Autor: Markus Oess
Justo J. Gallardo hat seit seinem Amtsantritt als Geschäftsführer bei BENVENUTO, Hamm, im März vergangenen Jahres eigentlich alles auf den Prüfstand gestellt. „Wir haben in der Vergangenheit sehr viel analysiert und inhaltlich eine Roadmap festgeschrieben, wohin wir uns in den kommenden Monaten entwickeln wollen“, sagt Gallardo. Das Hammer Label soll seinen Trumpf Innovation noch geschickter ausspielen und die Männer emotional fesseln. Schaffen will er das mit Lieblingsstücken. Was dahintersteckt und ob die Arbeitsteilung in der Geschäftsführung klappt, erläutert der BENVENUTO-Chef im Exklusivgespräch mit FT.
Auf die Frage, wann er das letzte Mal im Laden etwas zum Anziehen gekauft hat, muss Justo J. Gallardo etwas schmunzeln: „Außer Unterwäsche haben wir bei BENVENUTO alles selbst, deswegen gehe ich nicht in die Läden, um Kleidung zu kaufen. Und Unterwäsche lasse ich mir schicken.“ Doch bei dem Thema Rabatte werden die Gesichtszüge des Managers wieder schnell ernst. Kein Wunder, denn Sale wird zusehends zum Normalzustand in deutschen Textilgeschäften. Das macht die Marke nicht eben begehrlich. Gallardo setzt auf Lieblingsstücke, die den Mann auch emotional fesseln sollen. Produkt und Konsument werden zu Zwillingen. Das erfordert auch mehr Mut.
FT: Profitieren Sie vom Personalrabatt wenigstens stärker als von den Rotstiftaktionen im Handel?
Justo J. Gallardo: „Markentreue zahlt sich aus. Ernsthaft, solche Verkaufsaktionen sind extrem kurzfristig gedacht. Nehmen Sie nur den Mid-Season Sale. Die Eisdiele um die Ecke macht auch keine Sonderpreise, wenn die Sonne scheint. Wie viel verkaufen wir denn zu regulären Preisen? Der Lagerdruck kann ja kaum ganzjährig bestehen. Andernfalls sollten sich Einkauf und Verkauf dringend beraten. Es werden Werte vernichtet und Verbrauchervertrauen zerstört. Wir müssen uns auch die Frage gefallen lassen, ob wir uns wirklich mit den Bedürfnissen der Endkunden auseinandersetzen, um ihnen das zu bieten, was sie sich wünschen, oder nicht doch einfach Trends mehr oder weniger fortschreiben und uns viel zu sehr um die eigene Achse drehen. Zur Not sind im Schlussverkauf alle Hemden bügelfrei und vielleicht interessiert es den Kunden gar nicht. Wir müssen die modische Mitte neu definieren, und zwar aus Sicht der Endkunden und nicht der Hersteller.“
Sie sind ein Fan von nachfrageorientierter Produktion, wie weit ist BENVENUTO diesbezüglich?
„Wir sind ein gutes Stück vorangekommen. Wir fokussieren auf das Produkt. Wir wollen noch mehr Modernität in die Kollektionen bringen und sie begehrlicher machen. Vor allem wollen wir mehr Gründe für die Begeisterung für BENVENUTO schaffen und das wird uns mit einem neuen Ansatz gelingen. Wir werden Lieblingsstücke schaffen, die den Endverbraucher wirklich ansprechen. Ich betrachte diese Lieblingsstücke als Zwillinge, die ohneeinander nicht existieren können, das Produkt auf der einen Seite und der Konsument als Fan auf der anderen Seite. Im Idealfall entsteht eine einzigartige Beziehung zwischen Produkt und Verbraucher. So wird es zu etwas Besonderem, das wir Hersteller und Händler gemeinsam überbringen. Aber wir dürfen das nicht inflationär betreiben. Wir müssen generell mehr Mut zur Verknappung haben und die Gewissheit vermitteln, dass wir immer in der Lage sein werden, Lieblingsstücke zu kreieren und so Kaufimpulse zu schaffen. Gegenüber dem Handel und dem Endverbraucher. Dann wird es uns gelingen, die Marke positiv aufzuladen. Im unmittelbaren Wettbewerb haben wir einen zentralen Vorteil. Das ist unsere Innovationsleistung und diese Karte müssen wir stärker ausspielen.“
BENVENUTO gilt als Erfinder des Baukastens. Handel und Kunden schreiben angesichts dessen der Marke eine gewisse Kompetenz zu. Das aber sei auch kein Alleinstellungsmerkmal im Wettbewerb. Gallardos Beispiel: Das Unternehmen, das das Auto erfunden hat, verkauft auch nicht die meisten Fahrzeuge. Dem Manager ist aber sehr daran gelegen, die Wahrnehmung der Marke durch den Kunden auf der Fläche zu orchestrieren. Die Marke wird über viele Faktoren definiert.
Wie weit sind Sie mit dem Komplettlook von BENVENUTO gekommen? Sind Sie mit dem bisherigen Ergebnis zufrieden?
„Wir wollen uns nicht zurücklehnen. Wir haben in der Vergangenheit sehr viel analysiert und inhaltlich eine Roadmap festgeschrieben, wohin wir uns in den kommenden Monaten entwickeln wollen. Diese Punkte arbeiten wir nun ab, ohne uns allerdings in ein Zeitkorsett zwängen zu wollen. Für den Look von BENVENUTO wird das Zusammenspiel zwischen normaler Kollektion und Lieblingsstücken entscheidend sein. Die Leistung der Marke bestimmt sich aber nicht allein durch das Produkt, sondern nach Design, Marketing, Vertrieb et cetera. Es sind viele Faktoren, die eine Marke definieren. Und diese Schrauben können wir nicht alle auf einmal neu justieren, sondern nach und nach.“
Sie wollen mehr auf der Fläche wahrgenommen werden und den Endkunden gezielt ansprechen. Im vergangenen Winter auf der Panorama hatten Sie uns in Grundzügen skizziert, wie Sie die Männer spielerisch mit Terminals am PoS ansprechen wollten. Hat es funktioniert?
„Die Technik ist ein Kommunikationswerkzeug. Auch hier muss ich die Lieblingsstücke ins Spiel bringen. Unsere Leistung in der Stammabteilung ist im Markt unbestritten. Darauf können und werden wir auch in Zukunft nicht verzichten. Aber wir müssen genauso optische Highlights auf der Fläche inszenieren und den Point of Sale zum Point of Emotion erheben. Das ist nun nicht neu, aber immer noch richtig. Wir wollen verstärkt unsere Lieblingsstücke auf Pop-up-Flächen im Handel präsentieren und Fokuspunkte auf der Fläche erzeugen, die BENVENUTO weit hervorheben. BENVENUTO ist italienischer Lebensstil, Gelassenheit und Lebensfreude im Umgang mit dem Alltag, umgesetzt mit modernen Looks. Genau diese Botschaft muss rüberkommen. Auch in der Werbung werden wir uns verändern.“
Was werden die nächsten Schritte sein?
„Wir wollen in den Kollektionen den Markenkern deutlich stärker herausarbeiten. Wir beschäftigen uns intensiv schon für den Sommer mit den Lieblingsstücken. Athleisure und Komfort werden weiter eine entscheidende Rolle spielen. Die Kollektionen werden auch sehr jung sein und es ist durchaus möglich, dass wir an den Rändern etwas abschneiden, um die Positionierung schärfer herauszustellen. Unser Jersey-Thema und das ‚The Clubsuit 360 Grad‘-Thema zeigen die grobe Richtung, in die wir gehen wollen. Wir müssen mit der Kollektion weg von den sprichwörtlich alten Mustern.“
BENVENUTO zählt laut hachmeister+partner zu den Guten in einer generell guten oder wenigstens stabilen Segmententwickung. Gallardo ist mit dem Umsatz und Profit derzeit nicht unzufrieden. Allerdings weiß er auch, dass die bekannten Wettbewerber ähnlich gut unterwegs sind. Saisonale Kaufanreize über die Lieblingsstücke und die Kernkompetenz im Anzug sollen die Konkurrenz etwas auf Abstand bringen. Mit Black erwirtschaften die Hammer zwischen 65 und 70 Prozent des Umsatzes. Interessanterweise ist Black im arrondierenden Sortiment erfolgreicher als Purple. Dafür läuft es beim Anzug für Purple besser. Gallardo führt das darauf zurück, dass offenbar der Handel BENVENUTO im Kerngeschäft mehr Mut und Kompetenz beim Design zutraut. Inzwischen hat Gallardo im Unternehmen einige Änderungen angeschoben.
Sie sind jetzt etwas mehr als ein Jahr in Hamm. Offenbar funktioniert die Arbeitsteilung in der Geschäftsführung.
„Florian Leithäuser ist in der Geschäftsführung für Finanzen und Produktion zuständig, ich kümmere mich vornehmlich um Vertrieb und Marketing und beide sind für das Ressort Produkt verantwortlich. Da ich immer noch da bin, würde ich sagen, es klappt sehr ordentlich. Ich habe aber auch gelernt, bereits im Vorfeld bestimmte Fragen klarer und verbindlicher abzusprechen.“
Was hat sich denn bei BENVENUTO seit Ihrem Amtsantritt getan? Ihr Posten war ja eine Weile unbesetzt.
„Wir haben das Produktmanagement verstärkt und personell aufgerüstet. Anders hätten wir die Aufgaben, die vor uns lagen, gar nicht bewältigen können. Wir haben die Designleistung verbessert und die Prozesse verkürzt. Wir haben aber auch im Vertrieb Hand angelegt, besonders im Ausland, wo wir sogar Agenturen komplett ausgetauscht haben, weil wir mit der Identifikation mit der Marke, ihrem Kern und mit der Serviceleistung, konkret mit der Händlerbetreuung, nicht mehr zufrieden waren. Wir können nur auf der Fläche bestehen, wenn wir den Handel – und hier sehe ich besonders den einzelnen mittelständischen Händler, weniger die großen Anbieter – einbinden. Damit meine ich nicht allein Verkaufsunterstützung in Form von Promotions. Die Händler sollten möglichst viel über BENVENUTO und über die Kollektion wissen.“