Geballte Power gegen Fernost

Kommentar

Katja Vaders

Autorin: Katja Vaders
Ein Paukenschlag erschütterte am letzten Mittwoch nicht nur die Branche, sondern auch die Börse und die deutsche Presselandschaft: zalando kündigte an, ABOUT YOU zu übernehmen, die ehemaligen Konkurrenten tun sich also künftig zusammen. Der Versandkonzern OTTO möchte dazu seine Anteile an zalando verkaufen; mit über einer Milliarde Euro wird ABOUT YOU insgesamt bewertet. Offiziell heißt es, man wolle seine Kräfte bündeln, „um gemeinsam den europäischen Mode- und Lifestyle-E-Commerce zu gestalten“, erklärten die beiden Unternehmen, die Bedürfnisse der Kundschaft sowie Partnerinnen und Partner noch fokussierter zu bedienen und „einen größeren Anteil des europäischen Marktes für Mode- und Lifestyle-E-Commerce abzudecken“. Hierzu möchte man beide Marken zunächst bestehen lassen, um die Stammkunden und -kundinnen und deren individuellen Einkaufsbedürfnisse und -vorlieben weiterhin bedienen zu können; zalando konzentriert sich also weiterhin auf Marken, ABOUT YOU möchte eine eher jüngere Zielgruppe ansprechen. Im Sommer 2025 soll der Deal abgewickelt sein.

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zalando erhofft sich einiges von der Fusion, nicht nur Synergien im Firmenkunden-Geschäft, sondern vor allem einen zusätzlichen Gewinn von 100 Millionen Euro. Große Ziele, die erst einmal erreicht werden müssen. Laut einem Ranking in der „TextilWirtschaft“ war die otto group, zu der bis jetzt auch ABOUT YOU gehört, im letzten Jahr mit einem Umsatz von 4,5 Milliarden Euro die Nummer eins beim Versandhandel, gefolgt von H&M mit immerhin 3,07 Milliarden Euro Umsatz, zalando belegte kurz dahinter Platz drei. Am stärksten gewachsen in der Top Ten der Shoppingportale ist jedoch der chinesische Billiganbieter SHEIN – und damit allen beteiligten Online-Riesen dicht auf den Fersen: Das Unternehmen kletterte im Jahr 2023 im Ranking von Platz elf auf Platz sieben. Sicherlich ein wichtiger Grund für zalando und ABOUT YOU, ihre Kräfte zu bündeln, um in Zukunft besser gegen die chinesischen Online-Versender SHEIN, aber auch Temu bestehen beziehungsweise ihnen mehr entgegensetzen zu können.

Die beiden asiatischen Unternehmen setzen ihre Konkurrenz in Europa also ordentlich unter Druck, indem sie den Wettbewerb mit ihren Billigproduktionen und den Direktlieferungen aus chinesischen Fabriken ständig verschärfen. Sie arbeiten dabei nicht nur mit extrem niedrigen Preisen, sondern fertigen „on demand“ – das heißt, sie fahren ihre Produktion erst dann hoch, wenn Teile auch entsprechend nachgefragt werden. Eine Dienstleistung, die auch ABOUT-YOU-Chef Tarek Müller unlängst für das neue Jahr angekündigt hatte, sicherlich ein weiteres Argument für zalando, sich den kleineren Konkurrenten einzuverleiben. Dabei mag ein direkter Vergleich zwischen den deutschen und den chinesischen Shoppingportalen zunächst einmal gar nicht gelingen. Die Qualitätsansprüche und Preisvorstellungen der Zielgruppen von SHEIN und Temu im Vergleich zu denen von zalando und ABOUT YOU scheinen sich vielmehr auf zwei völlig unterschiedlichen Levels zu befinden. Hat man Angst, dass sich die Käuferschaft in nicht allzu weiter Zukunft immer mehr von etablierten Brands ab- und chinesischer Billigware zuwenden wird?

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Branchen- und Wirtschaftsexperten geben jedenfalls an, die Fusion der beiden deutschen Online-Häuser sei längst überfällig gewesen, um zumindest in Europa SHEIN und Temu etwas geballtere Power entgegensetzen zu können. Hinzu kommt für zalando und ABOUT YOU ein Problem, das die gesamte Branche umtreibt: Da die großen Marken sich inzwischen in allen Online-Versandhäusern finden, ist auch auf dem heimischen Markt die Konkurrenz groß. Außerdem stellt sich die Frage, wie sich die otto group nun neu strategisch aufstellen wird, wenn sie mit ABOUT YOU eine Plattform, die eher die junge Käuferschaft bediente, an den größten Konkurrenten verkauft.

Fest steht: Alle Beteiligten müssen sich Gedanken machen, wie sie in Zukunft auf die wachsende Billigkonkurrenz aus China reagieren – der Kauf von ABOUT YOU könnte für zalando dabei ein wichtiger Mosaikstein sein. Das kleinere Shoppingportal bringt nämlich nicht nur 12 Millionen Kunden und Kundinnen sowie ein gutes Standing auf dem osteuropäischen Markt mit, sondern ist vor allem im Tech-Bereich sehr gut aufgestellt – ein Bereich, in dem zalando noch Nachholbedarf hat, vor allem, um wie geplant das B2B-Geschäft mit anderen Händlerinnen und Händlern ausbauen zu können.

Insgesamt sollte man sich bei den deutschen Versandhäusern vermehrt auf die Kompetenzen konzentrieren, die man den chinesischen Billigportalen wirklich entgegensetzen kann, und diese weiter ausbauen, vor allem in der Kommunikation: Qualität der Ware, kürzere Lieferketten, besserer Kundenservice und damit insgesamt erheblich nachhaltigere Unternehmensphilosophien. Auch wenn der Zusammenschluss von zalando und ABOUT YOU definitiv ein Schritt in Richtung Monopolisierung des deutschen Online-Handels ist, ist er hoffentlich gleichzeitig einer gegen mit Giftstoffen kontaminierte Billigware und menschenunwürdige Produktionsbedingungen in Fernost.