Quality First

KOMMENTAR

Autor: Winfried Rollmann

Menswear hat mit der Pitti Uomo im Januar wieder Fahrt aufgenommen. Messeleitung und Aussteller haben dem Neuanfang mit der intelligenten Unterstützung von Stadt, Staat und ihrem Unternehmergeist den Weg geebnet. Zuversicht und Mut können bekanntlich Berge versetzen. Raffaello Napoleones (Pittis CEO) Dank nach dem erfolgreichen Event an alle Beteiligten kam sicher von Herzen. Unsere Branche hat immer von den Mutigen gelebt, die bereit sind, Risiken einzugehen und alles zu wagen. Nördlich der Alpen haben die Vollkasko-Mentalität und die beschwichtigenden Bedenkenträger schon viele hoffnungsvolle Initiativen im Keim erstickt. Deswegen waren die aktiven Aussteller positiv überrascht von Ansprache und Kontakten. Energie und Passion gehören eben zu unserem Geschäft. Eine Passion, die eben auch deutlich weiter geht als das bloße Dabeisein.

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Es ist die Begeisterung für eine gewachsene Textilkultur, ein Handwerk und eine Ästhetik, die nur mit dem Besonderen zufrieden ist. Was ich nach all diesen Jahren auf der Pitti gelernt habe, ist die Leidenschaft, mit der jedes Unternehmen bis zur kleinsten Manufaktur seine Leistung und sein Können präsentiert. Es bereichert, Menschen zu begegnen, die ihre Geschichten mit Stolz und Herzblut zu Markte tragen. Dahinter steckt eben mehr als nur Marge und Shareholder Value.

Das Gleiche konnte man in Mailand bei der Stoffmesse MilanoUnica spüren. Weber und Drucker begreifen die Zäsur der Corona-Jahre als Challenge. Was früher mehr oder weniger inspirierende Tuchkollektionen waren, zeigt heute über Jersey, Performance-Wolle und Tech-Hybride, wie eine neue sartoriale Zukunft aussehen kann. Es gibt kein Zurück ins kuschelige, gestrige „Normal“, wer die Zukunft gestalten will, muss bereit sein, neue Wege zu gehen.

In Mailand gab es viele schmerzhafte Diskussionen über Preise. Rohstoffpreise und Energie-kosten steigen exorbitant und machen so manchen Einkäufer sprachlos. Dies wird zu signifikanten Preiserhöhungen führen. Gespräche von 15 bis 30 Prozent Mehrkosten gehörten zum Begrüßungsritual bei den Anbietern. Hinzu kommt: Viele Bemühungen, nachhaltige Rohstoffe in benötigten hohen Qualitätsstandards zu bekommen, sind mangels Menge aussichtslos. Recyceltes Garnmaterial führt häufig zu sichtbaren ästhetischen und zu Haltbarkeitseinbußen. Natürlich ist trotz allem jede Nachhaltigkeitsbemühung sinnvoll!

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Aber was heißt das?

Wir müssen uns vom Dogma reiner Rentabilitätsbetrachtung und lieb gewonnener Eckpreislagen verabschieden. Es geht darum, sinnstiftend Qualität zu produzieren, die einerseits attraktiv ist und andererseits deutlich länger hält. Männer werden dankbar sein für ein echtes Wertversprechen, das sie einlösen können. Früher gabs so etwas wie eine in Würde gealterte Leder- oder Barbour-Jacke. Schuhe, die Mann wieder besohlen lassen konnte. Am Ursprung stand stets ein Teil mit qualitativer Substanz, die dem Kunden Geld wert war. Ein italienischer Baumwollweber stellte in Mailand gezwirnte Baumwolltwills vor, auf die er eine Zehnjahresgarantie gibt! Die dürften dann in etwa so haltbar sein wie die Ur-Army-Chino. Beim Versender walbusch beträgt die Garantie immerhin schon fünf Jahre.

In verschiedensten Gesprächen mit italienischen Brands und Stoffherstellern wurde klar: Qualität ist die echte Nachhaltigkeit. Quality Styles werden zu den Key Pieces unserer Garderobe, die uns länger begleiten, wie gute Freunde. Dies könnte der sinnvollste Nachhaltigkeitsansatz sein – Buy less, but better!