Autor: Markus Oess
Es geht gar nicht um den ganz großen Wurf, um Kunden in die Läden zu ziehen. Es geht um das, was bereits da ist, und daraus lässt sich oft mehr herausholen, als viele Händler glauben. Gutes Visual Merchandising verlangt kein großes Budget, es verlangt Fantasie und den richtigen Blick für Neues. Der Textilmerchandiser will genau diese Nische bedienen. FT hat mit ihm und Kunden gesprochen.
„Mit dem Zertifikatskurs Visual Marketing & Merchandising sind Sie in der Lage, individuell auf die Unternehmenskultur und Zielgruppe abgestimmte Raum- und Schaufenstergestaltungen zu entwickeln und durch wirksame Warenbilder Warenvisionen und Erlebnisse zu erschaffen“, wirbt die KV Business School Zürich AG für ihre Ausbildungsleistung auf ihrer Website. Weiter unten steht dann auch etwas zum Berufsbild des Visual Merchandisers. Dort ist dann zu lesen: „Der Visual Merchandiser entwickelt unternehmens- und markenspezifische Präsentationskonzepte zur Ergänzung der klassischen Werbe- und Marketingstrategien. Individuelle Vorkenntnisse, Ausbildungen und Positionen im Unternehmen führen auch zu konzeptioneller Zusammenarbeit mit den Fachleuten aus Marketing und Einkauf, Ladenbau und Innenarchitektur.“
Weniger akademisch geht da Thomas Bußmann zu Werke: „Warenwelten müssen nicht ansprechen, sie müssen begeistern und überraschen“, fordert er. Eine Aussage, die der 47-jährige Bußmann zum Geschäftscredo ausgerufen hat. Anfang 2018 hat er sich mit dem Textilmerchandiser selbstständig gemacht. „Merchandising ist meine Leidenschaft und darum habe ich es zu meinem Beruf gemacht“, betont Bußmann, der sich selbst gern als Textil-Dino bezeichnet. Bußmann machte unter anderem Station bei MANGO und BESTSELLER als Retail Manager. Er arbeitete als Area Manager bei donna (Mirela Stanoiu) sowie viele Jahre als Einkäufer in der hochwertigen DOB. „Ich habe mich in all den Jahren intensiv mit der Fläche beschäftigt und oft genug bin ich auf Beispiele gestoßen, wie man es nicht machen sollte“, betont Bußmann. Dabei ließe sich schon mit einigen Handgriffen etwas ändern: „Andere Farbkonstellationen und neue Legetechniken, die der Endkunde eben noch nicht schon tausendmal gesehen hat.“
Bußmann konzentriert sich bei seinem Job auf das Gesamtbild im Laden, aber er bezieht auch systematisch Kennziffern ein, wie er sagt. Eine Vielzahl von Faktoren greift Bußmann auf wie die Artikelgewichtung, die Präsentation von Bestsellern in der Impact-Zone, von Outfits, die den Kunden mit frischen Looks anregen und Zusatzkäufe von Accessoires auslösen sollen. Er schult Mitarbeiter in Falttechniken, Fresh-ups, Schnelligkeit und Neuheiten. „Welche Looks, welche Marken passen wie zusammen? Darum geht es“, sagt Bußmann weiter. Ohne Vorgespräch und einen Blick in die Zahlen gehe es allerdings nicht. „Absolut richtig“, stimmt Thomas Kronefeld, Inhaber der TK FASHION GROUP, zu. Kronefeld betreibt unter „Mein Lieblingsplatz“ eigene Stores sowie mehrere comma- und LIEBESKIND-Filialen und hatte testweise von Bußmann einen Laden umgestalten lassen. Das Ergebnis habe ihn überzeugt und die Zusammenarbeit gehe weiter. „Thomas weiß sehr schnell, worum es geht, aber er kann immer nur so gut arbeiten, wie er für die Fläche gebrieft wird“, meint Namensvetter Kronefeld. Bußmann betont auch, dass neben Einkauf, Markenwelt und Service das Merchandising immer mehr Platz einnehmen werde, eben weil „Basics und ein guter Verkäufer allein nicht mehr ausreichen.“ Die Leute halten das Einkaufserlebnis hoch. Sie suchen nach einem kuratierten Warenangebot und visueller Ansprache, nach Inspiration. „Und hier kann der stationäre Handel gegenüber der Online-Konkurrenz punkten“, weiß auch Kronefeld. „Heute geht es um Profil und nicht um digital oder stationär“, schiebt er nach. Der Händler könne amazon und Co aus dem Spiel drängen, wenn er auf der Fläche erkennbare Mehrwerte böte. „Es geht immer noch darum, Bedürfnisse zu erkennen und zu bedienen. Nicht alles lässt sich digital mit Algorithmen abbilden. Gerade in mittleren Städten wie Siegburg spielt der lokale Aspekt von stationären Läden eine nicht zu unterschätzende Rolle.“ Bußmann nickt: „Aber der Kunde wird verwöhnter. Also brauchen wir einen Wow-Effekt auf der Fläche. Gleichzeitig arbeite ich mit den vorhandenen Mitteln. Großes zusätzliches Budget brauche ich in aller Regel nicht.“ Kronefeld bestätigt: „Ist seine Spezialität.“
Kronefeld verkauft DOB, aber Bußmann hat auch Kunden aus der Menswear wie Rolf Eisenmenger, der in Hannover seinen Laden LOGO betreibt. „Thomas Bußmann hat mich angesprochen und ich habe das Angebot getestet. Er hat meine sportive Abteilung umgestaltet, neue Farbkombinationen auf die Fläche gebracht und innovative Falttechniken angewendet. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagt er. Oliver Juhasz, Bad Reichenhall, ist auf die Dienste Bußmanns über Facebook-Werbung gestoßen. Er hat ihn zur Unterstützung seiner Einkäufer im Bereich Visual Merchandising für die Bereiche Damen Trend, Damen Premium, Damen Klassik, Herren, Accessoires sowie Schuhe angeheuert. „Herr Bußmann konnte unseren Einkäufern neue Impulse für das VM geben und begeistern. Er wird circa alle sechs bis acht Wochen bei uns mit unseren Einkäufern aktiv sein“, resümiert Juhasz. Für ein komplettes Instore Merchandising und Beratung veranschlagt Bußmann etwa eine Woche. Einmal pro Saison sollte die Fläche umgeräumt werden. Basis-Merchandising nennt Bußmann das. Daneben bietet er auch Personalschulungen vor Ort an. Bußmanns Blick von draußen ist nicht kostenlos. Sein Tageshonorar liegt im dreistelligen Euro-Bereich.