Autor: Andreas GrüterHerzlich willkommen zur Oktoberausgabe unserer „Auf ein Kaltgetränk mit …“-Reihe. Mein heutiger Gast ist Julian Daynov, seines Zeichens Visionär, Trendscout, Fashion Director, Kurator und Hansdampf in allen Modegassen. Bei einem frisch gepressten Orangensaft unterhielten wir uns über Alltagsrituale, Kindheitserinnerungen und die harte Währung Zufall. Read on …
FASHION TODAY: Schnaps, Bier oder Limo – was darf ich dir anbieten?
Julian Daynov: „Bei Getränken habe ich immer ein paar Extrawünsche. Entweder einen frisch gepressten Orangensaft oder ein Infused Water. Das ist übrigens alles, was ich trinke.“
Worauf trinken wir?
„Auf das ziemlich ereignisreiche Fashionjahr 2024. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten über Insolvenzen und der allgemeinen Überlebenskämpfe in der Branche müssen wir uns allerdings das ein oder andere schöntrinken. Was mein persönliches Modejahr betrifft, kann ich mich jedoch nicht beschweren und sage ‚Cheers to that – it’s been a good one!‘“
Du hast dich für eine berufliche Laufbahn in der Fashionbranche entschieden. Gab es für den Teenager Julian Daynov alternative Pläne?
„Ich glaube, nicht so wirklich. Der Kiddo-Julian wäre gerne Rennfahrer geworden, aber als aus dem Kid ein Teenager wurde, waren das Fashion Business und die Lifestyle-Industrie das einzig interessante Ziel.“
Wenn du an deine Kindheit denkst, gibt es einen Moment, der deine heutige Persönlichkeit besonders geprägt hat?
„Ich habe nur schöne Erinnerungen an meine Kindheit. Meine Familie ist viel gereist und ich war ständig von bunten Vögeln umgeben. Meine Eltern hatten einen wirklich coolen Freundeskreis – Kunstschaffende, Designerinnen und Designer, Business People. Ich durfte von klein auf am Tisch der Erwachsenen sitzen und mich mit allen unterhalten. Ich war nie nur das Kind. Diese Begegnungen, die Offenheit anderen gegenüber, die Neugierde auf Menschen, Storys, Talente, Erfahrungen prägen mich bis heute.“
Welche Lebensphase würdest du als besonders intensiv beschreiben?
„Meine Studienzeit und die ersten Jahre im Job. Es war schon ziemlich spooky, plötzlich mit etwas Geld zu verdienen, was ich gerne mache und vorher auch nie als mögliche Ertragsquelle gesehen habe.“
Was war der mutigste Schritt, den du in deiner Karriere gemacht hast?
„Mit einem eigenen Unternehmen an den Start zu gehen und Jobs einfach so zu kündigen, weil ich die Werte und die Art der Kommunikation einfach nicht mehr mochte.“
Welchen Einfluss haben Rituale oder Routinen in deinem Alltag?
„I’m all about flow than about routine! Mein Leben ist ein geordnetes Chaos. Ich finde leider weder die Zeit noch den Raum für Rituale und Routinen, auch wenn ich es mir immer wieder vornehme. Wenn ich schon mal die ganze Palette einer properen Skincare-Routine durchmache, zählen für mich Erfolg und Beständigkeit als Routine. Und irgendwie mag ich mein Leben so, weil mir nie langweilig wird. ich liebe es, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen und dabei immer hellwach und wie elektrisiert zu sein. Tja, mal sehen, wie lange das mein Hirn mitmacht …“
Was ist deine größte Angst?
„Menschen zu verlieren, die ich liebe, sowie keine Kontrolle über Situationen zu haben. Und natürlich weltliche Dinge wie Kriege und Naturkatastrophen. Oh, und ich habe richtig Angst vor Schlangen.“
„Was ich jedoch immer sehr schätze, sind Höflichkeit, Offenheit und Freundlichkeit.“
Gibt es eine Fähigkeit oder ein Talent, das du gerne hättest, aber nie erlernt hast?
„Oh ja, ich hätte gerne Klavierspielen gelernt. Ich glaube, an Talent hätte es nicht unbedingt gefehlt, eher an Geduld; Geduld war irgendwie nie meine stärkste Eigenschaft, schon seit meiner Kindheit nicht.“
Gibt es ein gesellschaftliches Problem, das dir besonders am Herzen liegt?
„Oh Lord, wo fange ich da nur an …“
Gibt es eine Eigenschaft, die du an anderen Menschen besonders bewunderst?
„Das variiert je nach Situation. Manchmal bewundere ich den Ehrgeiz und die Non-Fucks-Given-Attitüde von Menschen, dann aber erscheinen sie mir zu vulgär und unreflektiert. Was ich jedoch immer sehr schätze, sind Höflichkeit, Offenheit und Freundlichkeit.“
Wofür würdest du dich entscheiden: ein Jahr ohne Internet oder ein Jahr ohne Musik?
„Also, bei mir läuft Musik ausschließlich übers Internet, so no loss at all.“
Welche Rolle spielen Zufälle in deinem Leben und deinem Erfolg?
„In meinem beruflichen Kontext waren fast alle Begegnungen pure Zufälle, die sich dann zu spannenden und ereignisreichen Abenteuern entwickelt haben. Was die Erfolge betrifft: Es mag sein, dass die Basis meines Erfolgs das Resultat einer Verkettung glücklicher Zufälle ist. Um diese allerdings zu einem echten Erfolg zu machen, habe ich nichts dem Zufall überlassen. Es war und ist immer das Ergebnis harter Arbeit.“
Was glaubst du, worüber würdest du dich in zehn Jahren amüsieren, wenn du auf heute zurückblickst?
„Bestimmt über den Teil der Antworten, wo es um die Zufälle und Erfolge im Leben geht. Wer weiß, vielleicht werden meine Erfolge von nun an ja ausschließlich über Zufälle und weniger über die bislang damit einhergehende harte Arbeit kommen.“
Wenn du dein Leben in einem einzigen Bild zusammenfassen müsstest, was wäre darauf zu sehen?
„Oh, das ist eine wirklich spannende Frage. Es wäre auf jeden Fall eine Mixed Media Collage aus Werken vieler verschiedener Künstler. Etwas Abstraktes mit einem Klecks Farbe; mal Kandinsky, mal Miró, mal ein Fragment aus einem Bauhaus-Poster, hier und da etwas Verschmiertes, aber irgendwo wäre auch etwas vom ,Schrei‘ von Munch zu sehen.“
Welchen Ratschlag würdest du deinem jüngeren Ich geben?
„Lerne, geduldig zu sein, und höre auf dein Herz und dein Hirn statt immer auf deine Eltern.“