„Sehr wohl im inneren Widerstreit“

Personal, Personal

Zehn Thesen – Mark Bezner und Anna Lüth kommentieren. ©OLYMP

Autor: Markus Oess

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Haben wir zu wenig weibliche Führungskräfte? Öffnen Seiteneinsteiger den Blick? Schlägt Flexibilität die Strategie? In der neuen FT-Serie „Personal, Personal“ kommen die Macher der Branche zu Wort. Solche, die ganz vorne stehen, und solche, die im Hintergrund agieren. Diesmal: zehn Thesen, zu denen Anna Lüth, Leitung Strategie und Unternehmensentwicklung OLYMP Bezner KG, Bietigheim-Bissingen, und ihr Chef, Mark Bezner, Geschäftsführender Gesellschafter, Stellung beziehen.

FT: Mode ist eine Branche wie jede andere auch. Man stellt ein Produkt her und verkauft es (indirekt oder direkt). Wichtig ist, den Verbraucher zu treffen, alles andere ergibt sich von selbst.
Mark Bezner: „Ganz so einfach ist es nicht. Um in einem auf das Heftigste umkämpften Marktumfeld zu bestehen, bedarf es weit mehr als zielgruppengerechter Güter und Dienstleistungen. Anhaltender Markterfolg wird bedingt durch eine allumfassende Unternehmensstrategie, die alle Aspekte von der Materialbeschaffung bis zur Vermarktung einbezieht und regelmäßig feinjustiert werden muss.“

Anna Lüth: „Jede Branche und jedes Geschäftsfeld weist spezifische Eigenheiten auf. Natürlich muss das Produkt vor allen Dingen dem Geschmack potenzieller Käufer entsprechen, was wiederum voraussetzt, die Bedürfnisse der Kunden möglichst detailliert zu kennen und deren optimale Zufriedenstellung regelmäßig zu hinterfragen. Bei Mode kommt erschwerend hinzu, dass Verbraucher infolge der übervollen Kleiderschränke meist keinen notwendigen Bedarf haben. Umso zentraler ist eine begehrliche, persönliche und emotionale Markenpositionierung mit einem klaren Versprechen, welches über ein besonderes Einkaufs- und Produkterlebnis eingelöst werden muss.“

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Bezner: „Gegenseitiges Vertrauen ist die Basis, eine regelmäßige Überprüfung aber dennoch unerlässlich.“

Lüth:Ich sehe es ganz genauso. Zentral sind hier aber eine positive und wertschätzende Grundhaltung und eine offene Feedbackkultur, in der man gemeinsam aus Fehlern lernt und bestrebt ist, sich ständig zu verbessern. In dem Moment, in dem Zutrauen in die Fähigkeiten und Verlässlichkeit von Menschen gesetzt wird, ist deren Motivation zur aktiven Mitgestaltung und persönlichen Entfaltung am höchsten.“

Modeexperten, egal ob Produkt oder Unternehmen, verlieren mit der Zeit den Blick für das Wesentliche und benötigen immer wieder neue Reize von außen.
Lüth: „Meine bisherige Erfahrung bei OLYMP hat gezeigt, dass gerade auch Quereinsteiger sehr positive Betrachtungsweisen mit sich bringen. Als Branchenneuling konnte ich mich mit den mir anvertrauten Themenstellungen von Beginn an aus einem ganz anderen Blickwinkel auseinandersetzen, wodurch sich einige neue Möglichkeiten für das Unternehmen ergeben haben.“

Bezner: „Auch um etwaiger Betriebsblindheit vorzubeugen und für frische Impulse zu sorgen, habe ich die neue Stelle für Strategie und Unternehmensentwicklung bewusst an eine Seiteneinsteigerin vergeben. Anna Lüth ist verantwortlich für die unternehmensweite Implementierung und Weiterentwicklung der Unternehmensstrategie und strategischen Prozesse. Eine hohe fachliche und methodische Kompetenz sowie das richtige Gespür für strategisches Handeln hat sie bei der gemeinschaftlichen Erarbeitung der Unternehmensstrategie mit der Geschäftsführung, welcher neben meiner Person noch Mathias Eggle und Dirk Heper angehören, bereits eindrucksvoll bewiesen.“

Frauen in der Menswear-Branche gibt es zuhauf, allerdings eher im Laden auf der Fläche als in den Führungsetagen der Unternehmen.
Lüth: Dem stimme ich nur teilweise zu. Unsere Belegschaft am Standort Bietigheim-Bissingen ist zu zwei Dritteln weiblich und auch unsere erste Führungsebene ist zu fast einem Drittel mit Frauen besetzt. Entwicklungspotenzial haben wir, wie viele andere Unternehmen auch, in der höchsten Führungsriege. Hier gilt es, familienfreundliche Strukturen und eine Kultur zu fördern, die hoch qualifizierten und motivierten Frauen weitere Aufstiegsmöglichkeiten bieten. Auch hieran arbeiten wir bereits mit Nachdruck.“

Bezner:Meiner Vorstellung von moralischem Werteverständnis entzieht sich jede Form der Ungleichbehandlung. Bei der Besetzung einer Position zählen allein die Qualifikation und persönliche Eignung. Das Geschlecht darf dabei ebenso wenig eine Rolle spielen wie das Alter, die Herkunft, Religion oder sexuelle Orientierung.“

Das Alter ist kein Kriterium für strategische Weitsicht.
Bezner:Dieser Aussage stimme ich grundsätzlich zu, wenngleich sich mit zunehmenden Lebensjahren erfahrungsgemäß das Blickfeld erweitert.“

Lüth:Steigende Lebens- und Berufserfahrung wirken sich unweigerlich positiv aus. Zur strategischen Weitsicht zählen neben dem Rückblick auf den eigenen Erfahrungshorizont aber auch die Betrachtung der gegenwärtigen Situation sowie der Ausblick in die Zukunft. Damit einher gehen die analytische Bewertung der Unternehmenskennzahlen sowie ein visionäres Verständnis für Markt-, Kunden-, Wettbewerbs- und Technologietrends. Auch die Fähigkeit, sich nicht auf Erfolgen und Erfahrungen auszuruhen und sich immer wieder die richtigen Fragen zu stellen, ist unerlässlich.“

Strategie ist wichtig, noch wichtiger ist aber die nötige Flexibilität, sie zu umgehen.
Lüth: Eine Strategie ist eine gemeinsame und verbindliche Zielvorstellung, welche die Leitplanken vorgibt, an denen sich das gesamte Unternehmen orientiert. Man priorisiert die Themen, die man sich vornimmt, während andere zurückgestellt werden. Der positive Effekt einer nachhaltig implementierten Strategie für die gesamte Mitarbeiterschaft eines Unternehmens ist enorm. Die gemeinsamen Kräfte werden konzentriert und gebündelt, Effizienz und Effektivität gesteigert. Die Mitarbeiter arbeiten nicht nur an einem isolierten Teilstück, sondern an einem großen Ganzen, was zu einem verstärkten Gemeinschaftsgefühl und einer gesteigerten Identifikation führt. Bei einem volatilen Planungshorizont, wie ihn sich verändernde Markt- und Rahmenbedingungen gerade in der Modebranche bereithalten, muss es aber eine regelmäßige Überprüfung der aktuellen Prioritäten und die Möglichkeit der transparenten Neubewertung und Nachjustierung geben.“

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Bezner: „Inhaltliche Kontinuität und Zielstrebigkeit erachte ich als wesentliche Faktoren unserer positiven Firmenkonjunktur. Zweifellos braucht es aber auch die nötige Anpassungsfähigkeit, um die Route im Bedarfsfall neu zu berechnen, ohne das anvisierte Ziel aus den Augen zu verlieren.“

Menswear ist einfacher als Womenswear.
Bezner: „Jede hat ihre Tücken.“

Lüth: „Das trifft es auf den Punkt. Im Rahmen der Kreativ- und Beschaffungsprozesse kann auch Herrenbekleidung durchaus sehr komplex und facettenreich sein. Allein die Vielfalt an Stoffqualitäten, Gewebekonstruktionen, Färbe- und Ausrüstungsverfahren, Kragenvarianten, Schnittformen und Ärmellängen bei unseren Hemden ist beeindruckend. Das Strick- und Wirksortiment sowie die Accessoires gestalten sich nicht weniger vielschichtig. Hinzu kommen – unabhängig ob nun Damen- oder Herrenbekleidung – die steigenden Ansprüche der Konsumenten an soziale, ökologische und faire Bedingungen bei der Herstellung. Die Herausforderung besteht darin, all diese Detailinformationen und Besonderheiten, welche die Wertigkeit unserer Produkte unterstreichen, kommunikationsseitig bis an den Verkaufsort in plausibler Weise zu vermitteln. Möglicherweise haben wir es im Herrensegment in puncto Abverkauf insofern etwas einfacher, als unsere männlichen Kunden, sobald sie unsere Produkte und deren qualitative Beständigkeit erst einmal zu schätzen gelernt haben, eine ausgeprägte Loyalität gegenüber unserer Marke an den Tag legen.“

Marken kommen und gehen, was zählt, sind Produkt, Preis und die richtige Verkaufsstrategie.
Bezner:Da bin ich anderer Meinung. In Zeiten von herrschender Unsicherheit und ständiger Reizüberflutung stehen Marken für Verlässlichkeit, geben Halt und Orientierung. Deshalb haben wir in den letzten Jahren erheblich in die Markenbildung investiert. Mit enormem messbaren Erfolg!“

Lüth: „Eine gut positionierte und begehrliche Marke ist meines Erachtens das wichtigste Asset eines Unternehmens. Aber natürlich wird eine Marke erst durch eine stringente Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik relevant und kann beziehungsweise muss ihr Versprechen dann demgemäß auch einlösen. Gleichfalls wird die Marke im Bereich der Mitarbeitergewinnung zusehends zum entscheidenden Faktor. Firmen, die sich als attraktive Arbeitgebermarke klar positionieren, haben beim Buhlen um begehrte Talente heute schon einen besseren Stand, was sich in Zukunft infolge des fortschreitenden demografischen Wandels noch verstärken wird.“

Die Marktführerschaft zu erlangen ist einfach, sie zu verteidigen schwer, sie für die Zukunft zu sichern unmöglich.
Lüth: Jedes Stadium verlangt die volle Aufmerksamkeit ab. Von einem Marktführer wird durchgängige Perfektion erwartet. Man steht unter ständiger Beobachtung, jeder noch so kleine Fehler wird von Kunden angelastet und vom Wettbewerb ausgenutzt.
Auf Erfolgen der Gegenwart kann man sich also niemals ausruhen, sondern ist dazu gezwungen, den Vorsprung auszubauen.“

Bezner: „Deshalb darf man sich zu keiner Zeit etwas zuschulden kommen lassen, sondern muss in jederlei Hinsicht Bestleistungen erbringen. Doch um überhaupt erst in diese Situation zu kommen, bedurfte es einer jahrelangen, auf inhaltlicher Kontinuität basierenden Marktstrategie.“

Gute Unternehmer kennen keine Zweifel.
Bezner:Die besseren unter ihnen stehen mitunter sehr wohl im inneren Widerstreit. Nur wer voller gesunder Skepsis ist, kann sich selbst in die entscheidende Lage versetzen, sein Handeln kritisch abzuwägen, um abschließend jene Entscheidung zu treffen, die keine weiteren Zweifel zulässt.“

Lüth:Ein Anzweifeln beziehungsweise grundsätzliches Hinterfragen der eigenen Handlungen und Entscheidungen ist absolut menschlich, förderlich und zielführend. Es gibt keine garantierte Entscheidungssicherheit, sondern es bleibt auch immer ein gewisses unternehmerisches Restrisiko. Wichtig ist, dass man aus Fehlern lernt und den eingeschlagenen Weg selbst dann konsequent und unverdrossen beschreitet, wenn er zwischendurch steinig wird.“