Autor: Markus Oess
Die Vita von Dieter Scholz, bis 2016 Herausgeber und Chefredakteur von FT, lässt sich nur schwer in 7.000 Buchstaben quetschen, egal wie man es anstellt. Der Mann hat am 7. Februar dieses Jahres seinen 80. Geburtstag gefeiert. Nicht nur ein langes Leben, in dem ihm eine Menge passiert ist, er hat auch verdammt viel passieren lassen. Wir gratulieren von Herzen und berichten.
Dieter Scholz wurde am 7. Februar 1938 in Breslau geboren. In einer Zeit, in der der Wahnsinn die Welt mit Krieg, Terror und Elend überzog. Dass Dieter einmal als Schuljunge von Adolf Hitler, der hin und wieder nach Breslau kam, auf die Wange getätschelt wurde, ist ein tragisches Symbol, denn er musste später miterleben, wie sein Schulgebäude bei einem der vielen Bombenangriffe zerstört wurde. Viele seiner Schulkameraden befanden sich noch darin. Der Tod war allgegenwärtig. 1945 rollten die Russen an und in der Ferne war das Grollen der Bomben schon deutlich zu vernehmen. Vom Vater Herbert war die Familie getrennt. Es gab keine Nachricht, was mit ihm passiert war. Dieters Mutter Hildegard schaffte es, sich und ihre drei Kinder Sonja, Dieter und Peter auf einen Zug zu schmuggeln, der sie wenige Kilometer hinter die spätere Ostgrenze nach Rehau in Bayern brachte. Nun war der Notgroschen, der Familienschmuck, schon aufgebraucht. Dort kamen sie auf einem Bauernhof unter. Als die Amerikaner vormarschierten, hatten sie auch das Versteck der Hofbewohner entdeckt. Ein GI riss die Tür auf, die entsicherte MG in der Hand. Er schaute sich kurz um und verschwand wieder. Wenige Minuten später kam er zurück und stellte einen Korb mit Lebensmitteln ab.
Kaffee mit Konrad Adenauer
1946 dann wurde Dieter eingeschult. Auf dem Schulweg sammelte er Pilze ein, die er später auf dem Markt verkaufte, um mit dem eingenommenen Geld wiederum Lebensmittel für die Familie zu kaufen. Die Familie lebte unter ärmsten Bedingungen, immerhin, sie hatten überlebt. 1948 konnte der Vater über das Rote Kreuz seine Familie ausfindig machen. Er lebte inzwischen in Köln-Wesseling. Die Familie kam dort ausgerechnet Rosenmontag an. Es war kalt, aber sie hatten ein Zimmer und sie hatten einen Ofen. Nur nichts zum Heizen. Also besorgte sich der Vater eine Handkarre und zog zum örtlichen Kohlenhändler. Der war Karnevalsprinz und wollte frisch kostümiert auf seinen Prunkwagen steigen. „Was, ihr wollt Kohlen?“, wundert sich der Prinz. „Aber es ist Karneval, da verkaufen wir keine Kohlen. Nehmt einfach, was ihr braucht.“ Dieter erzählt diese Geschichten und mahnt, „dass auch heute immer noch viele Menschen auf der Flucht sind vor Elend und Tod. Sie suchen Geborgenheit und Hilfe. Zu schnell vergessen die Menschen ihre eigenen Erlebnisse oder was ihren nahen Angehörigen dereinst passierte.“
“Auch heute immer noch viele Menschen auf der Flucht sind vor Elend und Tod. Sie suchen Geborgenheit und Hilfe. Zu schnell vergessen die Menschen ihre eigenen Erlebnisse oder was ihren nahen Angehörigen dereinst passierte.”
Eine weitere Begegnung in der Schweiz sollte Dieter in Erinnerung bleiben. Als Jugendlicher war er dem CVJM beigetreten und reiste des Öfteren in ein Chalet nach Mürren im Berner Oberland. Dort sprach ihn ein älterer Herr mit einem altbekannten rheinischen Slang beim Pilzesuchen an. Als er hörte, dass Dieter mit seinen Kameraden in der Freizeit war, lud der Mann kurzerhand alle zum Kaffee in sein Haus ein, um mit den Kindern auch über seinen Beruf als Politiker zu sprechen. Es war Konrad Adenauer.
1956 war Dieter mit der Schule fertig und weil er schon immer etwas Kreatives machen wollte, entschloss er sich, Dekorateur zu werden, und ließ sich vom Warenhausbetreiber Kaufhof ausbilden. Schon sechs Jahre später wurde es ihm zu eng, im Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Dieter machte sich selbstständig, zog durch das Umland und dekorierte Schaufenster von Textilhändlern. Zwei Jahre später heiratete Dieter seine Freundin Dorly. Die Kinder Holger und Evi wurden geboren. 1967 traf Dieter eine Entscheidung, die sein Leben bis heute bestimmt und die ihn nicht mehr loslassen wird. Er kaufte den Beuerhof. Dies freilich nicht mit dem heutigen Wissen, sondern mit der Absicht, aus dem alten Hof ein Feriendomizil zu errichten, eine Fluchtstätte aus dem Alltagsleben.
1970 bekam Dieter Wind davon, dass Dekorateure auf den Kölner und Düsseldorfer Modemessen gutes Geld verdienten, also entschied er, sein Können dort anzudienen. Damals war es üblich, die freien Jobs über den Lautsprecher auf dem Messegelände zu verkünden, wer zuerst an den Stand kam, hatte in aller Regel den Job. Dieter war als Erstes bei Falke. Es dauerte nicht lang und der Zufall wollte es, dass Dieter in seinen nächsten Job rutschte. Er war gerade dabei, einen Stand aufzuhübschen, als er angesprochen wurde, ob er nicht aushilfsweise als Model einspringen wolle. Der eigene Kandidat sei überraschend krank geworden, Ersatz nicht zu bekommen. Er bekäme wie die Mädels auch mehrere Hundert Mark für den Job. Schon am nächsten Tag klingelte das Telefon und Dieter wurde wieder gebucht. Sein Modeljob brachte ihn rund um den Erdball. Er machte Shootings in Kenia, kletterte auf den Kilimandscharo, arbeitete in Brasilien, in den USA und China. Viermal musste er sich seinen Reisepass erneuern lassen, weil die hinteren Seiten mit Visa zugestempelt waren und kein Platz mehr für neue war.
Begegnungen mit Harry Belafonte und Nelson Mandela
Damit war 1985 Schluss. Dieter gründete eine Werbeagentur und wechselte hinter die Kamera. Immer noch verschlug es ihn in die hintersten Ecken der Welt. Er veranstaltete zum Beispiel schon traditionell Shootings in den USA oder auch Afrika. Einmal musste er in Marokko mit seinem Fotografen für zwei Tage ins Gefängnis, weil er mit zwei weiblichen blonden Models den Verkehr in Marrakesch schlagartig lahmlegte. „Die 80er waren wilde Jahre“, sagt Dieter. Er hatte zwischenzeitlich fast 30 Angestellte, die Geschäfte liefen gut.
Er residierte in teuren Hotels und jettete um den Globus. „Einmal pokerte ich mit Harry Belafonte. Das war 1986 und ganz normal damals“, erzählt Dieter.
Dieter wird Herausgeber von FASHION TODAY MEN
1989 kam die nächste Wende. Dieter wurde Herausgeber und gründete FASHION TODAY MEN. Immer noch war der Job mit vielen Reisen verbunden, manche davon waren sehr aufregend. 2004 zum Beispiel beteiligte er sich an einem Schlittenrennen am Nordpol mit einem Outdoorausrüster. „,Sie verlassen jetzt die GPS-überwachte Zone‘, warnte uns ein Schild, als wir starteten. Das war schon ein seltsames Gefühl“, erzählt Dieter. Er und sein Schweizer Kollege sollten außer Konkurrenz als Pressevertreter das Rennen mitfahren und starteten daher als Letzte. „Wir kamen schließlich als Erste ins Ziel“, berichtet Dieter, „wir konnten nicht anders.“ Damals war er 67 Jahre alt.
Dieter bezeichnet die 1990er-Jahre als Zeit des Erwachens. 1990 besuchte der Häuptling der Lakota-Indianer, Archie Fire Lame Deer, den Beuerhof. Archie öffnete den Platz für ein neues Bewusstsein, er weihte das Gelände und es wurde zur neuen Begegnungsstätte, zum Kraftfeld für seine Besucher. Bis in die Gegenwart hat Dieter enge Beziehungen zu den Lakotas. Er wurde vom Archie adoptiert und reist so oft es ihm seine Zeit erlaubt zum Sonnenwendtanz seiner Stammesbrüder. Was Dieter damals noch nicht wusste: Auf seinem Gelände befindet sich auch eine alte keltische Kultstätte, die heute wieder benutzt wird.
„Ich konnte es kaum glauben, aber ich packte meine Sachen und machte mich auf nach Frankreich. Ich hatte das Glück, mit einem der bedeutendsten Männer unserer Zeit mehr als eineinhalb Stunden zu sprechen.“
1995 besuchte Dieter ein Seminar des indianischen Lehrers Art Reade. Dort sollten die Teilnehmer Vorbilder auf ein Stück Papier schreiben. Dieter entschied sich für Nelson Mandela. In der nächsten Stunde verteilte Art Reade die nächste Aufgabe: Triff dich mit deinem Vorbild und unterhalte dich mit ihm. Also setzte Dieter sich ans Telefon, in der festen Annahme, es sei vergebens. Aber er wurde durchgestellt und mit der persönlichen Assistentin Mandelas verbunden und konnte seinen Wunsch vortragen. „Wir werden sehen“, bekam er zur Antwort. „Das war es“, dachte Dieter. Wenige Tage später aber klingelte das Telefon. Es meldete sich die persönliche Assistentin. Er habe Glück. Mandela reise die Woche darauf nach Paris und er sei zu einem Treffen bereit. „Ich konnte es kaum glauben, aber ich packte meine Sachen und machte mich auf nach Frankreich. Ich hatte das Glück, mit einem der bedeutendsten Männer unserer Zeit mehr als eineinhalb Stunden zu sprechen“, beendet Dieter seinen Bericht.
Vor wenigen Wochen kam Dieter vom Skifahren auf der Seiser Alm zurück. Ein Stück Natur, das ihn auch schon seit vielen Jahrzehnten begleitet, um wenige Tage später seinen 80. Geburtstag zu feiern! „Ich wurde gefragt, was ich gemacht habe, um so fit zu bleiben. Meine Antwort: erstens Vertrauen in mich und das, was ich tue, zweitens immer darauf achten, dass es mir gut geht und ich nicht leide, und drittens eine positive Einstellung zu den Menschen. Und auch für den Körper beachte ich drei Regeln: erstens Körperbewusstsein im Tun und Essen, ich mache jeden Morgen meine fünf Tibeter-Übungen und ich habe regelmäßig Sex. Einfach, weil ich nicht wusste, dass das eigentlich im hohen Alter nicht mehr geht“, sagt Dieter. „Mal sehen, was das Leben für mich noch bereithält. Der Beuerhof wird als Begegnungsstätte auch über mich hinaus in die Zukunft gehen. Es werden andere kommen, die Verantwortung übernehmen.“
Doch so weit ist es nicht! Mögen der Beuerhof und die Kräfte, die in ihm leben, noch möglichst lange über dein Leben wachen! Alles Gute zu Deinem Geburtstag, lieber Dieter, wünscht Dir das gesamte FT-Team!