Wer hätte das gedacht? Die Welt ist nach den US-Wahlen eine andere. Die USA driften ab in Richtung Oligarchie, sagt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Und während sich die USA in Richtung stramm rechts von der bisherigen politischen Weltordnung verabschieden, fällt auch hierzulande die Regierung auseinander. Zu den Ursachen und den Folgen daraus wurde schon hinlänglich kommentiert. Aber einen Punkt will ich dennoch herausstellen: Mit den Neuwahlen drohen instabile Mehrheitsverhältnisse. Alle Parteien, die sich auf dem verfassungsrechtlichen Boden verorten, sollten sich darüber im Klaren sein, dass dieses Land nach den Neuwahlen auch unregierbar werden könnte, wenn dabei Ergebnisse herauskommen wie nach den jüngsten Landtagswahlen in Ostdeutschland – mit einer AfD als zweitstärksten politischen Kraft oder noch schlimmer als stärksten Kraft in einem Parlament, das keine starke Bundesregierung hergibt, die von demokratischen Parteien gestellt wird. 42 Prozent der Befragten der Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 finden, dass sie hierzulande funktioniert. Ich finde das alarmierend, denn das heißt, dass schon jetzt die Mehrheit der Deutschen Probleme mit unserer Demokratie hat. Addiere ich die Wählerstimmern der aktuellen Umfragen vom linken und vor allem rechten Rand zusammen, komme ich leider zum gleichen Ergebnis. Und das ist beileibe kein ostdeutsches Phänomen. Auch in Westdeutschland wächst die Anhängerschaft der AfD deutlich.
Verstehen kann ich das nicht, denn wir leben in der besten Staatsform, die es gibt. Es gibt faire, geheime Wahlen und Meinungsfreiheit. Das System ist rechtssicher und es gibt klare Regeln des Zusammenlebens, an die sich alle zu halten haben. Warum also hat die Mehrheit der Deutschen aufgehört, das zu verstehen und vor allem zu verteidigen? Wer Extremisten wählt, teilt auch extremistisches Gedankengut. Eine Erklärung sind neben disruptiven Krisen oder tief verwurzelter Xenophobie der vermeintliche Kontrollverlust und eine dumpfe, nicht klar formulierte Angst vor der Zukunft. Da kann eine starke Führungsgestalt/Partei schon beruhigen.
Mit sozialen Medien lassen sich genau diese Ängste potenzieren. „Alternative Wahrheiten“ werden von den Usern erst gar nicht mehr hinterfragt. Soziale Medien sorgen dank Algorithmen und KI dafür, dass den Usern nur solche verstärkenden Inhalte ausgespielt werden. Ein Blick in die USA, besonders auf Truth Social und X, und auf die Wahlkampfstrategie der AfD in Ostdeutschland, die über Social Media gezielt junge Wähler eingefangen hat, zeigt: Es wirkt. Natürlich ist es Quatsch, soziale Medien und KI zu verteufeln. Im Gegenteil. Mit einem Skalpell kann man Menschenleben retten oder zerstören. Es kommt immer auf den Menschen an, der es benutzt. Auch mit den sozialen Medien und der KI verhält es sich so. Und aus der Welt bekommt man beide sowieso nicht, auch nicht mit Wegbeten. Wir müssen lernen, damit umzugehen, und wir müssen verstehen. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, das zum Schwerpunktthema zu machen, um zumindest Schlaglichter darauf zu werfen. Wir haben Prof. Dr. Ralph-Miklas Dobler nach dem langfristigen Einsatz von sozialen Medien gefragt und wie sie wirken. Mirko Torbrügge, Head of Sales & Marketing bei hachmeister + partner, erklärt, welcher Kanal sich für welche Zielgruppe und Botschaften eignet. Wir haben mit dem Juristen Prof. Dr. Daniel Antonius Daniel Hötte über KI und Urheberschutz gesprochen. Wir haben den Islamwissenschaftler Prof. Dr. Idris Nassery interviewt, wie er es hält mit dem Glauben und der KI, mit Gott 2.0.
Wir haben außerdem bei den zwei Labels, LUSH und IvanaHelsinki, nachgefragt, warum sie sich den sozialen Medien verweigern. Wir werfen einen Blick auf TikTok. Wir schauen uns in Malmö nach den coolen Menswearläden um. Und wir haben wieder unsere traditionellen Plattentipps. Hören Sie mal rein.
Ihr
Markus Oess