Autor: Andreas Grüter
Lifestyle-Magazine, Lifestyle-TV, Lifestyle-Events – kein anderes Sujet steht stärker im Fokus von Werbung und Marketing als das leidige Thema Lebensstil. Dabei ist der ursprüngliche Gedanke eines Lebens mit ganzheitlichem Ansatz längst unter die Räder gekommen.
„Kaufen Sie noch heute Ihren persönlichen Lifestyle als Rundum-sorglos-Paket mit individuellem Flair und hoher sozialer Anerkennung“, lautet die Message, mit der die Werbeindustrie seit einigen Jahrzehnten den Konsumenten zum Produktkauf verleiten will. Lifestyle, das ist hip, zeitgemäß, trendig … und damit einigermaßen weit entfernt von der ursprünglichen Idee eines stringenten Lebensstils. Zumindest, wenn man die allgemeine soziologische Definition des Begriffs zugrunde legt. Laut dem Soziologen Stefan Hradil ist Lebensstil „der regelmäßig wiederkehrende Gesamtzusammenhang der Verhaltensweisen, Interaktionen, Meinungen, Wissensbestände und bewertenden Einstellungen eines Menschen“und mithin eine Lebensaufgabe, die erarbeitet werden will.
Das Zahnrad-Prinzip
Die Dandys des frühen 19. Jahrhunderts haben es exzessiv vorgemacht und die Mods der 1960er-Jahre haben es aufgegriffen und ihren Bedürfnissen angepasst – die stetige Verfeinerung einer modernen und dabei gleichzeitig höchst zeitlosen Lebensführung, die alle Facetten des Lebens betrifft und nur in ihrer Gesamtheit als persönlich sinnstiftend zu verstehen ist. Ihre Grundlage: eine klare Positionierung und eine fortwährende Reflexion der bestehenden Verhältnisse unter ästhetischen, kulturellen und politischen Gesichtspunkten. Der eigene Stil, das ist die richtige Kleidung, die in der richtigen Wohnung mit den richtigen Möbeln getragen wird, in der die richtigen Bücher neben den richtigen Platten stehen. Das sind die richtigen Reisen in der Kombination mit der richtigen Art des Reisens, den richtigen Bar- und Klubbesuchen und natürlich auch dem richtigen Essen. Eine Aufzählung, die sich beliebig fortsetzen ließe. Und: Was für den einen goldrichtig ist, ist für den anderen grundfalsch. Lifestyle ist also eine außerordentlich anstrengende und zudem ziemlich komplexe Angelegenheit, die – und damit kommen wir wieder zur Marketingmaschinerie – jedoch weniger eine Frage des Geldes, sondern vielmehr eine Angelegenheit des Stils ist.
Stil lässt sich nicht kaufen
Laut einer Umfrage der Online-Auktionsbörse eBay ist sich zwar gut die Hälfte der befragten Konsumenten darüber einig, dass Lifestyle Ausdruck der Individualität bei der Wahl des persönlichen Stils bedeutet und somit eher eine Frage der Persönlichkeit denn des Geldbeutels ist. Gleichwohl wird dabei vorallem auf Aspekte wie Kauffreude und Trendbewusstsein abgezielt und weniger auf Fragen zu einem in sich geschlossenen und konsequent verfolgten Ästhetik- und Wertesystem eingegangen. Die Stoßrichtung jedoch stimmt, kann doch etwa ein im Secondhand-Laden erworbenes Stück die angestrebte Stilistik weit besser treffen als ein brandneues Teil aus einer angesagten Boutique. Auch für Silke Lambers, Trendscout in Berlin, ist Lifestyle keine saisonale Angelegenheit. Dennoch sieht sie ihn einem steten Wandel unterworfen, der anhand gesellschaftlicher Veränderungen greifbar wird. „Das hohe Umweltbewusstsein der heutigen Gesellschaft war beispielsweise vor 30 Jahren noch kein Thema. Darüber hat sich also ein völlig neuer Lebensstilentwickelt.“