„Die Befreiung vom Business-Sakko“

Interview

Das HOLY-Label windsor. komme von der Kollektion, sagt Markenchef Jan Mangold. Was er mit dem windsor.-Gen meint und warum er rein modisch betrachtet nicht gendern will.

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Jan Mangold ©windsor

FT: Herr Mangold, am Jahresanfang darf diese Frage nicht fehlen: Wie sind Sie aus dem vergangenen Jahr herausgekommen?
Jan Mangold:„Das zurückliegende Jahr war ein Jahr des Umbruchs beim Kunden. Aus unserer Sicht wurden im Handel die Sortimente und Inhalte neu aufgestellt, alte Zöpfe abgeschnitten. Davon konnten wir profitieren, da die Stammsortimente zugunsten von Looks und Markenwelten auf das Notwendige zurückgefahren wurden. Wir sind hier klar positioniert und das hat uns weiteren Auftrieb gegeben. Wir sind sowohl mit Bestands- als auch mit Neukunden gewachsen. Bei den Kernprodukten wie Mantel oder Sakko verzeichnen wir aktuell sehr gute Abverkaufsquoten. Gleichzeitig sorgen Look-komplimentäre Produkte wie die smarte Hose, Strick oder Outdoor für zusätzlichen Schwung. Uns kommt sicher auch zugute, dass wir Mens- und Womenswear sauber getrennt halten und dem Handel eigenständige Kollektionen anbieten. Ich bin kein Fan von Unisex-Mode.“

Modisch wird von der „neuen“ Männlichkeit gesprochen. Mode, die neu gedacht wird, aber für den Mann bestimmt ist. Wie interpretiert windsor. diesen Trend?
„Das ist, was ich eben meinte. Wir kommen von der Kollektion, aber nicht von der des Jahres 1993, sondern von 2020. windsor. ist stets angezogen – lässig, aber immer stilvoll. Der Tragekomfort steht dabei ganz oben. Der Mann spürt das windsor.-Gen auf der Haut. Wir sehen auch eine gewisse Farbigkeit, die als Kontrastpunkte eingesetzt wird, ohne knallig zu wirken.“

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Nachhaltigkeit wird inzwischen zum Megatrend postuliert. Wird sich das Thema auch in Ihrem Marktsegment durchsetzen?
„Auf jeden Fall. Die Endkunden fordern einen besseren Umgang mit der Natur und unseren Ressourcen ein. Das gilt für das Unternehmen wie für die Kollektionen gleichermaßen. Wer als Marke das Thema einfach beiseiteschiebt, wird sich auch aus dem Markt verabschieden. Wir haben aktuell ein Kaschmir-Sakko als High-End-Produkt in der Kollektion, das wir mit Fokus auf chemiefreie Materialien und Verarbeitung in unserem eigenen Werk in Portugal fertigen. Wir haben bisher außerordentlich positive Reaktionen erhalten und wir sprechen über ein Sakko für immerhin 2.000 Euro VK.“

Welche Trends sehen Sie in der Menswear, was wird sich in den nächsten Monaten durchsetzen?
„In erster Linie sehe ich die Befreiung vom Business-Sakko in allen Variationen. Was wir aus der Womenswear schon länger kennen, hat sich jetzt auch bei den Männern durchgesetzt. Ich kenne keine Frau, die noch mit einem Hosenanzug herumläuft. Jetzt also kommt das auch bei den Männern. Dafür kommt die Jacke als Sakko-Ersatz. Der Konsument hat Lust, vieles auszuprobieren. Nicht mehr allein die Größen werden gemixt, auch Stoffe und Schnitte. Wir haben schon immer experimentiert, ausprobiert, weiterentwickelt. Dafür benötigen Sie auch die richtigen Partner im Handel, die dazu bereit sind. Wir ziehen umgekehrt auch die Reißleine, wenn wir sehen, dass etwas nicht funktioniert. Wir dürfen uns auch nicht verzetteln. So haben wir schon längere Zeit am Smart Casual gearbeitet und mussten nicht auf den letzten Drücker etwas rausschießen. Wir haben das klassische NOS-Lager halbiert und dafür Saisonals ausgebaut, etwa bei Strick oder Wirkhemden.“

Was ist wichtiger – Funktion oder Nachhaltigkeit?
„Am besten beides. Sicher können wir nicht beide Aspekte gleichzeitig in Perfektion verbinden. Aber wir haben uns nie die Frage nach dem Entweder-oder gestellt, sondern sind ganz automatisch dazu gekommen, bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte wie plastikfreie Hemden schon jetzt umzusetzen. Dazu bedarf es dann auch der Bereitschaft, mit einem anderen Verständnis Margen gegenüber Preis/Leistung zu bewerten. Das tun wir.“