Vom Trendbüro zur Data Science

Digitalisierung

Start-ups wie YOONA Technology nutzen historische Verkaufsdaten, um mittels neuronaler Netze zukunftsträchtige Schnittmuster und Farbpaletten vorherzusagen. ©Freepik Pro

Autor: Maximilian Fuchs
Immer auf der Suche nach dem nächsten „Big Thing in Fashion“, basierte das traditionelle Trend-Scouting hauptsächlich auf der Auswertung von Messen, Runway-Shows, Streetstyle-Analyse und Netzwerk-Infos. Trendbüros sammelten physische Moodboards, die oft monatelang im Voraus erstellt wurden. Die Vorhersagen waren zumeist linear und regional geprägt, da globale Vernetzung und Echtzeitdaten fehlten. Doch in Zeiten der Social Networks und mit den Einsatzmöglichkeiten von künstlicher Intelligenz sind die Karten vollkommen neu gemischt.

WERBUNG

Die Macht der Daten

Der Prozess des Trend-Scoutings hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt, von analog hin zu einem datengesteuerten, global vernetzten System. Mit dem Aufstieg von Social Media verlagerten sich Trendzyklen von saisonalen auf Echtzeit-Updates. Gleichzeitig entstanden erste KI-Tools wie der Deep-Fashion-Algorithmus von Heuritech, der 2018 erstmals Tweed-Strukturen in User-Generated Content erkannte, bevor sie auf Laufstegen auftauchten. Durch die Analyse von täglich über 3 Millionen Bildern aus sozialen Medien identifiziert das französische Unternehmen aufkommende Trends, indem es mehr als 2.000 Modeattribute wie Farben, Muster und Silhouetten erkennt. Diese Daten ermöglichen es Modemarken, zukünftige Trends vorherzusagen und ihre Kollektionen entsprechend zu planen. ​Im November 2024 fusionierte Heuritech mit der Datenplattform LUXURYNSIGHT. Diese Strategie zielt darauf ab, eine umfassende Datenintelligenzlösung für Luxus-, Mode- und Beauty-Brands bereitzustellen. Zu den Kunden zählen unter anderem Marken wie PRADA, DIOR, adidas oder MONCLER. Dieser Wandel in der Recherche spiegelt nicht nur technologische Fortschritte wider, sondern auch fundamentale Veränderungen in Konsumgewohnheiten, Produktionszyklen und ethischen Erwartungen der Gesellschaft. Der renommierte Trendforscher Edwin van den Hoek versteht seine Arbeit heute als „soziologische Detektivarbeit“. Es geht dabei darum, politische Entwicklungen (zum Beispiel die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Textillieferketten), technologische Durchbrüche (wie Biotextilien aus Myzel) und kulturelle Verschiebungen zu analysieren.

WERBUNG

Zukunftsausblick

Generative KI-Systeme wie GANs (Generative Adversarial Networks) revolutionieren die Designphase. Start-ups wie YOONA Technology nutzen historische Verkaufsdaten, um mittels neuronaler Netze zukunftsträchtige Schnittmuster und Farbpaletten vorherzusagen. In nicht allzu weiter Ferne – gehen Sie von 2030 aus – werden KI-Tools wie DALL·E von OpenAI individualisierte Trendboards erstellen, die lokale Wetterdaten, persönliche Gesundheitswerte (zum Beispiel Hautsensoren) und sogar Spotify-Playlists einbeziehen. Start-ups wie CLO VIRTUAL FASHION entwickeln bereits 3-D-Avatare, die Kleidung in virtuellen Umgebungen auf den individuellen Körpermaßstab anpassen. Futurismus zum Greifen nah. Aber ganz ehrlich: Hätten Sie vor 20 Jahren gedacht, dass Sie das Wissen der Welt heute wie selbstverständlich in der Hosentasche tragen würden?