Autor: Markus Oess
Die PREMIUM GROUP ist eine feste Größe in der Hauptstadt. Zum Saisonauftakt sind für die Menswear Besuche der PREMIUM, SEEK, BRIGHT und FASHIONTECH gesetzt. Anita Tillmann, CEO der PREMIUM GROUP, fordert mehr und bessere Kommunikation insbesondere zwischen Industrie und Handel. Sie begreift die sozialen Medien als Tor zu einer großen Community. Für die Messe-Chefin eröffnen sie eine Riesenchance, wie sie im Interview mit FT betont.
FT, Frau Tillmann, wann haben Sie zuletzt etwas im Internet gekauft?
Anita Tillmann: „Heute Morgen für den nächsten Kindergeburtstag am Sonntag.“
Hat sich Ihr digitales Einkaufsverhalten durch die Learnings auf der FASHIONTECH verändert?
Nein, ich habe ja Anfang 2000 in der IT-Welt für Pixelpark gearbeitet und Kunden wie adidas oder MEXX bei ihren ersten digitalen Gehversuchen begleitet. Mit diesem Background war mir schon recht früh klar, dass wir bald über das Internet einkaufen, kommunizieren oder Filme anschauen werden.“
Was wird in diesem Sommer auf der FASHIONTECH angesprochen?
„Im Grunde schreiben wir die Themen der zurückliegenden Veranstaltung fort. Es geht um Wearable Design & Smart Textiles. Wir werden aber genauso über die neuesten Entwicklungen im Handel sprechen. Außerdem wird es um digitales Marketing und Lösungsansätze gehen, wie sich On- und Offline ergänzen können, um den Endkunden zu erreichen, um ihn geht es ja letzten Endes. Aber vor allem geht es auch um Entrepreneurship, denn noch nie war es so leicht wie heute, sich selbstständig zu machen, um eine neue Business-Idee umzusetzen. Wir werden die Themen über Keynotes stärker fokussieren und Masterclasses zu konkreten Themenfeldern veranstalten. Konkret reden wir über Instagram und Facebook, über Nutzen und Aussagekraft von Kennzahlen und was sich daraus für Handel beziehungsweise Industrie ableiten lässt. Außerdem wollen wir die Start-up-Szene auf der PREMIUM auf Wunsch potenzieller Investoren aus Gründen der Effizienz stärker zusammenfassen.“
Wenn sich große Konzerne mit Technologie im Handel beschäftigen, ist oft die Rede von Tests und oft genug werden die Ideen aus den Concept Stores auch wieder eingemottet. Was wird sich in naher Zukunft aus Ihrer Sicht durchsetzen? Inzwischen wird ja über das Handy mehr eingekauft als über den Rechner.
„Ich kann nun nicht in eine Glaskugel schauen. Gut möglich, dass wir das Handy bald nicht mehr in der Hand halten und die Sprachsteuerung das Kommando übernimmt. Technologie nutzen wir, ohne groß darüber nachzudenken. Wir wollen es uns so einfach wie möglich machen, ganz egal ob off- oder online. Solange das Ergebnis stimmt, also der Kunde zufrieden ist, ist es egal, ob eine Maschine das übernimmt oder ein Mensch, wobei aber der Wunsch nach physischem Kontakt nach wie vor groß ist. Impulskäufe allerdings passieren eher über das mobile Device. Die sozialen Medien haben ein Tor aufgestoßen und sie stellen eine Chance für Kommunikation und Business dar. Noch nie war es so einfach, sich über Mode zu definieren und auch mitzuteilen. Und darin liegt auch eine große Chance, denn jeder ist ein Teil dieser Community. Man muss sich nur darüber im Klaren sein, wen man erreichen möchte, und sich auf diese Zielgruppe fokussieren. Ganz wichtig ist mir: Es gibt dabei nicht die eine Antwort, sondern viele individuelle! Das gilt für Fashion Stores wie für Bäckereien: Kenne deine Kunden und deine Konkurrenten.“
Was heißt das für kleinere, mittelständische Händler?
„Mittelständische Händler müssen gar nicht ganz vorne dabei sein, wenn es um die Erprobung oder Einführung neuer Technologien geht. Deren Kompetenz und Wettbewerbsvorteil liegt in der direkten Kundenansprache. Sie kennen ihre Kunden, deren Bedürfnisse und ihr eigenes Wettbewerbsumfeld. Die Herausforderung besteht doch darin, die Kunden abzuholen. Darüber hinaus können die Händler ihr enges Korsett vergangener Zeiten abstreifen. War es früher verpönt, die Grenzen definierter Preisklassen oder modisches Genres zu durchbrechen, ist das heute überhaupt kein Problem mehr. Das eröffnet neue Möglichkeiten, sich über das Sortiment im Markt vor Ort zu positionieren und darüber hinaus neue Kunden zu gewinnen. Gerade in Berlin entwickelt sich in dem Zusammenhang eine vitale Szene mit neuen innovativen Retailkonzepten und darüber bin ich sehr froh.“
Im Juni wird Saks in Düsseldorf eröffnen. Fahren Sie hin?
„Warum sollte ich? Das Geschäftsmodell von Saks ist hinlänglich bekannt. Ich denke, die Händler in Düsseldorf müssen sich über Saks auch keine Sorgen machen. Deren Konkurrenz sind die Outletcenter auf der grünen Wiese. Wer off-price kaufen will, wird dann vielleicht nicht mehr nach draußen fahren, sondern in die Stadt. Aber Saks nimmt dem klassischen Fashion-Handel keine Kunden weg.“
Mit Dynamic Pricing haben Internet-Player ein Instrument an der Hand, mit individualisierten Preisen den Kunden möglichst viel Geld abzunehmen beziehungsweise so viel, wie sie bereit sind zu bezahlen. Rechtlich ist das zulässig. Was halten Sie davon?
„Für sich betrachtet ist das völlig in Ordnung. Wir bekommen dann ein Problem, wenn auf diesem Weg Marken verkauft werden, die sich dort nicht sehen. Also Posten ohne Zustimmung der Brands aufgekauft und vermarktet werden. Wir haben vor wenigen Jahren diese Mechanismen noch gar nicht gekannt und es gibt Nachholbedarf. Alle Player, auch der Handel, sollten die vertrieblichen Präferenzen der Marken respektieren.“
Es klingt doch fair, den Preis zu bezahlen, den man einem Produkt zumisst.
„Absolut. Wie gesagt, wir kannten bis vor Kurzem diese Mechanismen nicht und wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen. Aber wir sollten darüber sprechen und bei Bedarf auch vertragliche Anpassungen vornehmen.“
Was, wenn Posten im Internet aufgekauft werden und über dieses Tool im Internet vermarktet werden? Für die Marken muss es doch ein Graus sein, überhaupt keinen Einfluss auf die Preisbildung mehr zu haben und mit unterschiedlichen Preisen zurechtzukommen.
„Ich gebe Ihnen recht, die Preispositionierung ist Sache des Herstellers.“
Wie lässt sich das Problem zumindest abfedern? Ein Weg wäre doch sicher, weniger Ware in den Markt zu drücken. Keine Ware, keine Sonderposten …
„Möglich, aber in der Realisierung eher unwahrscheinlich. Hersteller und Händler sollten aufeinander zugehen und sich genau überlegen, ob und auf welcher Basis sie zusammenarbeiten wollen. Wir sollten aufhören, uns gegenseitig anzugreifen. Player wie Amazon oder Zalando kämpfen mit harten Bandagen und gerade der stationäre Handel bekommt das schmerzhaft zu spüren. Die Branche wurde mit einem Geschäftsmodell konfrontiert, das in seiner Schnelligkeit und Konsequenz alle überrascht hat. Noch mal: Wir sollten miteinander mehr reden. Als Unternehmer können Sie selbst entscheiden. Als Geschäftsführer eines Unternehmens, dessen Investoren gewisse Mengenziele erwarten, ist das anders.“
Im Internet, das ist lange durch, werden sowieso nicht immer die günstigsten Preise verlangt. Aber wenn Anbieter wie Amazon oder Zalando einen Status erreicht haben, der sie im Grunde unangreifbar macht, lässt sich doch kaum etwas dagegen unternehmen. Hilft Verbraucheraufklärung?
„Der Verbraucher entscheidet selbst. Und das ist gut so. Wir sollten Menschen, die off-price kaufen, auch nicht in eine bestimmte Ecke stellen. Das steht uns nicht zu. Abseits davon sollte es mir als Marken-Anbieter lieber sein, auf der Straße wirklich stattzufinden, als durch andere, preiswertere Labels ersetzt zu werden. Es gibt kein Schwarz-Weiß, sondern viele Grautöne. Früher war ein Deichmann als Billigmarke verpönt. Heute wird das Unternehmen geehrt. Heute haben wir es mit ganz anderen Firmen zu tun, die die Branche vor sich hertreiben.“
In diesem Jahr steht Streetwear im Fokus von PREMIUM, SEEK und BRIGHT. Mit welchem Konzept wird das Thema auf den Messen bespielt?
„Street- und Sportswear ist inzwischen zu einer globalen Sprache geworden, die jeder auf der ganzen Welt versteht. Durch die Bilderwelt der sozialen Medien hat diese sich rasant verbreitet. Wir brechen diese Sprache auf unsere Formate PREMIUM, SEEK und BRIGHT herunter, interpretieren sie in dem ‚Dialekt’ des jeweiligen Segmentes und setzen die Looks in den passenden Kontext. Mode ist Kommunikation. Das ist bei mir nicht anders. Ich spreche jetzt gleich noch auf einer Facebook-Konferenz und habe mir sehr genau überlegt, was ich mit meiner Kleidung heute mitteilen möchte. Ein neues wichtiges Thema für den Handel ist Beauty, was wir auf der PREMIUM und im KRAFTWERK show&order präsentieren.“
Welche Highlightmarken stehen diesmal auf der Liste?
„Besucher der PREMIUM sollten ARMEDANGELS, CECILIE COPENHAGEN, HARRIS WHARF LONDON, DRYKORN, PARAJUMPERS, ROBERTO COLLINA auf dem Zettel haben. Für die BRIGHT sind JECKYBENG, PRIMITIVE, STAY HUNGRY, HEIMPLANET, RVCA, THE HUNDREDS, HUF und VANS wichtig. Auf der SEEK schließlich sollten Einkäufer zumindest einen Blick auf KINGS OF INDIGO, THE NORTH FACE, ELLEN PEDERSEN, H2O, UNIVERSAL WORKS, ECOALF; SANDQVIST und ALPHA INDUSTRIES werfen.