren oder in diesen Welten etwas bauen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Spiel Decentraland. Dort hat man die Möglichkeit, sich ein eigenes Grundstück zu kaufen, mit seinem virtuellen Ich ein Haus zu bauen oder mit Kryptowährung zu handeln. Das Ganze hat also schon Metaverse-ähnliche Züge. Die Idee hinter dem Metaverse ist, dort das gesamte Internet darzustellen, aber nicht auf einem Bildschirm, sondern virtuell und in 3-D. Wir sollen also ins Internet hineinsteigen können, um dort shoppen zu gehen, unsere Bankgeschäfte durchzuführen, uns mit Freunden zu treffen – alles, was man schon jetzt im Internet macht.“
Wenn ich im Metaverse shoppen gehe, mache ich das mit einem Avatar, der komplett mir entspricht, inklusive meiner Maße, und kann dann sehen, ob mir die Teile auch im realen Leben passen und stehen werden?
„Du wirst zwei Identitäten haben, die physische und die virtuelle, und kannst überlegen, für welche der beiden du einkaufen gehst. Sicherlich wird es im Metaverse auch die Möglichkeit geben, virtuell Klamotten anzuprobieren für das physische Ich, und du kannst dann tatsächlich sehen, ob dir ein Schnitt steht und passt. Im Metaverse werden grundsätzlich Planungen oder Simulationen, die in der physischen Welt sehr aufwendig und teuer sind, einfacher durchzuführen und anschließend besser für die physische Welt anzuwenden sein. Im Privaten ist das vielleicht der Kauf von Kleidung, aber es gibt auch zahlreiche Möglichkeiten in Bereichen wie Forschung, Städteplanung oder Medizin. Viele Experten werden das Metaverse definitiv sehr gut nutzen können.“
Schon jetzt üben Mediziner Operationen über VR und in der Industrie lernen Facharbeiter die Anwendungen von Maschinen in der virtuellen Realität. Das ist definitiv ein großer Gewinn. Aber was soll es mir persönlich bringen, in einem Spiel wie Decentraland für viel reales Geld, das ich in Kryptowährung getauscht habe, ein Grundstück im Metaverse zu kaufen?
„Das ist ein wichtiger Punkt: Ich selbst bin auch nicht regelmäßig auf diesen Plattformen unterwegs. Derzeit sind das ja gewissermaßen Experimente und man kann noch nicht sagen, welche dieser Plattformen sich letztendlich durchsetzen wird. Vor allem nicht, wenn Mark Zuckerberg beziehungsweise sein Unternehmen Meta das gesamte Metaverse für sich beanspruchen. Jetzt ist es für uns Verbraucher noch eine Spielerei und vor allem eine interessante Erfahrung, aber natürlich gibt es einige Geschäftsmodelle von Unternehmen, die mit dem Metaverse Geld verdienen wollen.“
Dass im Kunsthandel viel Geld mit NFTs gemacht wird, ist bekannt. Welche Arten von Unternehmen sind es noch, die Geld mit dem Metaverse respektive seinen Vorläufern generieren?
„Vor allem die Veranstaltungsbranche. Während der Corona-Zeit konnten auf entsprechenden Plattformen virtuelle Konzerte stattfinden, die auch tatsächlich live waren. Das war ein großartiges Gefühl, zum Beispiel den Sänger einer Band, der zwar virtuell, aber wirklich live performt hat, zu erleben. Man kann über diese Plattformen sehr gut Erlebnisse gestalten. Das ist besonders für Marken oder Influencer interessant. In der Modeindustrie gibt es ja ebenfalls schon viele Konzepte mit virtuellen Showrooms oder Runways.
Die reale Wirtschaft findet aber weiterhin in der physischen Welt statt, weil technisch derzeit noch nicht so viel möglich ist wie beispielsweise im Gaming-Bereich. Darum macht es auch noch nicht so viel Sinn, sein reales Geld in Kryptowährung umzutauschen oder sich virtuelle Grundstücke zu kaufen. Das kann man höchstens machen, wenn man zu viel Geld hat.“
Mir ist noch nicht so ganz klar, wie so ein Livekonzert funktionieren soll. Sehe ich die Band als Hologramm oder tritt sie mit Avataren auf?
„Sowohl … als auch. Ein Hologramm ist aufgezeichnet – und damit wäre es in diesem Fall kein Livekonzert. Aber das gibt es in der realen Welt ja auch, dass der Star zwar eine Live-Performance macht, aber die Musik und der Gesang vom Band kommen. Das könnte generell ein Problem im Metaverse sein: dass man nur schwer unterscheiden kann, was echt ist und was nicht. Wenn man noch ein paar Jahre oder sogar Jahrzehnte weiter denkt, werden definitiv künstliche Intelligenzen, KIs, im Metaverse unterwegs sein. Dann trifft man jemanden im virtuellen Raum, der in Wirklichkeit eine KI ist.“
Wie wird man in Zukunft damit umgehen?
„Als Game-Entwicklerin erschaffe ich zwar Illusionen für Menschen, aber die User wissen, dass es sich um ein konstruiertes Spiel handelt, von dem sie sich mitreißen lassen oder aber auch bewusst distanzieren können. Im Metaverse hingegen wäre nicht immer klar, ob eine Begegnung Illusion oder Realität ist. Das könnte für manche Menschen sehr verstörend sein.“
Es gibt in Japan ja schon jetzt Menschen, die eine Beziehung mit einer KI führen. Im Metaverse könnte sich so etwas sogar noch viel realer anfühlen. Für mich ist das eher gewöhnungsbedürftig, wie so vieles andere auch. Was sind deiner Meinung nach die positiven, was die negativen Aspekte des Metaverse?
„Ganz weit vorne sehe ich, dass Menschen miteinander in Kontakt treten und sich unabhängig entfalten können, auch wenn sie an Orten aufwachsen, an denen es schwerer ist, Gleichgesinnte zu finden. Im Internet gibt es die unterschiedlichsten Menschen und Bubbles, in denen man seine Interessen entdecken und gemeinschaftlich vorantreiben kann. Auch ich habe mich im Internet weitergebildet und dort das Gamedesign erlernt. Wenn man produktiv mit dem Netz umgeht, ist es eine wunderbare Quelle.
Im Metaverse wird das Ganze natürlich noch weitergetrieben: Da dort über die VR-Brille noch eine körperliche Komponente hinzukommt, kann man gemeinschaftlich Sport treiben. Man hat ganz andere Möglichkeiten, sich mit Menschen zu connecten, tanzen zu gehen, zum Beispiel als Prinzessin auf einem Schloss … Da lassen sich bestimmt ganz tolle Geschichten erzählen und Erfahrungen machen. Man kann reisen oder historische Figuren wieder zum Leben erwecken, indem man mit KI arbeitet und diese virtuell als Avatar nachbaut. Diese geschichtsträchtigen Personen werden dann ganz hautnah und spannend Geschichte vermitteln, was Lernen definitiv reizvoller macht. Das ist eine große Chance des Metaverse.“
Was ist mit Forschung und Medizin? Wir haben schon darüber gesprochen, dass es in diesem Zusammenhang schon jetzt an vielen Unikliniken tolle Möglichkeiten gibt.
„Genau, Studenten können ganz risikofrei Operationen üben, um zu lernen. Und auch erfahrene Ärzte spielen komplizierte Eingriffe durch, um besser auf mögliche Risiken reagieren zu können. Der Katastrophenschutz kann den Ernstfall simulieren, Daten einspeisen, Ereignisse vorhersehen und dann rechtzeitig evakuieren. Menschen könnten sich in Berufen ausprobieren, um festzustellen, was ihnen liegt. Das Metaverse kann also helfen, dass wir alle unsere Potenziale besser ausschöpfen.“
Das sind eine Menge positive Aspekte. Aber natürlich bringt das Metaverse auch Gefahren mit sich.
„Ja, und das sind vor allem technische Faktoren. Wir sind zwar an einem Punkt, an dem die Umsetzung vom Metaverse noch gar nicht funktioniert, aber dennoch zieht es schon jetzt große Mengen Energie und stößt vor allem sehr viel CO2 aus, vor allem die Daten, die über die Blockchains laufen. Ein NFT kann durchschnittlich 200 Kilogramm CO2 ausstoßen. Man muss sich mal überlegen, dass wir über ein Gas sprechen, und wenn man sich das in Kilogramm vorstellt, wird klar, wie unglaublich viel das ist. Ein Jahr Kryptowährung in seiner Wallet aufzubewahren, verbraucht vier Tonnen CO2. Diese Kryptoindustrie ist also eine Dreckschleuder und das Metaverse fußt auf dieser Technologie. Es ist wichtig, dieses Problem zu lösen, denn eins muss klar sein: Wenn die physische Welt kaputtgeht, wird es auch kein Metaverse mehr geben. Man kann also nicht vor den realen Problemen in die virtuelle Welt fliehen. Wir haben schon jetzt einen viel zu hohen Energiebedarf, der mit dem Metaverse noch erheblich ansteigen wird.“
Ein weiteres Problem unserer Zeit ist die Isolation immer mehr Menschen durch die fortschreitende Digitalisierung. Würde das Metaverse diese nicht noch steigern?
„Das ist natürlich denkbar, aber die eigentliche Frage ist: Soll man die Entwicklung des Metaverse einfach laufen lassen oder bereiten wir uns nicht lieber jetzt schon mental auf die Situation beziehungsweise die neuen Anforderungen vor? Viele Menschen sind schon im Internet mit der Flut der Daten, den vielen Eindrücken und Begegnungen mit anderen Menschen überfordert. Viele von ihnen sind im Netz viel unfreundlicher als in der physischen Welt. Das wird im Metaverse nicht anders sein. Schon in den kleinen Metaversen gibt es Probleme; auch im Testlauf von Meta selbst, der Horizon World heißt, gab es Situationen, in denen User sexuell belästigt wurden. Das ist hier natürlich noch viel traumatisierender, als wenn dies ,nur‘ über Text, also zum Beispiel in Kommentaren oder Nachrichten, passiert.“
„Auch im Metaverse gibt es Möglichkeiten, massiv in die Intimsphäre eines anderen einzudringen. Die einzige Alternative für die Opfer ist derzeit, das Metaverse zu verlassen. Aber das könnte ein großes Problem werden, wenn irgendwann viele alltägliche Dinge dort stattfinden wie die Arbeit, die Geldgeschäfte und so weiter. Wer nicht mehr Teil des Metaverse ist, bleibt dann außen vor.“
Inwiefern ist das traumatisierender? Was genau passiert bei so einem Angriff?
„In einer VR-Welt ist die Erfahrung so eines Angriffs erheblich körperlicher und damit realistischer. Und selbst wenn der physische Körper im Metaverse geschützt ist, ist die Psyche solchen Angriffen ausgeliefert. Es wird viel Arbeit sein, die Menschen im Metaverse psychisch gesund zu halten. Dazu sollten sich Psychologen und Therapeuten mit dem Metaverse auseinandersetzen. Die Simulationen und die künstlichen Welten sollen Gefühle bei den Nutzern hervorrufen, um etwa den langweiligen Alltag hinter sich zu lassen. Das Metaverse wird als Traum verkauft, der aber leider auch zu einem Alptraum werden kann. Wenn jeder von uns das Metaverse mitgestalten kann und dort seinen Fußabdruck hinterlässt, dann können das auch toxische Menschen tun. Es könnten sich virtuelle Serienkiller herumtreiben, die Terror verbreiten, und es wird – wie auch in der physischen Welt – Menschen geben, die Spaß daran haben, destruktiv zu sein, und sich auf diese Weise einen Namen machen wollen. Theoretisch können Menschen ganz ungefiltert ihren Content mit einbringen. Und der kann natürlich positiv, aber auch negativ sein. Welche Welten werden dabei entstehen? Das Ganze ist gewissermaßen auch ein soziales Experiment.“
Stellen wir uns vor, ein pathologisch Kranker wird im Metaverse zum Massenmörder: Was würde das für die Nutzer bedeuten, die sich im Metaverse eine Identität aufgebaut und sehr viel reales Geld in Grundstücke oder Kryptowährung investiert haben? Und dann kommt so ein Killer und tötet den Avatar …
„Ich weiß nicht, ob es möglich sein wird, im Metaverse zu töten. Das ist eine Frage, die technisch geklärt werden muss, indem zum Beispiel Sicherheitsmaßnahmen programmiert werden – wie bei den sexuellen Übergriffen in Horizon World, wo ein Sicherheitsbefehl ausgelöst werden kann, durch den alle Avatare in der direkten Umgebung ihre Arme verlieren, damit sie niemanden mehr anfassen können. Ich weiß aber nicht, ob das die Lösung ist. Solche Menschen sind sehr kreativ, wenn sie jemanden bedrohen oder in den Wahnsinn treiben wollen. Das kennt man ja unter anderem von Stalkern in der physischen Welt.
Auch im Metaverse gibt es Möglichkeiten, massiv in die Intimsphäre eines anderen einzudringen. Die einzige Alternative für die Opfer ist derzeit, das Metaverse zu verlassen. Aber das könnte ein großes Problem werden, wenn irgendwann viele alltägliche Dinge dort stattfinden wie die Arbeit, die Geldgeschäfte und so weiter. Wer nicht mehr Teil des Metaverse ist, bleibt dann außen vor. Daher muss man schon jetzt, wenn das Metaverse noch in den Kinderschuhen steckt, überlegen, wie man diese Probleme abmildern kann. Da ist nicht nur die Polizei, sondern vor allem die Politik gefragt. Es sollte eine globale Vereinigung zusammenfinden, die im Interesse aller Menschen Regeln für das Metaverse aufstellt.“
Ein schöner und wichtiger Gedanke, dass sich jemand um Ethik und Moral im Metaverse kümmert – im Internet wurde das leider verpasst. Eine gute Idee, dies zum politischen Thema zu machen, anstatt es Mark Zuckerberg zu überlassen, dem man vor allem wirtschaftliche Interessen unterstellt, die man schwer mit Ethik und Moral zusammenbringen kann.
„Richtig – Politik und Wirtschaft muss man definitiv trennen. Wir haben es schon in unserer physischen Welt nicht geschafft, ein wirklich zufriedenstellendes System zu finden, vor allem, weil hinter jeder Idee wiederum Menschen stehen, die leider oft zuerst ihre eigenen Interessen vertreten. Dazu ist so ein System auch abhängig von äußeren Einflüssen wie Kriegen, dem Klimawandel, einer Pandemie …“
Aber trotzdem ist es unabdingbar, dass man versucht, Regeln für das Metaverse aufzusetzen, von denen möglichst viele Menschen profitieren. Wer könnte das sein?
„Ich sehe das als Aufgabe für die EU oder die UN, damit im Fundament dieser neuen Welt auch die entsprechenden Werte einzementiert werden. Dazu muss man meiner Meinung nach auch Geld in die Hand nehmen, um ein eigenes Metaverse zu bauen. Man wird Mark Zuckerberg sein Unternehmen Meta nicht abkaufen können und wie jeder Unternehmer wird er die Kontrolle behalten wollen.
Für dieses alternative Metaverse, das zum Beispiel von der UN gebaut wird, sollte man aktiv mit Menschen zusammenarbeiten, die schon jetzt sehr viel Einfluss im Internet haben, wie etwa Influencern, und sie überzeugen, ihren Content lieber in das UN-Metaverse einzustellen, damit das Publikum sich eher hier bewegt als in der Welt von Meta.
Das ist natürlich eine große Investition, die sich aber auszahlen wird, weil man in diesem alternativen Metaverse viel mehr Sicherheit gewährleisten kann. Schon jetzt stehen die Menschen Zuckerbergs Metaverse sehr skeptisch gegenüber. Das sehe ich als Chance, dass diese virtuelle Welt beispielsweise einer UN auch wirtschaftlich vorankommen könnte. Und trotzdem bleiben die Rechte eines jeden Einzelnen geschützt. Alle Nutzer müssten einen Metaverse-Führerschein machen und würden eine Art Nummernschild bekommen, mit dem man sie eindeutig identifizieren und zurückverfolgen könnte.“
Hinzu kommt ja auch noch der Datenschutz.
„Genau, das ist auch sehr wichtig. Jeder User kann nur eine Identität haben, die aber absolut geschützt ist, auch was die persönlichen Daten angeht. Das wünsche ich mir übrigens auch fürs Internet, um User zu schützen. Ich habe ein bisschen Angst, dass die Politik dieses Thema verschläft, obwohl jetzt der Moment ist, sich politische Konzepte zu überlegen, bevor Zuckerberg das macht. Schlimmstenfalls gehört nämlich sonst das Metaverse nur einer Person und die sitzt irgendwo im Silicon Valley und ist komplett abgeschirmt und entwickelt rechtliche und steuerliche Schlupflöcher für sich.“
Was meinst du damit?
„Menschen wie Zuckerberg und Bezos prophezeien ja schon länger, dass es irgendwann ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen geben wird, da durch die Digitalisierung immer mehr Jobs wegfallen. Das sehe ich zwar genauso, die Frage ist aber, woher dieses Geld kommen soll, wenn die großen Digitalunternehmen keine Steuern bezahlen!“
Das ist keine schöne Vorstellung, die du da beschreibst. Da gibt es aber noch mehr dystopische Ideen. Was ist vorstellbar? Haben wir irgendwann alle einen Chip im Gehirn oder werden wir zu Cyborgs?
„Es gibt da ganz unterschiedliche Ansätze. Momentan ist VR definitiv mit gesundheitlichen Problemen verbunden. Auch das Handy schränkt das Sehvermögen der Menschen sehr stark ein und kann Kurzsichtigkeit verursachen. Man darf VR-Brillen eigentlich nur 20 Minuten am Stück tragen und soll dann 15 Minuten Pause machen. Unter diesen Umständen ist es nicht machbar, seinen Alltag im Metaverse zu bestreiten. Daher gibt es Überlegungen, eine Connection mit dem Metaverse direkt ins Hirn einzubauen, sodass Bilder und Eindrücke gleich dort entstehen können. Eine weitere Idee ist es, mit holografischen Projektionen zu arbeiten. So würde das Metaverse stärker mit der physischen Welt verschmelzen.
Zukunftsforscher gehen sogar davon aus, dass es die Möglichkeit geben wird, den menschlichen Geist beziehungsweise sein Bewusstsein auf einen Computer zu transferieren. Und dann werden wir ewig im Metaverse leben können, entkoppelt von unseren Körpern.“
Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen und bis dahin ist es sicherlich noch ein langer Weg. Zuvor wird es voraussichtlich erst mal ein Metaverse geben. Oder ist das Ganze doch eine ziemlich unrealistische Vision von ambitionierten Programmierern und Mark Zuckerberg?
„Ich habe ja schon gesagt, dass ich ein Fragezeichen habe, was die technische Umsetzung des Metaverse angeht. Aber ich halte es für sehr realistisch, dass es existieren wird. Trotzdem sollten wir die wichtigen Themen unserer Zeit wie den Klimawandel nicht aus den Augen verlieren. Das Metaverse wird es zwar definitiv irgendwann geben, aber das ist nur möglich, wenn unsere physische Welt weiterexistiert.“
KURZBIO
Mateja Riveros Silva blickt auf eine 15-jährige Tätigkeit in den Medien als Künstlerin und Concept Developer zurück. In dieser Zeit hat sie einige Buchprojekte bei großen Verlagen umgesetzt und als Concept Artist und Character-Designerin an Animationsfilmen für Kino, Streamingdienste und Musikvideos mitgewirkt.
Seit diesem Jahr leitet sie ein Game Studio namens minty mode in Köln, bei dem sie und ihr Team aktuell an einem 3-D-Mystery/-Adventure unter dem Titel „Hollow Glow“ arbeiten. Parallel spezialisiert sich minty mode auf das Erstellen von 3-D-Charakteren für Online-Plattformen wie „VRChat“, „Twitch“ oder auch dem „Metaverse“. Mateja Riveros Silva hält zudem Vorträge und Workshops zum Beruf des Gamedesigners und zur Medienwelt.