Autor: Markus Oess Anfangs nur die kleinen, jetzt ist auch die Großfläche wieder geöffnet. Der Verkauf läuft zwar mit Einschränkungen und unter Auflagen, aber es wird immerhin wieder Umsatz gemacht. Ein FT-Besuch in Koblenz zeigt: Der große Run bleibt aus. Erwartet hatte es eh keiner, aber es macht sich Enttäuschung im Handel breit.
An Rhein und Mosel gelegen, zieht Koblenz zu dieser Jahreszeit vor allem viele Schiffe mit niederländischer Flagge und Reisebusse mit gelben Kennzeichen an. Doch bevor diese wieder die Stadt mit ihren rund 112.000 Einwohnern ansteuern, sind erst mal die Einheimischen dran. Shoppen ist angesagt. Wirklich? Tatsache ist: Die wärmenden Sonnenstrahlen in Phase eins der Lockerungen sorgten gerade am Wochenende für viel Bewegung auf den Promenaden. Doch in den Läden hat sich nicht so viel getan wie erhofft. Und dennoch, das lassen die Beteiligten durchblicken, ist es mehr als ein erstes Lebenszeichen, die Händler machen wieder ihren Job und hoffen, so durch die mageren Zeiten zu kommen – in eine bessere Zukunft. FT hat sich aufgemacht, um eine Momentaufnahme einzufangen, wir haben Mittwoch, 13. Mai, 11 Uhr.
Ausgerechnet 40 Jahre
Ausgerechnet im Jahr von Covid-19 feiert Herbert Irnig sein 40-jähriges Jubiläum. Sein Il Conte ist hier ein fester Begriff für gehobene Menswear. In Frankfurt würde sein Geschäft sich einordnen unter anderen, hier in Koblenz steht er an der oberen Preisrange des Angebotes. „Wir haben seit 20. April geöffnet“, berichtet der Händler. „Die Frequenz ist immer noch sehr schwach“, sagt er. „Der Freitag war mau, der Samstag dann wieder besser. Das Wochenende davor war dagegen sehr gut. Insgesamt aber laufen wir weit unter Vorjahr – 40 bis 50 Prozent.“ Daher verzichtet er im Moment auf Gehalt, seine vier Mitarbeiter hat er allerdings nicht in Kurzarbeit geschickt. Aushilfen beschäftigt der Mann aus Prinzip nicht. Immerhin macht jetzt die Gastronomie auf. Irnig setzt darauf, dass das gesicherte leibliche Wohl zusätzliche Kunden in die Innenstadt lockt. Einkauf und Essen gehören irgendwie zusammen. Gekauft werden nicht nur Basics, auch modische Ware geht über den Tresen. Irnig hat viele Stammkunden. „Was uns aber in diesem Jahr definitiv fehlen wird, ist die Anlassmode. Egal ob Abiball, Hochzeit oder andere Feste, diese Umsätze sind weg.“ Hilfe vonseiten der Lieferanten hat Irnig kaum in Anspruch genommen, er hatte seine Ware schon bezahlt. Allerdings will er auch nichts Negatives über deren Bereitschaft entgegenzukommen sagen. Rote Rabattschilder sieht man in seinem Laden wenig. „Ich habe nur gezielt ein paar Anzüge und Jacken heruntergezeichnet“, sagt Irnig. Jetzt komme es darauf an, noch halbwegs gut aus dem Sommer zu kommen und vor allem die Herbstsaison auch wirklich im Herbst beginnen zu lassen.
Ortswechsel. Das C&A-Haus verfügt über eine Brutto-Verkaufsfläche von mehr als 5.500 Quadratmetern. Hausleiter Sebastian Schlüter hat vergangene Woche mit dem Verkauf begonnen. 800 Quadratmeter abzutrennen, um früher zu starten, war zu aufwendig, befindet er. Kleinere Häuser im Konzern hatten da keine Umstellungsprobleme. „Zu 99,5 Prozent halten sich die Kunden an die Regeln“, berichtet Schlüter. Wie überall bei allen in der Stadt wurden die Abstands- und Hygienevorgaben am Eingang gut sichtbar angebracht. Seine Mitarbeiter hat Schlüter in zwei Teams aufgeteilt, um zumindest ein Notteam im Falle einer Infektion aufstellen zu können und nicht die ganze Mannschaft in Quarantäne zu schicken. Kontaktflächen werden regelmäßig desinfiziert. Die Einkaufshilfen wurden verbannt, da deren sichere Reinigung nicht möglich ist. „Die Belegschaft ist froh, endlich wieder arbeiten zu können, auch wenn wir noch in Kurzarbeit sind“, sagt Schlüter und lobt die Zusammenarbeit von Geschäftsleitung und Betriebsrat: „Alle ziehen an einem Strang.“ Der typische Bummelkunde ist nicht da, gekauft wird überwiegend nach Bedarf. Um insbesondere die Übergangsware, hausintern Transmissionsware, aus dem Laden abfließen zu lassen, gibt es saftige Abschläge von bis zu 70 Prozent. Auch Sommerware hat das Haus reduziert, um zusätzliche Anreize zu bieten. Und die Umsätze? „Noch sind wir weit unter Vorjahr. Ich würde sagen, gedämpfter Optimismus. Wir fahren auf Sicht. Wenn wirklich alles optimal läuft, könnten wir uns Herbst/Winter wieder halbwegs erholen.“
„Enttäuschende Frequenz“
Die YEANS HALLE befindet sich im FORUM, einem Einkaufszentrum im Herzen der Stadt, welches im September 2012 eröffnet wurde. Es wird, wie das wenige Gehminuten entfernte LÖHR CENTER, von der OTTO-Tochter ECE, Hamburg, verwaltet. Filialleiterin Meike Konhäuser verräumt gerade Ware, die Kunden herausgezogen und anprobiert hatten. Sie sagt, dass im FORUM die Frequenz noch niedrig sei. Die Kunden hätten sicher auch Angst vor Ansteckung. Und in wirtschaftlich unsicheren Zeiten werde an Kleidung gespart. „Ich bin schon enttäuscht von den Ergebnissen“, sagt sie. Das Center falle bei gutem Wetter generell etwas ab. Das Angebot ziele generell eher auf jüngere Konsumenten, habe sie den Eindruck, wogegen das allgemein besser besuchte LÖHR CENTER ein breiteres Angebot habe und damit auch mehr Kunden anspreche. Dazu komme, dass die Geschäfte im FORUM die Kernöffnungszeiten derzeit unterschiedlich interpretierten. Auch die YEANS HALLE hätte anfangs von 10 bis 20 Uhr geöffnet, sei jetzt aber auf 11 bis 19 Uhr zurückgegangen. Zwar biete YEANS HALLE viel NOS-Ware an, aber modische Sachen würden aktuell ebenfalls gekauft. Rotpreise gebe es, sie bestimmten aber nicht das Ladenbild. „Frühjahr/Sommer-Ware haben wir erkennbar ausgedünnt und auch das kommende Herbst/Winter-Angebot fällt schmaler aus“, sagt sie und fügt an: „Wenn Kunden kommen und kaufen, wird vergleichsweise viel gekauft.“ Generell fielen die Bons bei Männern höher als bei Frauen aus. „Frauen testen mehr und sind auch preissensibler als Männer“, erklärt Konhäuser. Bis die Spuren der Krise aus den Büchern getilgt würden, dürfte es noch dauern, schätzt Konhäuser, drei Saisons wenigstens.
Schlange bei TK Maxx
Auf den Straßen selbst ist es für einen Mittwoch am frühen Mittag in Corona-Zeiten recht belebt. Aber es verlieren sich wenige Menschen in den Läden. Und selbst in Frequenzbuden wie H&M oder ZARA fällt das Grundrauschen ruhig aus verglichen mit der Zeit vor Covid-19. Einzige Ausnahme an diesem Tag: TK Maxx. Vor dem Laden bildet sich tatsächlich eine Schlange, unter Einhaltung der Abstandsregel versteht sich. Nur rund 140 Menschen dürfen auf einmal rein. Dennoch, nicht alle Konsumenten sind prozentsüchtig. Gabriele hat sich an diesem Tag bei C&A Socken gekauft und eine Weste. Sie brauchte welche. Achtet sie auf Schnäppchen? Sie gehöre zur Mittelklasse und sei nicht unbedingt darauf angewiesen, antwortet die Mittvierzigerin. Wenn es billiger gehe, kaufe sie natürlich auch günstiger. Ganz Ähnliches erzählen Christiane und Alfredo, beide um die 50 Jahre. Er brauchte eine Hose und eine Jacke. „Ich habe zum regulären Preis gekauft, es gab nichts anderes“, berichtet Alfredo. Es sei übrigens der erste Kleidungskauf nach der Lockerung gewesen. Mostafa, um die 40, hat für seine beiden Kinder und seine Frau bei ZARA eingekauft. Bedarf, keine Extras. Nils, Mitte 20, bezeichnet sich als erklärter Schnäppchenjäger, der auch bevorzugt im Internet einkauft. Diesmal hat er den stationären Handel aufgesucht, um ihn in Zeiten von Corona zu unterstützen. Angelo, Anfang 20, achtet sehr auf seine Kleidung. Er kauft ebenfalls bei den Vertikalen wie ZARA oder H&M, geht aber genauso zu P&C, wenn es Markenkleidung sein soll. „Für mich ist Mode sehr wichtig. Wenn mir etwas gefällt, kaufe ich das, wenn ich das Geld dafür habe, dann ist es mir egal, ob das Teil heruntergezeichnet ist oder nicht“, sagt er. Und dann treffen wir tatsächlich die ersten „Bummelkunden“, Danabella und Michael. „Wir wohnen 30 Kilometer von Koblenz entfernt und kommen sonst am Wochenende hierher. Aber wir haben heute Urlaub und wollen uns einen schönen Tag in der Stadt machen. Wir freuen uns, dass das jetzt wieder möglich ist“, sagt Michael und schaut zu Danabella. Damit ist klar, für wen der nächste Einkauf sein wird.