Kommunikation im Tiefschlaf – ein Weckruf

Kommentar

Autor: Andreas Grüter

Marketing in Corona-Zeiten

Müsste ich eine Top 3 der aktuell häufigsten Reaktionen von Marketingabteilungen auf journalistische Anfragen erstellen, so würde „Ihr Ansprechpartner ist derzeit nicht erreichbar“ ganz klar an erster Stelle stehen, dicht gefolgt von „Schreiben Sie einfach kurz eine Mail, wir kommen dann (nicht) auf Sie zurück“ und einem stoisch-gleichmütigen Klingeln ganz ohne Mailbox- oder Mensch-Anschluss. Wohlgemerkt will ich weder Waschmaschinen, Anzeigen oder schattige Hehlerware verkaufen noch abwegige Fragen nach privaten Präferenzen whatever stellen. Au contraire handelt es sich lediglich um eine schnelle Information hier, die Bestätigung eines Interviewtermins dort oder schlicht um die versprochenen Fotos, die für den bereits fertigen Text noch fehlen und dringend benötigt werden. Natürlich, der Sommer ist heiß, Corona ist hart und die Urlaubswelle rollt, aber ein geschäftlicher Communication Breakdown? Dein Ernst, Branche?

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Psychologen und Gesellschaftsforscher haben eine grundlegende Veränderung in der zwischenmenschlichen Kommunikation ja bereits vor einigen Monaten, als die Pandemie noch in den Kinderschuhen steckte, vorausgesagt. Allerdings bezog ich diese Prognose allein auf den privaten Bereich. Im Geschäftlichen jedoch lautet die Losung in schwierigen Zeiten stets: Augen zu, durch und immer das Ziel im Blick behalten. Oder sollte ich besser sagen lautete? Denn derzeit, so mein Eindruck, befindet sich der Marketing- und PR-Arm der Modeindustrie – Ausnahmen sei Dank – in einer kollektiven Schockstarre. Eingeigelt in seinem Schneckenhaus, leckt er sich die Wunden und will von dem ganzen Elend da draußen am besten gar nichts wissen, geschweige denn sich dazu äußern. Gut, kann man natürlich machen, gleicht aber einer Selbstabschaffung. Und ob diese Taktik längerfristig zielführend ist, wage ich deutlich zu bezweifeln. Dabei gibt es sie doch auch in diesen komischen und kräftezehrenden Zeiten, die vielen kleineren und größeren Erfolgsgeschichten und neue Ideen und Ansätze, die erzählt werden wollen. Aber um sie erzählen zu können, müssten wir erst einmal von ihrer Existenz erfahren. Also, liebe Marketingabteilungen, stöpselt eure Telefone einfach wieder ein und geht, wie man so schön sagt, zurück auf Sendung.