Vertrauen schenken

Kommunikation

„Um zu überleben, musst du das Plätzchen, das für kleine Fachhändler noch übrig ist, richtig bespielen.“ Raimar Bradt, Inhaber von eRBe in Fürth. © Banditbloggers/Fred Bschaden

Autorin: Eva Westhoff
Ein Herzbluteinzelhändler sei er, sagt Raimar Bradt von sich selbst. „Mode, Nachhaltigkeit & geiler Scheiß“, das sind die drei Pfeiler seines Einzelhandelskonzeptes, davon kündet ein Schriftzug auf einem der Schaufenster seines Ladens. Der Mitbegründer von bubeundkönig in Nürnberg hat sich 2022 mit eRBe einen Wunsch erfüllt: seinen Anspruch eines Sortiments überwiegend made in Germany in seiner Heimatstadt Fürth zu leben. Hier, in der zentralen Königstraße, stehen nun Mens- und Womenswear im Fokus, die traditionelles Handwerk hochhalten, gefertigt aus ausgewählten, hochwertigen Materialien. Ehrlichkeit und Qualität des Produktes seien ihm genauso wichtig wie der persönliche Kontakt zu den Menschen, die dahinterstehen, so Raimar Bradt. Der Mann hat eine Mission und um diese zu verfolgen, ist ihm jedes Mittel recht: auch Social Media.

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„Eine Reihe von Kunden, die regelmäßig auf Instagram schauen, was es so Neues gibt, bestellt ja auch anschließend bei mir“, sagt Raimar Bradt. alle folgenden Fotos ©Oliver Pohlmann

FASHION TODAY: Im Online-Modehandel sind soziale Medien bedeutsame Marketing-Instrumente und teils auch Verkaufsplattformen. eRBe verkauft nur wenige, ausgewählte Teile im Onlineshop. Weshalb nutzt du dennoch Social Media? Wie kann ein stationärer regionaler Laden wie eRBe davon profitieren?
Raimar Bradt: „Das Angebot im eRBe-Onlineshop beschränkt sich auf Kleinigkeiten und Accessoires, etwa einen Geldbeutel, Caps oder Bauchtaschen. Dinge, die eigens für meinen Laden produziert sind und die keiner komplexen Beschreibung bedürfen – die der Kunde bestellt, weil er genau weiß, was er bekommt, und die er dann auch meist nicht zurückschickt. Einen größeren Onlinehandel hatte ich nie im Sinn. Ich bin ein Herzbluteinzelhändler und habe aus diesem Grund meinen Job gelernt. Und mein Laden läuft auch ohne Onlineshop. Aber Instagram und andere soziale Medien nutze ich konsequent und schon lange, einfach, um mich zu vernetzen. Und wenn einer meiner Kunden etwas auf Instagram gesehen hat, was ihm gefällt, verschicke ich es auch schon mal.“    

Welche Social-Media-Kanäle und Formate nutzt du und warum genau diese?
„Am wichtigsten für mich ist Instagram, das ist mein Hauptkanal. Aber ich nutze auch LinkedIn, TikTok, facebook und habe WhatsApp mit Status. Mit den Inhalten, die ich für Instagram erstelle, bespiele ich dann auch die anderen Kanäle, um mit einem Post, einer Story, einem Reel einfach noch mehr und unterschiedliche Leute zu erreichen. Auf Facebook sind zum Beispiel eher die Älteren und mit manchen Kunden trete ich vor allem über WhatsApp in Kontakt. Meist waren die dann aber vorher schon drei-, viermal bei mir im Laden und wir haben die Nummern ausgetauscht.“

„Mode, Nachhaltigkeit … 

Was ist der Vorteil von Instagram – auch im Vergleich zu TikTok?
„Das Publikum, das du über TikTok erreichst, ist natürlich viel jünger und auf TikTok werden die Inhalte so breit gestreut, dass ich sage: Okay, das geht dann oft auch an meiner Zielgruppe vorbei. Ich erreiche auf Instagram einfach viel mehr potenzielle Kunden oder auch Leute, mit denen ich bereits vernetzt bin. Gestern kam allerdings ein Kunde rein, der kannte mich über TikTok. Doch das kommt eher selten vor. Die meisten, die auf die Ansprache über Social Media reagieren, sagen: ‚Ich folge dir über Instagram.‘ Ich finde trotzdem: Die fünf Minuten mehr Zeitaufwand für TikTok sind gut investiert.“

Für deine Social-Media-Beiträge modelst du oft selbst. Warum?
„Weil ich meistens auch allein im Laden stehe und dann kann ich für Content eben mal die Kamera in die Hand nehmen. Außerdem glaube ich, dass mich viele meiner Kunden als Persönlichkeit wahrnehmen, als Raimar. Wenn sie mein Gesicht sehen, stellen sie sofort die Verbindung zum Laden her, anders, als wenn ich ein Model fotografiere oder filme. Gerade bei einem kleinen stationären Laden wie eRBe besteht die Kunst für mich darin, dass deutlich wird: Dahinter stehe ich. Die Person dort auf Instagram entspricht mir als realer Person und von den Produkten im Laden bin ich, Raimar, überzeugt.“

Wie wichtig ist es für dich als Händler hochwertiger Mode made in Germany, die Geschichte hinter den Produkten zu erzählen, und wie transportierst du die Story auf Social Media?
„Die Story, die ich auf Instagram spiele, ist auch die Story, die ich im Laden transportiere, dann eben nur direkt von Mensch zu Mensch. Ich finde es wichtig, die Qualität der Produkte zu erklären. Zu zeigen, wo und wie sie hergestellt wurden, welche Kultur dahintersteht und welche Menschen. Speziell, wenn ich diese Menschen persönlich kenne und sie mit Spaß bei der Sache sind. Gerade habe ich in Zusammenarbeit mit der SCHUHMANUFAKTUR NÜRNBERG als Hommage an meine Heimatstadt Fürth einen Schuh mit Kleeblatt an den Start gebracht. Die Schuster sind Freunde von mir, produziert wurde der Schuh in Nürnberg. Das Leder habe ich in Bayern gekauft, da war ich selbst vor Ort, um es abzuholen. Auf Instagram findet sich nun zum Beispiel ein Video, das mich in der Manufaktur zeigt – eine solche Story erzähle ich immer auch gerne online.“    

„Du musst dauerhaft dranbleiben.“

Wie baut man eine wirkungsvolle Onlinepräsenz auf? Lässt du dich hier auch beraten – oder machst du einfach?
„Ich habe Social Media schon immer genutzt, privat und im Business. Man muss sich da etwas aufbauen und ich mache das jetzt seit 20 Jahren. Im Kern geht es darum, dass die Leute dir Vertrauen schenken und wissen: Wenn der Raimar sagt, das ist Qualität, dann ist es Qualität. Wer die Betreuung seiner Social-Media-Kanäle nur mit Unterstützung von außen stemmen kann, für den kann es schwierig werden. Du musst ja dauerhaft dranbleiben – sonst hast du die gleiche Situation, wie wenn du dich im Fitnessstudio anmeldest und nach vier Monaten bloß noch die Beiträge zahlst. Und wenn du eine Agentur mit der Arbeit betraust, geht das schnell auf Kosten der Authentizität.“

Wie viel Zeit nimmt die Pflege deiner Social-Media-Profile in Anspruch?
„Ich würde sagen, dass ich in die Social-Media-Arbeit täglich im Schnitt eine halbe Stunde investiere. Aber der Zeitaufwand ist für mich nicht entscheidend, sondern, dass es mir Spaß macht.“

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Wie wirkt sich deine Social-Media-Präsenz auf den Umsatz aus? Kannst du den Erfolg messen, gibt es direkte Reaktionen?
„Auf jeden Fall. Und die werden natürlich von Jahr zu Jahr mehr, weil der Kreis der Leute, die ich über Social Media erreiche, immer größer wird. Dadurch, dass ich so spitze Ware verkaufe, auch mit Blick auf das Preissegment, kann ich schon sagen, dass es funktioniert, andernfalls würde mein Laden weniger gut laufen. Und eine Reihe von Kunden, die regelmäßig auf Instagram schauen, was es so Neues gibt, bestellt ja auch anschließend bei mir.“

… & geiler Scheiß“

Beobachtest du Trends in den sozialen Medien, die für den stationären Modeeinzelhandel relevant sind?
„Die Social-Media-Landschaft und Nutzung der sozialen Medien verändern sich natürlich. Früher war facebook stärker, dann wurde Instagram wichtiger. Trends an sich interessieren mich aber nicht, ich mache es nach Bauchgefühl. Allerdings halte ich meine Augen und Ohren immer offen. Und ich sage niemals nie. Als Selbstständiger musst du einfach bereit sein, dich weiterzuentwickeln.“

Du hast eine klassische Ausbildung im Einzelhandel genossen. Was bedeutet Kundenpflege für dich?
„Kundenpflege ist im stationären Handel das Wichtigste und gerade für kleine Händler essenziell. Und für die gibt es im Markt immer Platz, wenn sie ihren Job richtig machen – wenn sie Qualität bieten und die Kunden über Kundenpflege zusammenhalten. Um zu überleben, musst du das Plätzchen, das für kleine Fachhändler noch übrig ist, richtig bespielen. Indem du deine Erfahrung in die Waagschale wirfst und durch die Arbeit, die du da reinsteckst.“

Bietest du eine Stilberatung?
„Ja, jeden Tag. Jeder, der zu mir in den Laden kommt, bekommt diese Beratung – dafür ist der Fachhandel da. Ich vergebe auch individuelle Beratungstermine. Und es gibt Kunden, die ich per Live-Video auf Instagram berate, sollte es ihnen mal nicht möglich sein, persönlich im Laden vorbeizuschauen.“

Dein Fokus liegt aber auf der Vor-Ort-Beratung.
„Grundsätzlich ist das mein Job und das ist auch das, was mir am meisten am Herzen liegt. Mir macht es Spaß, im Laden zu stehen und die Leute zu beraten. Und alles drumherum auf Instagram und Co, das ist schön und das nehme ich gerne mit. Über Social Media läuft ja auch Kundenpflege.“

Du empfiehlst stationären Einzelhändlern also, auf Social Media präsent zu sein?
„Wenn man authentisch bleibt und es gerne macht, dann ja. Wenn man es macht, weil man es machen muss, kommt es schnell gestellt rüber und schreckt womöglich eher ab. Wichtig ist, dass du Herzblut reinsteckst – dass die Leute sich damit wohlfühlen und das gleiche gute Gefühl haben, wie wenn sie zu dir in den Laden kommen.“

https://www.instagram.com/raimarbradt/

Zur Person

Nach einer Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann beim Denim-Spezialisten CRÄMER & CO und dem Aufstieg zum Abteilungsleiter gründet Raimar Bradt 2013 zusammen mit Steven Kautler und Sandro Nuzzo bubeundkönig am Obstmarkt in der Nürnberger Innenstadt. Bald machen sich die drei Freunde einen Namen als Herrenausstatter für hochwertige Männermode made in Germany, dann auch für ausgewählte Womenswear. Nach der Eröffnung von eRBe 2022 – der Name des Ladens geht auf Raimar Bradts Initialen zurück – zieht sich Bradt operativ aus bubeundkönig zurück, ist aber noch immer Gesellschafter. Die Liste der Marken und Hersteller, die eRBe führt, reicht von BLAUMANN, Brütting und Bullani über HILTL und Merz b. Schwanen bis zu der antagonist. aus Heidelberg und Max Pötzelberger, Maßschneider auf St. Pauli.