Warum Verstehen so wichtig ist

Social Media

Die Modelle der generativen KI werden die Bereiche der Kultur und der Kreativität entscheidend verändern. Ihr Einsatz wird völlig neuen Möglichkeiten der Werbung führen. © Clker Free Vector Images auf Pixabay

Autor: Markus Oess
Prof. Dr. Ralph-Miklas Dobler spricht im FASHION-TODAY-Interview über die Entwicklung sozialer Medien, die Macht der künstlichen Intelligenz und wie beides unser Bild von Realität und Wahrheit beeinflusst. Der Experte erläutert aber auch, welche Chancen und Risiken digitale Technologien für unsere Gesellschaft bereithalten und warum der denkende Mensch trotz aller technologischen Fortschritte unverzichtbar bleibt.

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Prof. Dr. Ralph-Miklas Dobler

FASHION TODAY: Herr Prof. Dobler, seit wann sprechen wir eigentlich von sozialen Medien, wie sahen die Anfänge aus?
Prof. Dr. Ralph-Miklas Dobler: „Wenn wir heute von sozialen Medien sprechen, meinen wir landläufig digitale Medien, über die im globalen Internet unterschiedliche Informationen zwischen den Nutzerinnen und Nutzern ausgetauscht werden können. Diese Onlinedienste werden in der Regel von privatwirtschaftlichen Unternehmen betrieben. Ihre Anfänge reichen in die 1990er-Jahre zurück, der Durchbruch erfolgte allerdings im 21. Jahrhundert durch das Aufkommen der Smartphones und des mobilen Internets. Zu den frühesten Beispielen gehören die bekannten Plattformen facebook und Twitter (jetzt X).“

Welche Kanäle sind die wichtigsten?
„Gegenwärtig dürften Instagram und TikTok die wichtigsten Kanäle sein, wobei gerade TikTok in den letzten Jahren einen beachtlichen Aufstieg gemacht hat. Beide Plattformen zeichnet eine vorwiegend jüngere Nutzergruppe aus. Nach wie vor sind die Nutzerzahlen jedoch auch bei facebook recht hoch, sie sinken allerdings speziell im jüngeren Segment.“

Welche Kanäle werden die Zukunft ausmachen?
„Das ist schwer vorherzusagen, da Weiterentwicklung und Neuentwicklung von Plattformen in großer Geschwindigkeit voranschreiten. Alles deutet darauf hin, dass KI-Modelle künftig eine immer größere Rolle spielen werden. Zudem zeichnet sich in den letzten Jahren ab, dass die Kommunikation über Bilder und Videos immens an Bedeutung gewinnt. Reiner Text wird in Zukunft eine geringe Rolle spielen und wahrscheinlich wird auch die Sprache zugunsten visueller Eindrücke in den Hintergrund treten.“

Wie funktionieren soziale Medien eigentlich, gibt es ein Grundmuster und wie sieht dieses aus?
„Soziale Medien sind im Unterschied zu allen bisherigen Medien – also etwa Radio, Fernsehen, Zeitung, Bücher – in hohem Maß interaktiv. Nutzerinnen und Nutzer können untereinander in Kontakt treten und auf gesendete Informationen direkt reagieren oder diese weiterleiten. Darüber hinaus zeichnen soziale Medien eine ungemeine Geschwindigkeit sowie eine weitgehende Grenzenlosigkeit aus, was eine enorme Reichweite zur Folge hat. Schließlich ist der Zugang niederschwellig – ein Smartphone mit Datenvolumen genügt – und die Plattformen sind rund um die Uhr erreichbar.“

Wie sollten Unternehmen die sozialen Medien für ihre Zwecke einsetzen, gibt es eine Art Kodex und welche rechtlichen Grenzen sind da gesetzt?
„Es gibt mehrere Kodexe, die sich verschiedene Institutionen und Organisationen selbst gegeben haben. Eine verbindliche Vorgabe, welche Informationen gesendet werden sollen und welche nicht, gibt es allerdings nicht. Eine solche wäre in Anbetracht der globalen Vernetzung in zahlreiche Länder und in Anbetracht der Meinungsfreiheit in Deutschland auch schwer durchzusetzen. Dennoch sind die rechtlichen Grenzen natürlich durch die Paragrafen des Grundgesetzes oder etwa des Strafgesetzbuches gesetzt. Wie Unternehmen soziale Medien einsetzen, kann daher nicht pauschal beantwortet werden. Sinnvoll ist es sicher, die Trends, den Zeitgeist und die gesellschaftliche Entwicklung im Auge zu behalten. Gegenwärtig sind Werte wie Diversität, Nachhaltigkeit oder Inklusion maßgeblich.“

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Wo hört für Sie die legale Werbung auf und wo beginnt die Manipulation?
„Werbung wird illegal, wenn sie gegen geltendes Recht verstößt. Wichtiger im Kontext von Werbung ist jedoch (schon immer) die moralische Seite. Was kann und darf Werbung zeigen und wo wird Werbung anstößig oder sogar verletzend? Dies ist ein schwieriger Drahtseilakt, da Aufmerksamkeit vorzugsweise durch Emotionen geweckt wird. Insofern ist Werbung auch grundsätzlich manipulativ. Die Empfängerinnen und Empfänger sollen ja auf Produkte und Dienstleistungen nicht nur aufmerksam gemacht werden, sondern in Anbetracht einer Vielfalt an Angeboten von dem einen passenden Anbieter überzeugt werden.“

„Gerade die Tatsache, dass soziale Medien und KI privatwirtschaftlich betrieben und global verbreitet sind, erschwert die Reglementierung und Ahndung erheblich.“

Wird die KI den vielfach beschworenen Quantensprung wirklich bringen?
„Ja, es sieht ganz danach aus. Vorzugsweise die aktuellen Modelle der generativen KI werden die Bereiche der Kultur und der Kreativität entscheidend verändern. Ihr Einsatz wird zu ganz neuen Möglichkeiten der Werbung führen, von der Zielgruppenanalyse bis zur Herstellung passender Kampagnen. Vor allem die Chancen im Bereich der schöpferischen Herstellung von Bild und Film, aber auch Musik und Text werden die Zukunft bestimmen.“

Jedes Werkzeug kann zum Nutzen und zum Schaden der Menschen eingesetzt werden. Wie ist da die KI zu bewerten, was wird kommen?
„Das ist aktuell noch offen. Sicher ist, dass KI in beide Richtungen genutzt werden kann, Beispiele dafür gibt es zur Genüge. Wie die KI-Modelle gestaltet und entwickelt werden, welche Grenzen von staatlicher Seite gesetzt werden müssten und welche Freiheiten nicht zuletzt der ökonomische Einsatz benötigt, sind Diskussionen, die bereits geführt werden. Da die innovative Technologie jedoch mit größter Sicherheit nicht wieder verschwinden wird, ist man gut beraten, möglichst positiv und offen die Einsatzmöglichkeiten im Sinne einer gesellschaftlichen Nachhaltigkeit voranzutreiben.“

Immer noch steht am Ende der Entscheidung der denkende Mensch. Wie kann sich der Rezipient vor ungewollter oder schlimmer noch unentdeckter Manipulation schützen?
„In der Tat ist es der entscheidende Unterschied, dass die KI-Modelle nicht wie Menschen denken können und genau genommen auch nicht sollen. Allerdings kommunizieren sie mit Menschen in immer besserer und überzeugenderer Weise. Hier müssen die Bildung und die Weiterbildung reagieren, indem Nutzerinnen und Nutzern das Potenzial der sozialen Medien an sich und der künstlichen Intelligenz im Speziellen veranschaulicht wird. Die ungemein schnelle Entwicklung und Verbreitung erschweren dies jedoch. Letztlich muss ein Verständnis für die Bedeutung von Wahrheit, Erkenntnis und Verlässlichkeit im digitalen Zeitalter gefördert werden.“

Sollten in der Folge soziale Medien und der Einsatz von KI stärker als bisher reglementiert und Verstöße konsequenter geahndet werden – und wie kann das gerade auf internationaler Ebene durchgesetzt werden?
„Gerade die Tatsache, dass soziale Medien und KI privatwirtschaftlich betrieben und global verbreitet sind, erschwert die Reglementierung und Ahndung erheblich. Auch hier wäre es sinnvoller, auf eine nachhaltige und sinnvolle Nutzung sowie ein tieferes Verständnis für die Technologie zu setzen. Schließlich ist jede Regulierung insbesondere in einer Nation wie Deutschland, die, was Digitalisierung und Einsatz von künstlicher Intelligenz angeht, nicht unbedingt zur Weltspitze zählt, aus wirtschaftlicher Sicht problematisch.“

Zur Person

Prof. Dr. Ralph-Miklas Dobler ist Professor für Kunst- und Medienwissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften München. Mit einer umfassenden akademischen Laufbahn, die ihn unter anderem an die Freie Universität Berlin und die Universität Bonn führte, konzentriert sich Prof. Dobler in seiner Forschung auf Bildwissenschaft, kulturelles Erbe, soziale Medien, künstliche Intelligenz und visuelle Kommunikation. Zu seinen Aufgabenbereichen zählen die Koordination von Forschungsprojekten sowie die Tätigkeit als IT- und Marketing-Beauftragter. Seine akademischen Wurzeln liegen in der Kunstgeschichte und Medienwissenschaft und er verfügt über umfassende Forschungserfahrungen, die er unter anderem am Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom gesammelt hat.