Autor: Winfried Rollmann„Du Cœur à la Main“ ‒ vom Herzen zur Hand ist der Titel der großen DOLCE & GABBANA-Retrospektive im Grand Palais in Paris. Sie feiert pompös die außergewöhnlichen Haute-Couture-Unikate der beiden Sizilianer. In ihrer Arbeit haben sie immer die Passion und Widersprüche der sizilianischen Seele zum Ausdruck gebracht. Mit großem schneiderischen Können und den Kurven huldigenden Schnitten haben sie die Feminität der Frauen zelebriert. In ihren Männerkollektionen lief der Bello Ragazzo zur Höchstform auf. Nicht mailändisch dröge, sondern gespeist von sizilianisch-vulkanischer Energie waren ihre Looks immer sinnlich aufgeladen. Das ist ihr großes Verdienst, für das ihnen viele Fans huldigen.
In der Ausstellung wurde statt dieses Prickelns vor allem pompöse, überladene Couture gezeigt. In hohem Maße „instagrammable“, hat sie dem Mainstream unglaublich gefallen. Das Kalkül der Ausstellungsmacher ist aufgegangen. In den Social Media schießen die Likes nach oben. Ein Wow folgt auf das nächste. Damit stimmt das Set in den visuellen Overkill ein, dem wir tagtäglich in den Social Media ausgesetzt sind. Wenn die Asche des Feuerwerks zu Boden sinkt, verschüttet es die handwerkliche Raffinesse der Kreateure, um die es den Ausstellungsmachern eigentlich vorgeblich gegangen ist. Die hochstehende Kultur der Couture-Schneider oder der Schuhmacher ist nicht laut, sondern überzeugt den Kenner durch unglaubliche Passform, leichteste Verarbeitung und eine unwiderstehliche Qualität. Hat ein Kunde sich einmal darauf eingelassen, will er diesen Standard nicht mehr missen. Das ist europäische Kultur, die es leider nur noch in Nischen des Marktes bei kleinen Manufakturen von Schneidern und Schuhmachern gibt.
Bei unserem letzten MICAM-Besuch und vielen Gesprächen mit den begnadeten Experten diverser italienischer Manufakturen stellten diese mit großem Bedauern fest, dass im deutschen Markt die Grundgesamtheit der Händler, die dieses Niveau halten, schmilzt wie das Eis in der Sonne. Lesen Sie dazu unsere MICAM-Analyse. Wenn dies in der rasanten Art und Weise voranschreitet, wie wir es augenblicklich erleben, wird diese Kultur unwiederbringlich verschwinden. Diese kulturelle Verfeinerung ist ein Gut, das über Epochen gewachsen ist. Es liegt an uns, ob wir es jetzt aufgeben für fade Fast Fashion, Fast Food und Oberflächlichkeit im visuellen Wettbewerb der Medien.
Bei meinem Besuch dieses Wochenende in Stockholm bin ich an den Schaufenstern der Nordiska Kompaniet NK, einem gediegenen Department Store, vorbeigekommen, auf dem zu lesen stand: „Save yourself from the ordinary“. Dem ist nichts weiter hinzuzufügen.
