Autor: Maximilian FuchsBettina Grüninger ist Studienleitung und seit 2023 Geschäftsführerin der Akademie TEXOVERSUM LDT Nagold. Bereits seit dem Beginn ihrer Karriere ist sie in der Modebranche verwurzelt und sorgt heute mit ihrem Team aus 35 Dozentinnen und Dozenten dafür, dass die Fachkräfte von morgen bestens in Mode- und Textilmanagement ausgebildet werden. Der persönliche Austausch und die Verbindung von Theorie und Praxis sind dabei elementar, wie sie im Interview berichtet.
FASHION TODAY: Frau Grüninger, bitte erzählen Sie uns etwas über Ihren persönlichen und beruflichen Werdegang. Was hat Sie besonders geprägt auf ihrem Weg in der Fashion-Industrie?
Bettina Grüninger: „Ich bin seit 1988 in der Modebranche tätig. Damals habe ich nach meinem Abitur eine klassische Ausbildung bei der Firma Leffers in Bonn absolviert. Wir haben dort schnell viel Verantwortung übernommen, wurden aber stets unterstützt. Es war manchmal ein ,Sprung ins kalte Wasser‘, aber das Unternehmen hat großen Wert darauf gelegt, dass uns die Personalabteilung während der gesamten Ausbildungszeit intensiv begleitet. Wir hatten regelmäßige Gespräche und sehr engagierte Abteilungsleiter, die uns in allen Belangen unterstützt haben. Das waren wertvolle Jahre, die mich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weitergebracht haben. Für mich war es wichtig, auch mal herausgefordert zu werden. Nach dem ersten Jahr wurde ich daher in eine Abteilung versetzt, die als besonders anspruchsvoll galt: die Wäsche- und Miederwarenabteilung. Später habe ich dann beschlossen, meinen Weg weiterzugehen. Ich war als Studentin an der LDT Nagold und bin nach meinem Fashion-Management-Abschluss in die Industrie gewechselt. Ich hatte das große Glück, immer hervorragende Vorgesetzte zu haben, die mich gefordert und gefördert haben, sei es im Bereich Brand Management oder in anderen Positionen. Ein prägender Moment für mich war eine abteilungsübergreifende Seminarreihe, die wir mit dem Unternehmen gemacht haben. Es ging darum, Visionen für die Zukunft zu entwickeln. In diesem regelmäßigen Austausch habe ich wahnsinnig viel gelernt.
Ich hatte sowohl männliche als auch weibliche Vorgesetzte, die mich auf meinem Weg inspiriert haben. Eine Chefin hat mir damals im Jahr 1993 ermöglicht, trotz meiner Festanstellung einen Tag in der Woche freigestellt zu sein, um als Dozentin zu unterrichten. Das war für mich eine großartige Erfahrung, denn so konnte ich mein Wissen weitergeben und gleichzeitig selbst noch dazulernen. Dieser Schritt war der Beginn meiner Tätigkeit als Dozentin. Ich konnte die Praxis, die ich in der Branche gesammelt hatte, direkt in den Unterricht einfließen lassen, was für mich immer von großem Wert war. Die Modebranche kann manchmal ein hartes Pflaster sein. Ich erinnere mich noch gut an Kollektionsübergaben in Düsseldorf, die bis tief in die Nacht gingen, weil es Spannungen zwischen Designern und der Geschäftsführung gab. Aber solche Erfahrungen haben mir geholfen, in der Branche zu bestehen und die menschliche Kommunikation zu schätzen.“
Seit 2023 sind Sie Studienleiterin der TEXOVERSUM LDT Nagold. Was zeichnet die Akademie Ihrer Meinung nach besonders aus?
„Unsere Akademie legt großen Wert auf Praxisnähe. Etwa 25 Prozent des Curriculums bestehen aus sogenannter ,Warenkunde‘, also dem Verständnis für Materialien, Produktionsprozesse und Qualität. Unsere Studierenden lernen von Grund auf, welche Stoffe es gibt, wo Biobaumwolle angebaut wird und was man daraus machen kann. Unser Fokus liegt dabei nicht auf Design, sondern auf der Produktbewertung und -entwicklung. Wir sind stolz darauf, dass unsere Studierenden praktische Erfahrungen sammeln und sich intensiv mit den Materialien auseinandersetzen. Dies gibt ihnen die nötige Grundlage, um später fundierte Entscheidungen im Berufsleben zu treffen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir auf Präsenzlehre setzen. Für uns ist es essenziell, dass die Studierenden nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch soziale Kompetenzen im Umgang miteinander entwickeln. Unsere Lerngruppen sind bewusst klein gehalten, um diesen persönlichen Austausch zu fördern. Wir bieten eine duale Ausbildung sowie ein Vollzeitmodell an. Innerhalb der Klassen entwickeln sich während der Studienzeit enge Gemeinschaften, die oft auch nach dem Abschluss weitergepflegt werden.“
„Unsere Akademie legt großen Wert auf Praxisnähe.“
Wie gestaltet sich die Verbindung von Theorie und Praxis?
„Für uns ist die Verknüpfung von Theorie und Praxis enorm wichtig. Alle unsere Dozentinnen und Dozenten kommen aus der Praxis und sind auf Honorarbasis tätig. Sie bringen ihre Erfahrungen aus der Modebranche direkt in den Unterricht ein, halten Vorlesungen und haben dabei die Vorgabe, den Praxisbezug zu integrieren. Natürlich arbeiten sie nach einem Modulhandbuch, das genau vorgibt, welche Inhalte vermittelt werden sollen. In unserer Umstrukturierungsphase haben wir uns intensiv damit auseinandergesetzt, welche Lerninhalte relevant sind und was Platz für Neues machen muss. Unsere Dozenten haben Spielraum, den Unterricht zu gestalten und erlebbar zu machen – Frontalunterricht gibt es bei uns in Form von Lehrvorträgen. Die Vorlesungen sind interaktiv und wir beziehen die Studierenden immer mit ein. So stellen wir sicher, dass sie nicht nur passiv zuhören, sondern aktiv mitdenken und sich einbringen. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal und es ist uns enorm wichtig. Viele andere Studiengänge behaupten, sie würden Fashion Management unterrichten, aber in der Basis sind es oft eher BWL-Studiengänge mit ein oder zwei Einheiten im Bereich Mode. Bei uns geht es wirklich um das ,Anfassen‘ – man muss Produkte selbst erleben, um sie richtig beurteilen zu können. Deshalb ist es uns so wichtig, dass unsere Studierenden das Handwerkszeug von Anfang an lernen.
Unser Campus liegt zwar im eher ruhiger gelegenen Nagold, aber viele Studierende sagen: ,Es ist so schön und gemütlich hier zu studieren.‘ Unser Campus hat eine ganz besondere Atmosphäre und wir haben wohl eine der schönsten Mensen überhaupt: die TEXERIA. Sie ist das Herz unserer Schule, dort gibt es jeden Tag köstliches Essen. Hier finden auch Workshops und Teamarbeiten statt. Sie ist ein echter Wohlfühlort, der die Zusammenarbeit fördert. Auch Unternehmen aus der Region kommen gerne zum Mittagessen vorbei, so entsteht ein einzigartiges Konzept.“
Der Dialog zwischen Studierenden, Dozenten und Industrie ist also ein Schlüsselfaktor?
„Absolut! Als Dozent muss man dynamisch bleiben und sich an die jeweilige Klasse anpassen. Unsere Studierenden haben eine sehr ausgeprägte Feedback-Kultur. Sie möchten immer wissen, wie sie sich verbessert haben und was sie noch besser machen können. Das ist großartig, denn sie sind offen für Kritik und wollen wirklich dazulernen. Besonders im dualen Modell erhalten wir von den Unternehmen immer wieder die Rückmeldung, dass unsere Studierenden von Anfang an Verantwortung übernehmen und Aufgaben sofort anpacken können. In der Modebranche ist diese Hands-on-Mentalität extrem wichtig. Es gibt sogar Unternehmen, die fast enttäuscht sind, wenn ihre dual Studierenden in die Theoriephase zurückkehren, weil sie dann Ersatz für eine wertvoll gewordene Kraft schaffen müssen. Das zeigt uns, dass unsere Studierenden in der Lage sind, sich schnell einzugliedern, Projekte eigenständig umzusetzen und sich sowohl im Team als auch allein hervorragend zurechtzufinden.“
Haben Sie zum Abschluss eine Anekdote oder eine besondere Erinnerung, die Ihnen im Gedächtnis geblieben ist, wenn Sie an Ihre Arbeit mit den jungen Menschen denken?
„Oh, da gibt es viele Geschichten zu erzählen! Kürzlich kam beispielsweise ein Klassensprecher zu mir und meinte, die Gruppe würde gerne zur Pitti Uomo nach Florenz. Ich habe mit ihm gewettet, dass wir nicht mehr als 10 Studierende wären; am Ende waren wir mit 25 Personen auf der Pitti und ich habe ihm sein Abendessen als Wetteinsatz bezahlt. Es war eine fantastische Zeit und diese Anekdote zeigt, dass unsere Studierenden eine starke Eigeninitiative haben. Wenn sie etwas wirklich wollen, setzen sie es auch um.“
Vielen Dank für das Interview!