Das Ende des Sneakerhypes?

Kommentar

Katja Vaders

Autorin: Katja Vaders
Wenn ein Fashion-Magazin wie wir in diesem Monat eine Ausgabe über Schuhe macht, ist es schier unmöglich, um das Thema Sneaker herumzukommen. Dabei bemerkte ich in unserer Redaktionskonferenz relativ schnell, dass ich eigentlich viel mehr an Schuhthemen interessiert bin, die nichts mit dem allgegenwärtigen Sportschuh zu tun haben. Ich bin sicherlich nicht das einzige Redaktionsmitglied, das bereits unzählige Texte geschrieben hat, die sich mit Sneakern befassten. Und auch wenn ich selbstverständlich gleich mehrere Paare des zugegebenermaßen extrem bequemen sowie oft stylishen Allrounders besitze, scheinen mir die meisten Geschichten über ihn schon seit Längerem auserzählt.

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Erfunden wurde der Sneaker bereits im Jahr 1916 von der US Rubber Company, es dauerte allerdings einige Jahrzehnte, bis er seinen endgültigen Siegeszug vom Sportplatz auf die Straßen der Großstädte antrat und zum angesagten Lifestyle-Objekt avancierte. In den 1980ern war es nämlich extrem progressiv, dass der damalige Bundestagsabgeordnete Joschka Fischer mit Turnschuhen im Bundestag auflief. Selbst in den 1990ern und 2000ern war es noch ziemlich mutig und fashionable, wenn der Creative Director einer erfolgreichen Werbeagentur einen lässigen Cordanzug mit einem trendigen Sneaker für ein Meeting mit dem Kunden kombinierte.

Inzwischen tragen selbst Großväter Sneaker und niemand mehr rümpft die Nase, wenn der Bräutigam mit weißen Nikes auf seiner eigenen Hochzeit erscheint. Auch in der Oper oder auf dem roten Teppich sieht man sie, die Kombination aus Anzug und Turnschuh lockt niemanden mehr hinter dem Ofenrohr hervor; und in deutschen TV-Studios gab es während der Fußball-EM gefühlt keinen einzigen Kommentator oder Moderator, der nicht mit weißen Sneakern an den Füßen seine Expertisen zum Besten gab. Nicht zu vergessen die Luxus-Sneaker von BALENCIAGA, GUCCI oder PRADA für mehrere Hundert Euro … Langweilig! Wer heutzutage auffallen möchte, sollte besser im klassischen Loafer oder Budapester auf einer Party erscheinen.

Laut Statista wird in Deutschland im Jahr 2024 im Segment Sneaker dementsprechend mit einem Umsatz von etwa 2,61 Milliarden Euro gerechnet, der bis 2028 auf 3,20 Milliarden Euro steigen wird. Das entspricht einem jährlichen Wachstum von 5,23 Prozent. Gleichzeitig entwickelt sich aber auch der Absatz mit Lederschuhen wieder stärker mit einem prognostizierten jährlichen Umsatzwachstum von 2,55 Prozent.

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Das ist nicht nur im Sinne der Nachhaltigkeit durchaus positiv zu bewerten, wenn man beim Kauf eines Schuhs seine Reparaturfähigkeit im Hinterkopf behält. Auch Hybridschuhe erfreuen sich schon seit geraumer Zeit immer größerer Beliebtheit, in denen sich die Eleganz und die Hochwertigkeit eines klassischen Herrenschuhs mit der Bequemlichkeit eines Sneakers vereinen. Einige Experten und Expertinnen der Schuhbranche gehen inzwischen sogar davon aus, dass das Ende des Sneakerhypes in Sicht sein könnte.

Ist der Grund dieser Entwicklung vielleicht, dass es modebewusste Verbraucherinnen und Verbraucher endlich satthaben, das immer gleiche Schuhmodell, wenn auch in Variationen, zu tragen? Wirklich fashionable sind die meisten Sneaker nun wirklich nicht – ausgenommen vielleicht irgendwelche hochpreisigen Sammlerstücke, die ausschließlich in ausgewählten Sneaker-Stores verkauft werden. Doch auch die schlagen aktuell Alarm: Galten in deren Blase Sportschuhe viele Jahre als Spekulationsobjekt, beschweren sich nun immer mehr Händlerinnen und Händler, dass die Preise massiv eingebrochen seien. In den vergangenen Monaten meldeten gleich mehrere internationale Sneaker-Plattformen Insolvenz an oder entließen zahlreiche Mitarbeitende. Nike und adidas reagierten auf diese Entwicklung, indem sie bestimmte Modelle nur noch in limitierter Auflage auf den Markt brachten, um durch diese künstlich geschaffene Exklusivität deren Begehrlichkeit zu steigern. Ob derlei Strategien auch langfristig funktionieren können, wird sich zeigen.

Fest steht, dass die Schuhbranche noch so viel mehr zu bieten hat als den ewigen Sneaker. Und dass all die Loafers, Brogues, Chelseas, Herrenstiefel, Budapester, Oxfords oder Derbys vermehrt in der bequemen Hybridversion angeboten werden. Es geht also offenbar beides: weiterhin sportlich-flott unterwegs sein und gleichzeitig modisch Farbe bekennen – gerne wortwörtlich. Man darf gespannt sein, ob immer mehr modebewusste Männer ihre Sneaker zumindest ab und zu mal im Schrank lassen und stattdessen einen Herrenschuh-Klassiker zu ihrem Outfit kombinieren. Der Herbstanfang bietet definitiv eine passende Gelegenheit, neues Schuhwerk zu erwerben. Inspiration für ein entsprechendes Modell finden Sie vielleicht sogar in unserer aktuellen Ausgabe.