RESERVED versus PRIMARK

Textildiscounter

Polens „PRIMARK" RESERVED will den deutschen Markt erobern. Bild: Reserved

Autor: Tays Köper-Kelemen

Der polnische Filialist RESERVED drängt mit einer offensiven Expansionspolitik auf den deutschen Markt. Die irische Bekleidungskette PRIMARK darf angesichts der Niedrigpreise und Zielgruppen-Ausrichtung wohl als direkter Konkurrent angesehen werden. Ein kurzer Blick auf die markantesten Konzeptmerkmale der Gegenspieler.

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Eine Jeans für 10 Euro, ein Sweater für 11 Euro und ein Shirt für 3 Euro – PRIMARK lockt seit nunmehr acht Jahren deutsche Konsumenten mit Niedrigpreisen. Nun hat der irische Konzern einen Konkurrenten auf Augenhöhe erhalten: Die polnische Bekleidungskette RESERVED drängt mit zahlreichen Neueröffnungen in die deutschen Innenstädte. Im vergangenen Jahr gingen unter anderem Läden in Stuttgart, Hannover und München an den Start, zumindest mit 1.600 Quadratmeter Verkaufsfläche in 1-a-Lagen. Weitere PoS, so in Hamburg, Köln, Berlin und Frankfurt, sollen im laufenden Jahr folgen. Bis Mitte 2017 will RESERVED insgesamt 20 Geschäfte in Deutschland eröffnet haben.

Social Media und Wertigkeitsgefühl

Ein Blick auf die Website von RESERVED macht sofort klar: Die Zielgruppe ist jung, trendy und preisbewusst. Eine Jeans kostet rund 25 Euro, ein Sweater rund 20 Euro und ein Shirt rund 10 Euro. Im Gegensatz zu Primark können die Artikel auch online eingekauft werden. Beim irischen Konkurrenten setzt man bewusst nur auf den stationären Handel. Es ist Teil des Konzepts, Massen in die Läden zu ziehen. Die Shopping-Tour soll zum regelrechten Event werden. Und in der Tat organisiert sich die junge Zielgruppe in Treffen, um in den mit Ware vollgepackten PRIMARK Stores gemeinsam auf Beutezug zu gehen. Um der PRIMARK-Community eine Plattform zu bieten, können auf der firmeneigenen Homepage sämtliche Artikel angesehen und in gelernter Facebook-Manier gelikt werden. Auch gibt es die Möglichkeit, à la Instagram Selfies mit PRIMARK-Outfits hochzuladen. Das Thema Social Media spielt eine zentrale Rolle. Bei RESERVED steht der Community- und Social-Media-Gedanke nicht derart plakativ im Fokus – wenngleich dieser ebenfalls sehr wichtig ist. Vielmehr stechen online klassische Kampagnenbilder ins Auge, die Wertigkeit propagieren sollen. Und auch die Stores setzen mit einem aufgeräumten Interieur und Industrial-Design-Elementen auf einen möglichst wertigen Auftritt, offenbar frei nach dem Motto: Billigmode muss nicht laut wie Billigmode verkauft werden. Doch ist für die junge Zielgruppe ein höherwertiges Einkaufserlebnis tatsächlich von Bedeutung? Oder zählt vielmehr nur der Preis? Fest steht: Insbesondere die anvisierte Zielgruppe nutzt soziale Netzwerke tagtäglich intensiv, PRIMARK darf sich daher als „Social-Media-Primus“ sicherlich einen wichtigen Pluspunkt einstreichen. Der Einfluss von Social Media auf Kaufentscheidungen ist weitreichend belegt. So stellte die Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor in einer Untersuchung fest, dass fast jeder dritte Social-Media-Nutzer bereits Dienstleistungen und Produkte eingekauft hat, weil sie im Web 2.0 empfohlen worden sind (Stand: März 2016). Laut Digitalverband Bitkom sind zwei Drittel (67 Prozent) der Internetnutzer in Deutschland aktive Mitglieder in sozialen Netzwerken, dabei liegt unter den 14- bis 29-Jährigen der Anteil aktiver Mitglieder bei 79 Prozent.

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Ethik-Fragen und Glam-Faktoren

Nichtsdestotrotz musste PRIMARK im vergangenen Weihnachtsgeschäft Umsatzeinbußen hinnehmen, ungünstige Wetterbedingungen hätten dafür den Ausschlag gegeben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Unternehmen daneben mit einem Imageproblem zu kämpfen hat. Medienberichte über menschenunwürdige Produktionsbedingungen in Herstellungsländern wie Bangladesch haben PRIMARK in schwere Kritik gezogen. Konsumenten demonstrieren vor Filialen der Kette stets aufs Neue gegen Wegwerfmentalität und Ausbeutung von Arbeitern. Der Konzern steuert mit aller Macht dagegen. Man bemüht sich um Aufklärung. Mittlerweile erscheinen auf der firmeneigenen Website zahlreiche Erörterungen zum Thema Ethik. Die Bereiche Lohn und Gesundheit von Arbeitern in der Produktion werden aufgegriffen, ebenso Gebäudesicherheit und Umweltschutz. Um die Seriosität der ethischen Ansprüche zu untermauern, ist der Konzern sogar dem Bündnis für nachhaltige Textilien beigetreten. RESERVED befasst sich – zumindest im Rahmen des öffentlichen Markenauftritts – weniger offensiv mit der ethischen Problematik, die Billigmode aufwirft. Lediglich auf der Website des Mutterkonzerns LPP findet man Erklärungen zum Code of Conduct. Dafür nimmt man prominente Aushängeschilder mit ins Boot, die Coolness und Glamour versprühen. Das Model und It-Girl Georgia May Jagger zierte bereits Kampagnenbilder und entwarf eigens eine Capsule-Kollektion für die aus Danzig stammende Textilkette. PRIMARK verzichtet dagegen gänzlich auf derartige Marketing-Initiativen. Wie bereits aufgezeigt, konzentriert sich das Unternehmen auf Social-Media-Aktivitäten, die mitunter ein Plus an Authentizität suggerieren und auf eine höhere Identifikation der Zielgruppe mit der Marke abzielen.

Ob nun PRIMARK oder RESERVED – es bleibt schlichtweg abzuwarten, welches Verkaufskonzept von mehr Erfolg gekrönt sein wird. Prognosen von Marktforschungsinstituten zufolge bleibt zumindest auch 2017 Billigmode ein Thema für Endverbraucher – paradoxerweise parallel zur Tendenz hin zu mehr Nachhaltigkeit.