Autor: Markus Oess
Ein Anbieter für Hightech-Funktionsmaterialien in Bekleidung, Schuhen, Accessoires und technischen Anwendungsbereichen – das klingt nicht sonderlich aufregend. Aber Dr. Rüdiger Fox ist seit gut neun Monaten Chef der SympaTex und er will das Unternehmen radikalisieren. Das klingt schon aufregender. SympaTex soll bis 2020 die PTFE- und PFC-freien Laminate klimaneutral herstellen und den Bekleidungskreislauf komplett schließen. Was hinter der Agenda 2020 von SympaTex steckt.
FT: Herr Dr. Fox, was für eine Jacke haben Sie heute dabei?
Dr. Rüdiger Fox: „Oh, da müsste ich noch mal schauen. Meist nehme ich die nur in die Hand und ziehe sie nicht an. Aber ich fürchte, es ist noch ein älteres Exemplar. Mischgewebe und zum Recyceln völlig ungeeignet. Aber ich gelobe Besserung.“
Mit Funktion?
„Wahrscheinlich wasser- und schmutzabweisend. Aber seit ich bei SympaTex arbeite, ist mir aufgefallen, wie wenig Beratung Sie zum Thema Nachhaltigkeit und Funktion auf der Fläche als Verbraucher erhalten. Hier sehe ich einen riesigen Nachholbedarf. Ohne Aufklärung der Verbraucher wird es nicht gehen. Wir können nicht einfach weitermachen wie bisher. Immer mehr Funktionalität dank unbedarftem Einsatz von Chemie. Wir zerstören das, was nicht uns, sondern der Zukunft gehört. Seit den ausgehenden 1970ern, als der Club of Rome uns darauf hingewiesen hat, dass wir keine grenzenlosen Ressourcen haben und wir uns auch um Verteilungsgerechtigkeit in der Welt zu kümmern haben, wird Ökologie als Antithese zu Wirtschaft und Wohlstand begriffen, was natürlich kompletter Unsinn ist.“
Sie sind jetzt mehr als neun Monate im Unternehmen. Was hat sich in dieser Zeit in Ihrer Wahrnehmung bei SympaTex getan?
„Vorab: Ich bin Geschäftsführer, nicht das Unternehmen selbst, denn das besteht in der Gesamtheit unserer Mitarbeiter. Wir stellten ganz zu Anfang die Frage: Wie viel unseres Verständnisses von Nachhaltigkeit steckt in der DNA des Unternehmens und wie viel müssen wir uns auf dem Weg zu einer möglichst radikalen Orientierung an Nachhaltigkeit erarbeiten? Wir haben uns tatsächlich in Klausur begeben und Milestones aufgelistet, die SympaTex in seiner Entwicklung bislang erreicht hat. Wir haben als Erste eine PE-Membran entwickelt, wir waren Mitbegründer des OEKO-TEX Standards in den 1990ern und wir haben zu einem sehr frühen Zeitpunkt in Kooperation mit Vaude ein Rücknahmesystem getestet, das seiner Zeit dann leider doch zu weit voraus war. Wir waren 2009 auch die Ersten, die aus recyceltem Kunststoff Textilien gefertigt haben. Ich will jetzt nicht jeden einzelnen Schritt beschreiben, aber wir tragen die ökologische Orientierung in unserer DNA. Und dann ging es nur um die Frage, wie wir diese radikalisieren und modernisieren können. Wir kamen zu dem Fazit, dass wir im Grunde ein Start-up mit 30 Jahren Erfahrung sind. Hieraus haben wir dann unsere Agenda 2020 abgeleitet.“
… anhand derer Sie bis 2020 die PTFE- und PFC-freien Laminate nicht nur klimaneutral herstellen, sondern den Bekleidungskreislauf komplett schließen wollen. War SympaTex vorher zu wenig umweltbewusst in seiner Produktion?
„Wir sind alle noch nicht so weit. Uns muss es gelingen, den Kreislauf zu schließen und so zu produzieren, dass wir keine Ressourcen verschwenden, sondern entweder nachwachsende Ressourcen verwenden oder alles wieder in den Kreislauf zurückführen, wenn ein Produkt aussortiert wird. Das kann nur funktionieren, wenn wir diese Frage schon am Anfang bei der Produktion beantworten. Als Menschheit verschwenden wir allein das 1,6-Fache von dem, was wir an nachwachsenden Ressourcen haben.“
„Wir wollen uns nicht grün färben”
Was bedeutet die Agenda für die SympaTex selbst?
„Wir haben uns mit der Agenda zu einem klaren Fahrplan verpflichtet. Uns geht es nun nicht darum, die Realität zu verblenden oder uns grün zu färben. Bestimmte Dinge können wir heute noch nicht bewerkstelligen, aber wir können uns bemühen, dahin zu kommen. Das setzt voraus, dass wir auch ehrlich zu uns selbst und den anderen sind. Die Zielvorgabe bis 2020, PTFE- und PFC-freie SympaTex-Laminate klimaneutral und upcyclingfähig herstellen zu wollen, ist nicht einfach dahergesagt, sondern mit einem klaren Fahrplan hinterlegt.“
Gab es weitere Veränderungen oder besser gesagt Optimierungen?
„Nein, wir müssen schon realistisch sein und die Dinge angehen, die wir auch schaffen können. Unser Vorhaben verlangt unsere volle Konzentration. Wir können uns den Overkill an Funktionalität nicht leisten. Dazu sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder, wir finden Alternativen zur Chemie oder wir verzichten auf extreme Performance. Eine Regenjacke sollte wasserabweisend sein, aber muss sie gleich dem Strahl eines Gartenschlauches standhalten? Entweder wir beschränken uns selbst und gestalten den Prozess oder wir werden in sehr naher Zukunft gezwungen, uns zu beschränken. Dabei werden auch einige Firmen auf der Strecke bleiben, die es nicht mehr schaffen, rechtzeitig auf diesen Zug aufzuspringen. Wir haben für uns entschieden, ganz vorne dabei zu sein.“
Wie hat der Markt reagiert?
„Ich bin ja branchenfremd. Wenn Sie sich als Neuling äußern, reagieren die Fachleute sowieso in aller Regel erst mal mit einer verständnisvollen Geste, mit einem Lächeln. Inzwischen erkenne ich erste Anzeichen, dass sich der Markt tatsächlich zu drehen beginnt. Das Interesse an unserer Agenda 2020 wächst.“
Kommen aber auch Zusagen, hier an einem Strang zu ziehen? Schließlich müssen die Kunden auch einverstanden sein.
„Dafür ist es vielleicht noch zu früh. Einige große Brands haben schon abgewunken, aber andere haben dafür großes Interesse gezeigt und wollten sogar mit konkreten Forschungsprojekten loslegen, darunter auch ein großer Name, den man in erster Linie mit High Perfomance verbindet. Zusätzlich haben wir uns entschieden, einen ersten Piloten allein zu entwickeln, der drei Fragen beantworten soll: Wie bekommen wir einen geschlossenen Ressourcenkreislauf hin? Wie können wir die Produkte individualisieren? Da gibt es in anderen Branchen sehr interessante Ansätze. Und wir müssen als Drittes die Fertigung und Bereitstellung der Ware deutlich beschleunigen. Ideal wäre, dann zu produzieren, wenn Bedarf entsteht. Alle drei Punkte für sich sind schon überaus komplex.“
Wie sehen das Ihre Mitbewerber, herrscht hier einhellige Einsicht oder schießt die Konkurrenz quer?
„Wir konzentrieren uns auf uns selbst. Im Augenblick reden wir nicht so viel mit unseren Mitbewerbern. Aber mein Kooperationsangebot auf der ISPO war durchaus ernst gemeint, auch wenn ich es mit einem gewissen Augenzwinkern versehen hatte. Wir müssen nicht alle Forschungsschritte wiederholen, sondern können vieles aufteilen.“
„Kostensteigerung wird es nicht geben“
Warum tut man sich so schwer, bei der Produktion der Membranen auf PTFE- und PFC zu verzichten? Auf der ISPO gab es eigens Protestaktionen, um auf diesen sagen wir Umstand hinzuweisen.
„Jedes Unternehmen hat sein Urprodukt und will diesen Kern nicht einfach aufgeben. Zugegeben, wir hatten Glück, auf die Polyester-Membran zu setzen. Aber wir machen beileibe auch nicht alles richtig und suchen uns Rat und Expertise von draußen. Gerade arbeiten wir zum Beispiel mit einem Partner daran, was wir bei der Beschichtung von Stoffen verändern können, um bestimmte Funktionalitäten zu erzielen, die bisher noch auf chemischem Wege erreicht werden. Man kann nicht einfach nur den Schalter umlegen, sondern wir müssen einen Schritt nach dem anderen machen und wir werden dabei auch Lehrgeld bezahlen. Aber wir müssen anfangen zu laufen.“
Wird es in diesem Zusammenhang zu Kostensteigerungen kommen und wer übernimmt die? Der Verbraucher hat sich bislang recht resistent gegen Umweltschutz gezeigt, wenn er Geld dafür ausgeben muss.
„Kostensteigerungen wird es, wenn überhaupt, nur im ersten Schritt geben, wenn es darum geht, diese Prozesse auf den Weg zu bringen und zu überwachen. Das ist aber überschaubar. Später, wenn es uns gelingt, Ressourcen zu sparen und in vollem Umfang zu recyceln, wird es sogar zu Kosteneinsparungen kommen.“
Ein Blick auf die Konsumgüterbranche zeigt, dass viele auf den Nachhaltigkeitszug aufgesprungen sind, ohne nachhaltige Auswirkungen auf die Produktion von Lebensmitteln in der Welt zu hinterlassen. Warum sollte das bei Bekleidung besser funktionieren?
„Einfach wird es nicht, aber bei Lebensmitteln ist immer unmittelbarer Bedarf und das Bedürfnis ist ein anderes als bei Textilien. Ich denke, bei Textilien fällt es dem Verbraucher leichter, die Notwendigkeit, nachhaltig zu wirtschaften, zu akzeptieren und sogar proaktiv mitzuwirken, etwa beim Recycling. Die Deutschen sind ja Sammelweltmeister. Aber wir müssen diesen Prozess offen und ehrlich begleiten. Vor allem ohne moralischen Zeigefinger. Ich glaube an die Vernunft. Was uns fehlt, ist die Massentauglichkeit nachhaltiger Bekleidung. Wir haben die Chance, das zu ändern.“
Haben Sie schon Pläne für eine neue Agenda, wenn wir das Jahr 2020 erreichen?
„Darüber mache ich mir Gedanken, wenn wir das Jahr 2020 schreiben.“