Goldenes Handwerk

Maßanfertigungen und Schuhmacherhandwerk

Obwohl maßangefertigte Schuhe meist sehr klassisch sind, versucht Nourredine Haj-Haddou bei seiner eigenen Marke Soulier D’Or Trends mitzudenken: Schuhe aus Leder, kombiniert mit einer bequemen Sneakersohle aus Kunststoff: „Auf diese Art kann ich als klassischer Schuhmacher auch auf Trends reagieren.“ Alle Fotos ©Soulier d’Or

Autorin: Katja Vaders
Für den Schuhmacher Nourredine Haj Haddou bedeutet sein Handwerk Leidenschaft und Familientradition. In seiner Werkstatt in Düsseldorf-Pempelfort repariert und restauriert er nicht nur, es entstehen vor allem rahmengenähte Schuhe sowie Maßanfertigungen unter seinem eigenen Label „Soulier d’Or“. Mit diesem Portfolio ist Haj Haddou einer der letzten seines Fachs in ganz Deutschland. FT erklärte er, wie ein Maßschuh entsteht, warum er eine gute Investition ist und wie es im Zeitalter von Fast Fashion um seine Zunft steht.

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Der Schuhmacher Nourredine Haj-Haddou ist Meister und betreibt einen Laden mit angeschlossener Werkstatt in Düsseldorf-Pempelfort. Für ihn bedeutet sein Beruf Leidenschaft.

FASHION TODAY: Herr Haj Haddou, Sie sind bereits seit über 30 Jahren Schuhmacher, außerdem produzieren Sie Maßanfertigungen unter Ihrem eigenen Label „Soulier d’Or“ (Goldener Schuh) in Ihrer Werkstatt in Düsseldorf. Erzählen Sie bitte von Ihrer Arbeit!
Nourredine Haj Haddou:Es gibt nicht mehr viele Schuhmacher wie mich in Deutschland. Wir sind zwar Maßanfertiger, verkaufen aber gleichzeitig Schuhe in Maßkonfektion: Das bedeutet, unsere Kunden können sich ihr eigenes Schuhwerk kreieren und suchen sich dazu ein Schuhmodell, das Material, die Tiefe und Art der Besohlung – von Premiumleder bis Gummi – aus. Man kann beispielsweise aus verschiedensten Lederarten wählen. Außerdem habe ich meine eigene Schuhmarke ,Soulier d’Or‘ und bin der einzige Schuhmacher in Düsseldorf, der klassische, rahmengenähte Schuhe für Damen fertigt.“

Neben der Produktion von Schuhen machen und reparieren Sie auch Maßanfertigungen.
„Das ist richtig. Ich bin einer von zwei Restauratoren in ganz Deutschland der Firma Alden, das heißt, ich verkaufe nicht nur deren Schuhe, sondern restauriere sie auch. Außerdem bin ich Hausschuhmacher der Firma RED WING SHOES, für die gibt es mit mir nur fünf Restauratoren in ganz Deutschland.“

Lohnt es sich, Schuhe restaurieren zu lassen?
„Es haben mir schon Kunden 30 Jahre alte Schuhe zur Reparatur gebracht. Nach der Restaurierung sehen sie wieder aus wie neu und halten weitere 30 Jahre. Sie müssen das in der Relation sehen: Zunächst ist so ein Schuh eine kostenintensive Anschaffung, die sich aber schon nach wenigen Jahren ausgezahlt hat, sozusagen eine Investition fürs Leben.“

„Ein Paar Herrenschuhe in der Mache.“

Welche Arbeitsschritte müssen Sie für die Fertigung eines Schuhs ausführen?
„Nachdem ein Kunde sich ein Modell und das Material ausgesucht hat, nehme ich seine Maße. Bei der Leisten-Chaussierung sind das Weite, Breite, Tiefe, Rist, Umfang, Mittelfuß … Anschließend stelle ich eine passende Leiste her. Anhand dieser wird ein Probeschuh entwickelt, den der Kunde anprobieren kann. Erst wenn er zufrieden ist, beginnen wir mit den Schäften, die dann komplettiert werden. Der Schuh muss ganz genau sitzen – man muss reinschlüpfen und sich sofort wohlfühlen.“

Das hört sich sehr aufwendig an. Wie lange dauert die Herstellung?
„Ein durchgenähter Schuh, das ist eine Kategorie unter dem Maßschuh, dauert in der Herstellung ungefähr 64 Stunden. Ein rahmengenähter Schuh, also die Königsklasse, dauert in der Produktion 94 bis 120 Stunden.“

Wie sind Sie zur Schuhmacherei gekommen?
„Der Beruf hat in meiner Familie Tradition. Mein Vater hat mit Leder gehandelt und auch mein Bruder arbeitet als Schuster. Ich habe meinen Meister als Schuhmacher gemacht. Inzwischen arbeite ich schon seit 34 Jahren in dem Beruf, seit 16 Jahren betreibe ich meine Werkstatt in Düsseldorf-Pempelfort.“

Wenn ich mich in Ihrem Laden umschaue, sehe ich vor allem sehr klassische Schuhmodelle. Stellen Sie auch Maßanfertigungen her, die aktuellen Trends folgen?
„In unserem Bereich der Schuhmacherei gibt es erst einmal keine Trends, wir setzen auf Klassiker. Wenn mir ein Kunde allerdings ein Modell zeigt, das er gerne haben möchte, kann ich natürlich auch das umsetzen. Aber: Wenn man sehr viel Geld in einen Schuh investiert, sollte er nicht unbedingt Trends unterworfen sein. Ich empfehle eher ein klassisches Modell, das man dann aber individuell in der Maßanfertigung an die Wünsche des Kunden anpassen kann.“

Ich gehe davon aus, dass sich individuelle Wünsche vor allem auf die Materialien beziehen. Mit welcher Art von Ledern arbeiten Sie, spielen Bio und Nachhaltigkeit eine Rolle? Und verarbeiten Sie auch extravagante Lederarten wie Reptil?
„Heutzutage sind Themen wie Gerbungsart oder die verwendeten Chemikalien sehr wichtig. Ich könnte natürlich günstiges Leder aus Indien oder China beziehen, tue es aber nicht. Meine Kunden zahlen für das beste und bequemste Material, daher achten wir sehr darauf, wo wir unsere Leder herbekommen. Es sollte fair gehandelt und ohne die Zusätze von Chemikalien sein. Das Rohprodukt gibt sonst Stoffe, mit denen es bearbeitet wurde, an die Haut ab. Wenn das Leder also mit Chemie bearbeitet wurde, kommt es unter Umständen zu Allergien, Blasen oder Hornhaut …“

Da die Anschaffung von handgefertigten Maßschuhen sehr kostenintensiv ist, liegt der Fokus auf klassischen Schuhmodellen wie diesen Budapestern.

In Ihren Schuhen läuft man sich keine Blasen?
„Nicht, dass ich wüsste … (lacht) Ein Lederprodukt eines beliebigen Schuhproduzenten reißt, unsere Leder nicht. In der Maßanfertigung wird hauptsächlich Kalb genutzt, da es sehr anpassungsfähig ist. Wir verwenden italienisches Nobelleder, für Herrenschuhe arbeiten wir meist mit Bockkalb, können aber auch Softkalb, Scotch Green in drei verschiedenen Prägungen oder Nappa und viele andere Lederarten besorgen. Wenn der Kunde möchte, arbeiten wir aber auch mit zertifiziertem Reptilleder, Elefant, Krokodil oder Nilpferd.“

Werden diese exotischen Leder wirklich nachgefragt? Das ist ja schon ziemlich extravagant … Haben Sie zum Beispiel schon einmal Schuhe aus Nilpferdleder gefertigt?
„Nein, noch nie, aber mein Lieferant hat es im Portfolio. Krokodil wird jedoch immer mal wieder nachgefragt.“  

Gibt es auch die Möglichkeit, vegane Schuhe anzufertigen?
„Das ist eher schwierig, weil gute Qualität von veganem Leder zu dick ist. Aber wir arbeiten inzwischen mit Fischleder aus Lachs oder Rochen.“

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Wir leben zwar im Zeitalter von Fast Fashion, dennoch setzen immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher auf Nachhaltigkeit und Qualität. Sehen Sie in diesem Zusammenhang einen Trend zum handgefertigten Schuh?
„Der Trend liegt schon einige Jahre fast ausschließlich beim Sneaker – das war und ist für uns Schuhmacher eine schwierige Entwicklung. Zu gewissen Anlässen kann man aber meiner Meinung nach nicht mit Sneakern auftauchen – in der Oper, bei Hochzeiten oder im seriösen Business.
In meinen Laden kommen glücklicherweise nicht nur Kunden aus Düsseldorf, sondern aus ganz Deutschland, den Beneluxländern, manchmal auch aus Russland oder Katar. Meine internationale Kundschaft schätzt unser Angebot sehr, zu dem ein guter Service und eine ausführliche Beratung gehören.“

Es kommen aber auch Kundinnen und Kunden aus der Nachbarschaft …
„Ja, wir bieten nämlich auch Reparaturen an, sind allerdings kein Schnellservice. Für mich ist wichtig, dass sich eine Reparatur lohnt und ein Schuh danach wieder aussieht wie neu, das ist unser Anspruch. Und: Ich repariere auch Schuhe, die in der Anschaffung nicht so teuer waren, und nehme dafür die gleichen Preise wie ein ganz normaler Schuster, denn ich möchte auch die direkte Nachbarschaft als Kunden gewinnen.“
Hinzu kommt, dass ich mich auf die Restaurierung von Designerschuhen für Frauen spezialisiert habe – ob von MANOLO BLAHNIK, Christian Louboutin oder MIU MIU, JIMMY CHOO, HERMÈS … Wir haben hier übrigens die klassischen roten Sohlen von Louboutin auf Lager und wenn wir so einen Schuh repariert haben, garantiere ich meinen Kundinnen, dass er wieder aussieht wie neu. Die Reparatur dauert nur zwei Wochen, ohne Warteliste wie beim Hersteller. Diesen Service nutzen Damen aus ganz Deutschland, die mir ihre Schuhe zur Reparatur per Post zuschicken.“

Reparieren statt wegwerfen

Nachhaltigkeit ist Ihnen offenbar sehr wichtig. Gibt es trotzdem Schuhe, die Sie nicht reparieren, weil es sich nicht mehr lohnt?
„Die gibt es natürlich auch – manche Schuhe kann man einfach nicht mehr reparieren. Trotzdem möchte ich mein Bestes versuchen.“

Sie haben gerade gesagt, dass der Sneaker-Boom das Schuhmacherhandwerk verändert hat. Trendforscher hingegen läuten schon das Ende des Hypes ein, es soll vielmehr ein klassischer Herrenschuh zurückkommen, der sich allerdings die Bequemlichkeit des Sneakers zunutze macht. Können Sie auf diesen Trend reagieren?
„Absolut – mit meiner eigenen Marke Soulier d’Or. Diese Entwicklung habe ich mitgedacht und einen Klassiker aus Leder mit einer bequemen Sneakersohle aus Kunststoff kombiniert. Auf diese Art kann ich als klassischer Schuhmacher auch auf Trends reagieren. Das Problem bei den gängigen Sneakern ist, dass sie geschweißt sind und sich diese Naht irgendwann auflöst. Aber auch da komme ich ins Spiel, indem ich versuche, sie zu reparieren. Meine Kunden bringen mir dementsprechend auch immer häufiger Sneaker für eine Reparatur.“

Auf Ihrer Website ist zu lesen, dass Ihnen die Beratung Ihrer Kunden sehr wichtig ist. Wie kann man sich diese vorstellen?
„Wir beginnen meist mit dem Anzug, zu dem der Kunde einen Schuh kombinieren möchte. Die Beratung fing ja schon beim Herrenausstatter an, die ich fortführe, indem ich bei der Auswahl einer Farbe unterstütze. Dazu schaut man sich die Farbtabellen der verschiedenen Lederarten an und sucht dann gemeinsam etwas Schönes für einen maßgefertigten, passenden Schuh aus.“

Sie legen sehr großen Wert darauf, die individuellen Wünsche Ihrer Kunden zu erfüllen. Würden Sie dennoch auch abraten – beispielsweise, wenn jemand rote Krokodilschuhe zu einem blauen Hochzeitsanzug kombinieren möchte?
„Rote Krokodilschuhe sind zwar möglich, in diesem Fall würde ich aber tatsächlich abraten. Es gibt nun einmal kein Krokodilleder in Rot. Natürlich kann man es einfärben, aber das wäre eine Schande für das wertvolle Naturprodukt.“

Nourredine Haj-Haddou ist der einzige Schuhmacher in Düsseldorf, der klassische, rahmengenähte Damenschuhe fertigt.

Sie haben zu Beginn unseres Gespräches erwähnt, dass es Schuhmacher wie Sie nur noch wenige gibt. Wie steht es um die Zukunft Ihres Handwerks, insbesondere, was den Nachwuchs angeht?
„Ich bin im Vorstand der Schuhmacher-Innung Düsseldorf-Mettmann und weiß daher, dass das Thema Nachwuchs schwierig ist.“

Wie entwickelt sich Ihrer Meinung nach der Schuhmarkt insgesamt?
„Schuhe sind so günstig geworden, dass man sie für eine gewisse Zeit trägt und sie dann einfach wegschmeißt. Diese Billigware hat Schattenseiten: Wer sie trägt, muss mit Allergien rechnen, einem Hallux valgus, mit Krankheiten und Deformationen des Fußes. Das bedenken viele Kunden leider nicht, wenn sie Schuhe kaufen, die sie nur wenige Wochen tragen und dann entsorgen. Hinzu kommt, dass es alles andere als rentabel ist, sich sechs Paar Schuhe im Jahr zu leisten. Zusammengerechnet ergibt das fast die gleiche Summe, die man ausgibt, wenn man sich ein Paar Schuhe in Maßkonfektion kauft – das dann aber 30 Jahre hält.“

Befürchten Sie, dass Ihr Handwerk irgendwann ausstirbt?
„Natürlich. Ich arbeite in meiner Werkstatt mit einem erfahrenen Gesellen zusammen, den ich im Ausland rekrutieren musste – in Deutschland konnte ich keinen finden. Das ist wirklich zum Heulen! Wissen Sie: Ich repräsentiere meine Zunft, ich liebe und lebe meinen Beruf! Und dazu gehört für mich auch ganz viel Vertrauen, das die Kunden in mich haben sollen; dass ich meine Arbeit vernünftig mache. Sie sollen einen Wow-Effekt erleben, ich möchte sie glücklich machen mit meinem Service und dem Produkt, dass ich ihnen biete. Das macht für mich mein Handwerk aus.“  

Ich wünsche Ihnen noch ganz viele zufriedene Kunden und danke für dieses sehr interessante Gespräch!  

www.soulier-dor.com/

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