Andreas Brendt lebt in Köln, ist Surfer (er hat die Nationalmannschaft als Trainer bei den Weltmeisterschaften in Portugal und Peru betreut), diplomierter Volkswirt, Sportwissenschaftler und erzählt gerne Geschichten – darüber ist er auch zum Schreiben gekommen. Inzwischen arbeitet er an seinem dritten Buch, das im Sommer dieses Jahres erscheinen wird. Seine zwei „Boarderlines“-Bücher gehören zur Kultlektüre für Surf- und Reisebegeisterte – wer reinlesen oder mehr erfahren mag – www.boarderlines-buch.de – unbedingt hier vorbeischauen!
Natürlich hat FT mit Andreas über sein neues Buch gesprochen, aber auch über Spiritualität, das Leben und warum Yoga unsere Gesellschaft zum Wachsen bringt!
FT: Du schreibst gerade dein drittes Buch – „Ganesha macht die Türe zu“ – eine Reise nach Indien – physisch und auch spirituell?
Andreas Brendt: „Eine Reise nach Indien ist immer beides. Man steigt in den Flieger und landet in einer anderen Welt. Sinneseindrücke, Kultur, Begegnungen. Aber weil Indien das El Dorado der Suchenden ist, wollte ich wissen, ob da noch mehr ist. Eine Energie, ein Spirit und schon entsteht Tiefe.
Der Körper wandert durch ein fremdes Land, riecht, schmeckt, schwitzt, lacht, aber da ist noch etwas anderes. Etwas Subtiles. Spiritualität erwacht. Oder ist es Einbildung? Hokuspokus? Darum geht es in dem neuen Buch. Eine persönliche Reise, Neugierde, spirituelle Selbstversuche (verrückt!!!), aber auch Zweifel, die zu großen Themen führen. Vertrauen, Angst, Euphorie. Einbildung oder Wunder.
Natürlich gibt es auch viel zu lachen, aber es geht um die Reise zu sich selbst, und dieses einzigartige Land Indien kann eine verrückte Komponente dabei sein.“
Deine ersten beiden Bücher beschäftigen sich mit der Achterbahnfahrt des Lebens – Höhen und Tiefen, Erfahrungen, Reisen, Liebe, Lebenskrisen und Erkenntnisse – ist das neue Buch ebenfalls so lebensnah?
„Natürlich! Das ist mein Wunsch. Die Bücher sollen fesseln, berühren, aufrütteln, amüsieren und den Leser auf eine Reise mitnehmen. Ich selbst bin beim Schreiben sehr emotional, tauche in die Erinnerungen ein, lache mich kaputt oder stürze in Verzweiflung. Und ich möchte den Leser mitnehmen, bis sich am Ende plötzlich alles auflöst und eine Weite und Leichtigkeit entsteht. Wir sind alle total verschieden und total gleich. Das Leben ist verrückt und wir können tun, was wir wollen. Wir können oberflächlich und vergnügt sein oder uns in Gefühlswelten stürzen. Wunderbar ist, sich darüber auszutauschen. Ich liebe Begegnung mit Menschen und die Bücher sind eine Art Begegnung …“
Du betreibst Yoga und meditierst – sicherlich auch während der intensiven Zeit des Schreibens – das eine für den Körper, das andere für den Geist?
„Im Moment mache ich ,klassisches‘ Yoga (also Asanas, die Gymnastikübungen), um meinen Körper zu dehnen und zu entspannen. Natürlich hat das auch eine Wirkung, die den Geist beruhigt.
Nur betreibe ich spirituelle Praxis im Moment auf andere, etwas wildere Art. Es gibt Meditations- und Atemtechniken mit Vulkankraft. Das interessiert und begeistert mich. Das sieht dann nicht nach Yoga aus. Eher wie Irrenhaus. Trotzdem, auch diese Techniken sind vor vielen Tausend Jahren in Indien aus Yoga entstanden. Tantra zum Beispiel (und alle, die jetzt ein befremdliches Gefühl in der Magengegend empfinden – vielleicht Neugierde, Scham oder Abneigung – Tantra hat nicht so viel mit Sex zu tun, wie das immer kolportiert wird :).“
„Yoga ist eine spirituelle Praxis.“
Wie und warum passt Yoga in deinen Augen zu unserer westlichen Kultur?
„Yoga ist eine spirituelle Praxis. Es geht darum zu erwachen oder die gefühlte Dualität zwischen Mensch und Universum aufzulösen. Sorry, ich kann das auf die Schnelle nicht vernünftig beschreiben. Ist aber auch nicht wichtig. Ich finde, Yoga passt super in die westliche Kultur, weil es eine andere Herangehensweise an das Leben ist. Hier hat sich die Leistungsgesellschaft etabliert. Sie hat uns Wohlstand gebracht, aber auch Hamsterrad. Und wer Lust hat, einen Blick über den Tellerrand zu werfen, bekommt mit Yoga eine Möglichkeit. Yoga und Spiritualität können ein Hobby oder wie eine Abenteuerreise sein. Wer Lust hat, etwas zu erleben, kann diesen Weg ausprobieren.“
Es gibt ja inzwischen sogar Bier-Yoga – hat das noch etwas mit den Grundsätzen von Yoga zu tun oder ist so was dann doch eher eine Übertreibung der Verwestlichung?
„Viele Yoga-Stunden haben nicht mehr so viel mit der Ursprungsidee von Yoga zu tun. Das finde ich aber nicht schlimm. Die Palette ist größer geworden und jeder kann sich aussuchen, was zu ihm passt. Yoga im Sinne von Gymnastik und Stretching tut total gut. Und Leute, die mit dem ganzen spirituellen Quatsch nichts anfangen können, bekommen eine homöopathische Dosis. Andere Anbieter steigen tiefer in die spirituellen Aspekte ein. Es wird meditiert, das Om gesungen und Yoga-Philosophie thematisiert. Ich finde es klasse, dass das Angebot bunt ist.“
Yoga-Begeisterung, spirituelle Sinnsuche, Nachhaltigkeit, wachsendes Umweltbewusstsein und Achtsamkeit – denkst du, unsere Gesellschaft ist im Wandel?
„Auf jeden Fall. Weil das Angebot so vielfältig ist, werden viele Menschen abgeholt und das finde ich toll. Die Berührung mit Yoga lässt die Gesellschaft wachsen. Die Menschen öffnen sich für neue Themen. Das ist eine Bereicherung.
Es ist verrückt, wenn ich mit fremden Menschen (Lesern, Arbeitskollegen oder so) spreche und sich herausstellt, dass jemand Yoga macht und welche Veränderungen sich dadurch einstellen.
Ein Aspekt ist mir dabei wichtig: Man kann auch immer darüber lachen. Was andere machen, was man selber so tut und ausprobiert. Das Leben ist ein Spielplatz. Man kann jedes Klettergerüst und jede Rutsche ausprobieren.“
Noch zum Abschluss – ist Yoga unisex oder eher Frauen- oder Männerdomäne?
„Natürlich unisex. Momentan sind es natürlich mehr Frauen, die Yoga betreiben. Für uns Männer ist Yoga toll, weil wir mehr mit verkürzter Muskulatur zu tun haben. Die meditativen und Selbsterfahrungsaspekte tun Männlein wie Weiblein gut. Vielleicht sind es besonders die Männer, die auch etwas Wildes brauchen, für die ist Yoga eine tolle Ergänzung (in meinem Fall zum Beispiel Wellenreiten (wild) und Yoga). Yoga kann auch eine Einstiegsdroge sein :). Wer Lust hat, mehr zu erleben, ist in guter Gesellschaft, kann seine Yoga-Praxis vertiefen oder findet jemanden, um Neues auszuprobieren.“