Bitte keine rosa Brille!

Markus Oess ©FT

Das Jahr 2024 endet so, wie es keiner braucht. Es herrschen Kriege, Menschen hungern und irgendwie ziehen am globalen Himmel Gewitterwolken auf, die eine militärische Auseinandersetzung auslösen und die ganze Welt in den Abgrund reißen können. Mit den besten Grüßen vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem chinesischen Machthaber Xi Jinping und den anderen Diktatoren in unserer aufgerüsteten Welt. Auf der anderen Seite des Atlantiks kommt eine unfassbar erstarkte US-Regierung an die Macht, die bis in die unteren Ebenen hinein alle politischen und öffentlichen Ämter mit Getreuen besetzt. Mit einem autokratischen, rechtskräftig wegen Betruges und sexuellen Missbrauchs verurteilten Straftäter, der meint, mit Geld und Macht ließe sich alles und jedes rechtfertigen. Und das macht es besonders schwierig: Diese Leute wurden mit deutlicher Mehrheit gewählt. Die Sehnsucht nach dem starken, weißen, alten Mann geht um. An seiner Seite der reichste Mann der Welt, mit genau den gleichen Charaktereigenschaften – nur, dass er noch gefährlicher ist als Trump, denn er ist leider noch deutlich jünger und kann somit noch erheblich mehr Schaden anrichten. Die Klimaerwärmung auf mehr als 1,5 Grad lässt sich wohl nicht mehr stoppen, mit allen bekannten Folgen. Generell scheint Umweltschutz global immer kleiner geschrieben zu werden.

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Unsere Regierung endet mit einem lauten Krach, den eine Partei ganz offensichtlich von geplant und vorangetrieben hat: Ex-Finanzminister und „Lagen“-Mensch Christian Lindner und seine FDP. Es geht mir nicht um die grundsätzliche politische Ausrichtung der FDP, aber ohne jetzt noch mal alle Details wieder aufzurollen, verstehe ich nicht, warum es professionell sein sollte zu tricksen, zu täuschen und sich nicht an fest vereinbarte Abmachungen zu halten – und auch noch die Öffentlichkeit dreist zu belügen. Das ist schlechter Stil und kann auch nicht damit entschuldigt werden, sich auf alle Eventualitäten vorbereiten zu wollen. Auch die FDP hatte alle Möglichkeiten, diese Koalition offen zu beenden. Warum kam also kein Misstrauensvotum, wo blieb die klare Kante, von der Lindner immer noch so gerne spricht? Dann hätte keiner etwas gegen den Bruch sagen können, wenn die politischen Vorstellungen so über Kreuz liegen. War halt nicht. Aber kein Schwamm drüber, denn es kommen Neuwahlen, die in ostdeutschen Verhältnissen enden können – mit einem Parlament, in dem auf Bundesebene Alice Weidels AfD mit einem Wählervotum ausgestattet ist wie Björn (Neonazi-)Höckes AfD in Thüringen. Die Existenz des Bündnis Sarah Wagenknecht auf der anderen Seite des politischen Spektrums macht es nicht eben besser.

Und dann sind da noch die volkswirtschaftlichen Strukturprobleme Deutschlands, die endlich angepackt werden müssen: Infrastruktur, Gesundheitswesen, Bildung. Eine Exportwirtschaft, die zwar bewährt ist, aber langfristig nicht zukunftssicher. Deutschland hat schlicht von der Substanz gelebt. War ja auch bequem so. Zukunftsorientierung sieht anders aus. Wir müssen Geld in die Hand nehmen und jetzt die Weichen stellen. Die genannten Probleme endlich angehen und lösen. Von der schwachen Binnenkonjunktur und der hochgekochten Flüchtlingskrise ganz zu schweigen.
Und das kostet Geld. Jeder sinnesbegabte Volkswirt betont, dass die Schuldenbremse dringend reformiert werden sollte. Der Ex-Wirtschaftsweise Prof. Dr. Peter Bofinger zum Beispiel rechnet vor: „Bei einem realen Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent pro Jahr und einer Inflationsrate von 2 Prozent würde die Schuldenquote von derzeit 63 Prozent auf 67 Prozent steigen.“ Weit weniger als die USA, Frankreich oder UK. Wohlgemerkt, Bofinger spricht von 1 Billion Euro (!) für die nächsten zehn Jahre und fordert den Mut der Politiker, wieder in großem Maßstab zu denken (taz vom 13.12.2024).

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Trotzdem nützt es nichts niederzuknien, die Arme um den Kopf zu schlingen und laut „Krise!“ zu schreien. Erstens wird sich damit auch nichts ändern, zweitens gibt es genug zu tun – und die Zeit drängt. Also, jede Stimme zählt. Sorgen wir als Erstes für politisch stabile Verhältnisse mit Parteien, die sich auf dem Boden der Verfassung bewegen. Jeder Einzelne von uns ist gefordert, Verantwortung zu übernehmen. Verabschieden wir uns vom lähmenden Krisenmodus und gestalten wir aktiv die Zukunft dort, wo wir gestalten können: in der Familie, die wir haben, in der Gesellschaft und dem Umfeld, in dem wir uns bewegen, und in den Unternehmen, in denen wir arbeiten. Dazu braucht es Zuversicht, denn wer nicht an Veränderung zum Guten glaubt, wird keinen Versuch starten, etwas zu ändern. Die rosarote Brille sollten wir wohlweislich dennoch in der Schublade lassen, denn für das, was vor uns liegt, brauchen wir Durchblick.

In diesem Sinne wünschen wir, das ganze Team von FASHION TODAY MEN, ein frohes Fest, schöne Feiertage und kommen Sie und Ihre Liebsten gut ins neue Jahr 2025.

Ihr
Markus Oess