Autorin: Cordelia Albert Die Gesamtaussage der Mode im Herbst/Winter 2021/2022 soll aufgeräumter werden. Es geht um Konzentration und Fokussierung. Aber muss das angesichts der Corona-Folgen nicht auch für die Größe der Kollektionen und ihren Rhythmus gelten? Zum Orderstart haben wir uns bei Herstellern nach den aktuellen Entwicklungen erkundigt.
Kaum frohe Botschaften zum Weihnachtsfest: Laut HDE sieht sich rund ein Drittel der Einzelhändler durch die Corona-Pandemie in Existenznöten – wobei die Umfrage noch vor der Verkündung des harten Lockdowns durchgeführt wurde. Besonders hart getroffen hat es bekanntlich den Bekleidungsbereich. Hier waren zu diesem Zeitpunkt rund 80 Prozent der befragten Händler mit dem Verlauf des Weihnachtsgeschäfts unzufrieden und dieser Wert dürfte noch gestiegen sein. Nun ist der zweite harte Lockdown Realität.
Trotz aller schlechten Entwicklungen laufen im Hintergrund natürlich die Vorbereitungen für die bald im Fokus stehende Herbst/Winter-Saison 2021/22. Das müssen sie auch, denn die Order startet – in welcher Form auch immer – demnächst. Und doch stellt sich neben der Frage nach den kommenden Trends vor allem auch die, ob und wie sich die Kollektionen verändern müssen, um den schwierigen Marktbedingungen Rechnung zu tragen. Werden die Kreationen nicht nur in ihrer modischen Aussage konzentriert und fokussiert? Wir haben uns bei verschiedenen Herstellern umgehört.
Das wollten wir wissen:
- Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die modische Entwicklung?
- Hat sich deshalb die Kollektionsgröße verändert? Wurde die Kollektion zum Beispiel gestrafft?
- Wie haben sich der Kollektionsrhythmus und die Präsentation verändert?
Mark Bezner, Geschäftsführender Gesellschafter, OLYMP Bezner KG, Bietigheim-Bissingen
„1. Das Hemd hat auch in Zeiten von Homeoffice und Videokonferenzen nichts an Bedeutung als elementarer Bestandteil zeitgemäßer Männermode eingebüßt. Allerdings steigen infolge der neuen Marktgegebenheiten insbesondere solche Modelle in der Gunst der Verbraucher, die Attribute wie Tragekomfort, Nachhaltigkeit, Haltbarkeit oder Vielseitigkeit in den Verwendungsmöglichkeiten aufweisen. Im Vordergrund unserer jüngsten Kollektionsentwicklungen steht daher die Innovation im Business-Segment, die bereits zum Herbst 2020 mit den OLYMP-24/Seven-Jersey-Hemden, die den Tragekomfort eines T-Shirts bieten und gleichzeitig stilvoll sind wie ein Hemd, eingeleitet wurde. Die Herbstkollektion 2021 beinhaltet zahlreiche weitere Neuerungen in Reaktion auf die gegenwärtigen Marktveränderungen. Neben neuen Materialien, wie etwa dem Einsatz von biologisch abbaubaren Lyocell- und Modalfasern, steigen der Anteil an nachhaltig erzeugter Baumwolle sowie der Einsatz von Bio-Baumwolle. Wir arbeiten täglich daran, unsere Produkte noch nachhaltiger zu machen. Zahlreiche Artikel in unserem Sortiment sind bereits aus zertifizierten Rohstoffen und umweltschonend gefertigt. Ständig werden es mehr. Diese Produkte erhalten ab sofort als Erkennungsmerkmal das neue OLYMP-Label GREEN CHOICE.“
„2. Die Reduktion von Komplexität ist ein weiteres zentrales Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Hierunter fällt auch die Straffung und Neustrukturierung von Kollektionsinhalten. Beispielsweise haben wir die Linien OLYMP Level Five Casual und OLYMP Level Five Smart Business zu einer neuen Produktlinie mit der Bezeichnung OLYMP Level Five Smart Casual vereint, die den Geist der Zeit perfekt trifft.“
„3. Wir haben bereits die Auslieferung der Herbstkollektion 2020 einmalig um mehrere Wochen nach hinten verschoben und die Vermarktung der Winterkollektion 2020, die ab Mitte September 2020 ausgeliefert worden wäre, komplett ausgesetzt, um den enormen Warendruck zu reduzieren. Die einstige Winterkollektion wird ab 2021 von einer Pre-Spring-Kollektion mit Auslieferung ab Mitte Oktober abgelöst, um den Verkaufszeitraum der fortan bereits ab Anfang Juli lieferfähigen Herbstkollektion zu erhöhen und bereits frühzeitig frische Ware auf die Flächen zu bringen. Dafür entfällt der frühe Liefertermin der Frühjahrskollektion, die künftig erst ab Januar ausgeliefert wird. Die Sommerkollektion, die dann High Summer Collection heißen und ab Oktober in den Vorverkauf gehen wird, wird anstelle von Mitte April bereits Anfang April zur Auslieferung kommen. Durch die hierdurch angepassten Saison- und Lieferrhythmen versprechen wir uns eine bedarfsgerechtere Warenversorgung und optimierte Absatzchancen.“
Klaus Kirschner (Geschäftsführer/CEO von STETSON)
„1. Es macht das Leben unserer Produktentwickler deutlich schwieriger – viele Verzögerungen an allen möglichen Stellen der Herstellungskette, weniger Möglichkeiten, neue Stoffe und Materialien zu sichten, und trotzdem keine Möglichkeit, das Timing zu verschieben, da wir ja alle auf eine Normalisierung hoffen.“
„2. Als Geschäftsführer hätte ich mir gewünscht, dass wir mehr straffen. Als jemand, der das Produkt liebt, bin ich beeindruckt, wie viele tolle neue Sachen wir in der neuen Kollektion haben werden. Also gestrafft ja, aber um das zu merken, muss man schon nachzählen. Die Reduzierung der SKUs wird vermutlich unter 5 Prozent liegen.“
„3. Nein, eigentlich bleibt alles beim Alten. Wir haben vor, kleine aktuelle Newsletter-Kollektionen einzuschieben, aber wie gut wir dann performen werden, muss man wohl abwarten. Wir haben zwar alles geplant, aber wenn wir in den letzten Monaten was gelernt haben, dann, dass man nie weiß, was passiert.“
Sven Brüggemann, Head of Product Management, ROY ROBSON
„1. Mit WINTER COMFORT bringen wir das Verlangen nach einer neuen Leichtigkeit, besonderem Komfort, Beruhigung und Gelassenheit zum Ausdruck. Mehr denn je geht es darum, in Looks zu denken, die außerhalb des Office, im Office und natürlich Homeoffice-kompatibel sind. Das schaffen wir nur über Produkte, die selbstverständlich und ohne Anleitung miteinander zu kombinieren sind. Dazu bewusst gesetzte Farbakzente, less is more. Comfort steht über allem. Mit dem Sakko zeige ich auch in der Videokonferenz Haltung – es muss bequem sein, was sich auf die Konstruktion des Teils sowie die Auswahl der Oberstoffe auswirkt. Hier sind wir große Schritte vorangekommen und setzen zum Beispiel auf den Lite Suit. Nie war ein Anzug von ROY ROBSON so leicht. Overshirt, Stricksakko oder Tunnelzughose bieten neue Alternativen und beleben die Formal Wear mit frischen Ideen für eine legerere Business-Auffassung.“
„2. Wir fokussieren uns und arbeiten intern und mit unseren Partnern im Handel daran, dass sich die Bilder eines ROY-ROBSON-Sortiments in den Shop-in-Shops nicht zu sehr unterscheiden, ob in Deutschland oder im europäischen Ausland. So war es möglich, die Kollektion in einigen Segmenten um bis zu 40 Prozent zu reduzieren.“
„3. Der Kollektionsrhythmus bleibt unverändert. Wir starten wie gehabt mit unserem ersten Ready-to-wear-Lieferthema im Juli in die neue Saison.“
Florian Wortmann, Division Head CG – CLUB of GENTS
„1. Wir haben uns extrem auf neue Formen der Formal Wear konzentriert. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie die neuen Suits aussehen können. Blouson-Typen oder Hemdensakko sind die Antwort. Mehr Hybridität im Kleiderschrank ist gefragt.“
„2. Wir haben unsere Kollektion die letzten vier Jahre schon um mehr als 30 Prozent gestrafft und haben jetzt eine sehr gute Größe und einen guten Fokus.“
„3. Unser Lieferrhythmus hat sich nur bei der Anlassmode verändert. Hier haben wir eine zusätzliche Saison mit Liefertermin November/Dezember eingeführt, weil wir sehr stark an die Anlass-Nische glauben.“
Christian Bieniek, Geschäftsführer/Managing Director FYNCH-HATTON
„1. Wir erleben eine verstärkte Nachfrage nach Sweats, Jerseys und Stretch-Hemden. Der Komfortgedanke im Sinne von „Stay at home“ dominiert ganz klar das Käuferverhalten.“
„2. Eine Kollektionsstraffung hatten wir bereits vor Corona vollzogen. Diesen Weg gehen wir weiter. Der Einkäufer hat keine Lust, in unserem virtuellen Showroom sich Sortimente zusammenzubauen. Er erwartet verkapselte Lösungen!“
„3. Tatsächlich haben wir unsere Winter-3-Kapsel (Liefertermin Oktober 2020) für dieses Jahr aus dem Programm genommen. Für das Jahr 2021 planen wir, unseren erprobten Kollektionsrhythmus wieder sehr nah am Bedarf zu orientieren, und werden daher die Abstände nicht verändern. „Ready to wear“ bleibt auch in Corona-Zeiten das Stichwort.“