Autorin: Katja VadersWährend in Wirtschaft und Politik immer noch kein Konsens zu einer bindenden Frauenquote besteht, zeigt das Unternehmen VAUDE, dass es durchaus möglich ist, eine Führungsetage zu haben, in der die Hälfte weiblich ist. Geschäftsführerin Dr. Antje von Dewitz erzählte uns, wie man eine diverse und gleichberechtigte Unternehmenskultur lebt – und dass dies eigentlich ganz einfach ist.
FASHION TODAY: Frau von Dewitz, wie haben sich die Anteile von männlichen und weiblichen Führungskräften in Ihrem Unternehmen in den letzten Jahren entwickelt?
Dr. Antje von Dewitz: „Wir haben seit vielen Jahren um die 45 Prozent weibliche Führungskräfte.“
Woran liegt das? Gibt es eine Frauenquote bei VAUDE?
„Wir haben vor rund 15 Jahren damit begonnen, unsere Kultur und unsere Rahmenbedingungen bewusst so zu gestalten, dass wir einer möglichst großen Vielfalt an Menschen ermöglichen und sie ermutigen, Führungsverantwortung bei uns zu übernehmen. Wir folgen damit unserer Überzeugung, dass wir langfristig am erfolgreichsten und innovativsten sind, wenn wir möglichst viele verschiedene Perspektiven in unserem Wirtschaften, unseren Teams und eben auch in unserer Führungsmannschaft berücksichtigen.
Grundlage dafür ist unsere Vertrauenskultur, die dazu beitragen soll, dass sich alle Mitarbeitenden individuell entfalten können, dass wir wertschätzend miteinander umgehen und dass jede und jeder die gleichen Chancen hat, egal welches Geschlecht, Persönlichkeit, Herkunft, Hautfarbe et cetera. Auch das Bewusstsein, dass die Stärken verschiedener Persönlichkeiten ein Team bereichern, haben wir bewusst geschärft. Dazu haben wir uns eine Kultur aufgebaut, die dazu beiträgt, dass sich Beruf und Familie beziehungsweise Privatleben gut vereinbaren lassen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist das Verhältnis von Frauen in Führung bei uns quasi automatisch immer größer geworden.“
„Wir legen generell Wert auf divers zusammengesetzte Teams…“
Was halten Sie persönlich von einer Frauenquote?
„Da Frauen in verantwortungsvollen Positionen, zum Beispiel in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft, immer noch unterrepräsentiert sind, bin ich für eine Frauenquote. Wir sehen ja, dass sich auf freiwilliger Grundlage leider zu wenig tut. Das liegt auch daran, dass es eben nicht reicht, ein paar Rahmenbedingungen einzuführen, sondern dass eine Kultur geschaffen werden muss, in der Frauen Verantwortung übernehmen wollen. Und diese größeren Veränderungen erreichen wir aus meiner Sicht nur mit konkreten strategischen Zielsetzungen, sprich einer Frauenquote. Auch wenn ich es mir anders wünschen würde.“
Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass erst seit einigen Jahren vermehrt Frauen in Führungspositionen aufsteigen?
„Zum einen gibt es mehr und mehr Unternehmen, die einen kulturellen Wandel anstoßen und sich stärker für Diversität, Work-Life-Balance und so weiter engagieren. Dies liegt auch daran, dass die junge Generation diese Werte immer stärker einfordert und sich auch bei der Wahl des Arbeitsplatzes daran orientiert. Zugleich wird es für junge Menschen immer selbstverständlicher, dass Frauen Verantwortung übernehmen, dass sich beispielsweise Paare die Familienverantwortung teilen.“
Gibt es Ihrer Meinung nach Bereiche, in denen die Männer besser performen als Frauen – und umgekehrt? Gibt es also genderspezifische Eigenschaften?
„Wir legen generell Wert auf divers zusammengesetzte Teams, wobei wir nicht nur das Geschlecht, sondern auch Faktoren wie Persönlichkeit, Herkunft oder Alter berücksichtigen. Denn jede und jeder bringt ihre beziehungsweise seine wertvollen Erfahrungen und Kompetenzen ein.“
Haben Sie Ihre Unternehmensstrukturen angepasst, damit sie familienfreundlicher werden und somit mehr Raum für Frauen in Führungspositionen lassen? Wie sehen solche Anpassungen konkret aus?
„Im Rahmen unserer nachhaltigen Transformation haben wir auch eine neue Kultur geschaffen und die Rolle der Führungskräfte verändert, vom Entscheider hin zum Rahmengeber oder Coach. Auf diese Weise ermutigen wir alle Mitarbeitenden dazu, Verantwortung zu übernehmen und selbstwirksam zu agieren. Mit unserer Vertrauenskultur haben wir einen Rahmen geschaffen, in dem wir wertschätzend miteinander umgehen und alle Perspektiven gehört werden. Nach unseren Erfahrungen haben Frauen in einem solchen Umfeld mehr Bereitschaft, eine Führungsposition zu übernehmen. Hinzu kommen konkrete Maßnahmen, die das Vereinbaren von Beruf und Privatleben erleichtern: flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten et cetera.“
Was kann oder muss sich Ihrer Meinung nach ändern, um das Verhältnis von Frauen und Männern ohne Quote anzugleichen?
„Vor allem das Bewusstsein, dass dies eine strategische Aufgabe im Unternehmen ist und es halt nicht der Personalabteilung überlassen werden kann, ,einfach mehr Frauen einzustellen‘. Zum Erfolg gehört damit die eigene Überzeugung im Unternehmen, dass es eben nicht nur eine Pflicht ist, sondern vor allem auch erfolgsrelevant.“
Vielen Dank für das Gespräch.
Hintergrund
Dr. Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin der nachhaltigen Outdoormarke VAUDE in Tettnang. Nach ihrem Studium der Wirtschafts- und Kulturraumstudien an der Universität Passau war sie bei VAUDE zunächst als Produktmanagerin, später als Verantwortliche für die Kommunikation tätig. Von 2002 bis 2005 promovierte und arbeitete sie am Stiftungslehrstuhl Entrepreneurship der Universität Hohenheim. 2005 wurde sie Marketingleiterin bei VAUDE und übernahm 2009 die Geschäftsführung von ihrem Vater und VAUDE-Gründer Albrecht von Dewitz.