
Autor: Markus OessWenn Chef oder Chefin feststecken im operativen Tagesgeschäft, hat das oft Gründe, die nicht gottgegeben sind, sondern sich lösen lassen. Das sagt der Manager Jürgen Fleischmann sinngemäß. Fehlende Strukturen und ineffiziente Prozesse verhindern strategische Weiterentwicklung. Fleischmann berät Handel und Industrie zu diesen Themen. Er erklärt im FASHION-TODAY-Interview, warum manche Unternehmen stagnieren und wie sie sich aus dieser Falle befreien können.
Herr Fleischmann, Sie sprechen von der Unternehmerfalle. Was genau meinen Sie damit?
Jürgen Fleischmann: „Die Unternehmerinnen und Unternehmer, mit denen ich spreche, berichten von ähnlichen Herausforderungen. Ich höre immer wieder Aussagen wie: ,Ich stecke fest im täglichen Kleinklein‘ beziehungsweise ,Alles muss ich selbst machen‘ oder ,Mein Team versteht mich nicht‘ – bis hin zu ,Ohne mich funktioniert nichts‘. Allen ist gemein, dass sie im Tagesgeschäft gefangen sind und zu viele operative Aufgaben selbst übernehmen. Es fehlen Strukturen, Verantwortlichkeiten sind unklar und Prozesse nicht effizient gestaltet. So bleibt keine Zeit für strategische Weiterentwicklung; Unternehmen stagnieren oder werden ineffizient geführt.“
Waren Sie in Ihrem beruflichen Leben schon einmal in dieser Falle?
„In unserer sich sehr schnell verändernden Branche ist keiner davor gefeit. Kaum wurde ein Status aufgebaut und stabile Prozesse etabliert, kommen neue wirtschaftliche Situationen auf oder der Markt verändert sich grundlegend. So mussten sich vor fünf Jahren alle Marktteilnehmer von einem Tag auf den anderen durch Covid mit Online Business auseinandersetzen. Aber auch technologische Entwicklungen, wie zum Beispiel der Einsatz künstlicher Intelligenz, erfordern die laufende Anpassung bestehender Strukturen. Diese stetige Weiterentwicklung von Unternehmen und deren Prozessen lässt sich jedoch auch als Chance nutzen. Voraussetzung dazu sind klare Strukturen und geregelte Abläufe als Basis.“
Sie nennen gleich zwei Fallbeispiele: Generationenwechsel und Expansion. Fangen wir einmal mit dem Generationenwechsel an. Es gibt prominente positive wie negative Beispiele. Es klingt doch eigentlich recht einfach: Der Nachwuchs rückt nach und die „Alten“ ziehen sich zurück. Aber warum kann die Übergabe dann doch schiefgehen? Liegt es an der mangelnden Ehrlichkeit, Dinge offen anzusprechen?
„Es hat weniger mit mangelnder Kommunikation zu tun. Die Übergabe scheitert eher daran, dass Unternehmerinnen und Unternehmer keine übergabefähige Klarheit haben. Meist haben die heutigen Inhaberinnen und Inhaber ihr Unternehmen selbst von der Pike auf erfolgreich aufgebaut. Sie kennen jeden einzelnen Schritt aus dem Effeff, haben alles im Kopf und treffen viele Entscheidungen aus dem Bauch. Dies tun sie auf Basis ihrer Erfahrung oft sehr erfolgreich. Dieses Allwissen ist für die nachfolgende Generation jedoch nicht in genügendem Umfang aufzuholen. Außerdem erlaubt es die Komplexität der heutigen Märkte, Technologien und Prozesse nicht mehr, sich schnell einen strukturierten Überblick zu verschaffen.“
Welche Fallstricke haben Sie ausgemacht?
„Unklare Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation gemeinsam mit fehlender Dokumentation von Prozessen sind meist die grundlegenden Probleme. Dazu kommen natürlich in vielen Fällen der mögliche, oftmals uneingestandene, innere Widerstand der bisherigen Führungskraft gegen den Rückzug und die fehlende, zu späte oder unzureichende Vorbereitung der Nachfolgerinnen und Nachfolger. Dann ist die Erfüllung des Glaubenssatzes ‚Ohne mich geht es halt doch nicht‘ vorprogrammiert.“
Was macht dann eine gute Nachfolgeregelung aus?
„Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung erfordert in jedem Fall eine frühzeitige Planung. Die Organisation wird im Idealfall so aufgestellt, dass die neue Führungskraft über genügend Zeit verfügt, sich einzuarbeiten. Gleichzeitig sollte das bestehende Führungsteam mit seinen notwendigen Verantwortlichkeiten klar definiert sein. Essenziell ist auch eine Dokumentation der Geschäftsprozesse und deren transparente Kommunikation innerhalb der Organisation.“
Wie entscheidend ist, ob die Nachfolge familiär ist oder Externe übernehmen, etwa durch den Unternehmensverkauf?
„Familiäre Nachfolgen können natürlich zusätzlich mit emotionalen Konflikten belastet sein. Externe Übernahmen hingegen sind oft mit höheren Übergabe-Anforderungen verbunden. Auch die Frage der jeweiligen Unternehmenskultur spielt hier eine wichtige Rolle. Bei einer externen Nachfolge kann der Kulturschock für die Organisation durchaus größer ausfallen. Entscheidend ist aber, dass die Übergabe strukturiert und professionell erfolgt und alle Beteiligten möglichst früh miteinbezogen werden.“
„Es hat weniger mit mangelnder Kommunikation zu tun. Die Übergabe scheitert eher daran, dass Unternehmerinnen und Unternehmer keine übergabefähige Klarheit haben.“
Was ist, wenn die Übergabe scheitert, gar die Insolvenz droht?
„Auch, falls eine Übergabe misslingt, sind klare Strukturen und eine transparente Organisation essenziell. Denn nur so kann Stabilität gewährleistet werden. Eine frühzeitige Vorbereitung auf Krisenszenarien kann helfen, solche Situationen zu vermeiden. Falls eine Insolvenz droht, ist professioneller Rat entscheidend.“
Ein anderes Handlungsfeld ist die Expansion. Was passiert, wenn die Unternehmensstrukturen weniger schnell und nachhaltig wachsen als die Zahl der Kunden oder die Größe der Projekte und damit der Umsatz?
„Es ist weniger die Größe der Organisation, die darüber entscheidet, ob ein Unternehmen Wachstumspotenzial hat. Vielmehr kann bis zu einem gewissen Punkt Wachstum ohne Weiteres auch mit dem bestehenden Team erzielt werden, und zwar mit klaren Strukturen und Prozessen. Wachstum erfordert skalierbare Prozesse, klare Zuständigkeiten und insbesondere auch vermehrt digital unterstützte Abläufe, um langfristig stabil zu bleiben.“
Raten Sie zu externer Hilfe?
„Externe Beraterinnen und Berater mit ihrem neutralen Blick von außen können dabei unterstützen, blinde Flecken zu erkennen und Prozesse zu analysieren. So liefern sie wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung und begleiten professionell, beispielsweise bei Betriebsübergaben oder in Wachstumsphasen. Allerdings muss diese Beratung unter Einbeziehung des Teams und auf Basis einer offenen Kommunikation durch die Unternehmensleitung erfolgen. Am Ende steht und fällt der Erfolg mit dem Team.“
Der Interviewpartner
Jürgen Fleischmann war von März 2020 bis Dezember 2024 Geschäftsführer der TIMEZONE GmbH in Raubling, Bayern. Zuvor arbeitete er über 14 Jahre bei Triumph International, wo er verschiedene leitende Positionen innehatte, darunter Head of Sales Planning and Operations Europe (2016 bis 2020), Head of Strategic Account Management Europe (2014 bis 2016) und Sales Manager Global Western Region (2010 bis 2014). Dazwischen war er für sechs Monate als Global Sales Director bei der Schaefer Fashion Group tätig. Seine Karriere begann er im Modehandel und bekleidete von 1995 bis 1999 eine Managementrolle im Fashion Retail.
Das Interviewthema: Mehr Licht!
Viele Unternehmerinnen und Unternehmer sind im Tagesgeschäft gefangen, weil Strukturen fehlen, Verantwortlichkeiten unklar sind und Prozesse ineffizient laufen. Entscheidungen werden oft spontan getroffen, was langfristig zu Problemen führt. Besonders bei einem Generationenwechsel kann eine fehlende Vorbereitung die Übergabe erschweren. Auch eine Expansion gerät schnell ins Stocken, wenn das Unternehmen nicht auf Wachstum ausgerichtet ist. Ebenso gefährlich sind unklare Zuständigkeiten, die in Krisenzeiten die Stabilität gefährden. Um sich aus dieser Lage zu befreien, braucht es klare Strukturen, definierte Verantwortlichkeiten und dokumentierte Abläufe. Digitale Lösungen helfen, Prozesse zu optimieren und Routineaufgaben zu automatisieren. Wer operative Tätigkeiten abgibt und sich auf strategische Entscheidungen konzentriert, schafft nicht nur Effizienz, sondern gewinnt auch mehr Freiraum. Ein gut organisiertes Unternehmen mit klaren Prozessen ist widerstandsfähiger, wirtschaftlich stabiler und langfristig erfolgreicher.