Autor: Markus Oess Seit April 2024 ist Michael Berngruber neuer Markenchef von CARL GROSS. Berngruber gilt als ausgewiesener Experte in der Business Wear. Die Marke und das Team, sagt Berngruber, habe er in guter Verfassung vorgefunden. Die Kollektion war im Großen und Ganzen noch unter seinem Vorgänger Thorsten Grönlund entstanden. Der Anzug lebt, die Formal Wear wird auch in Zukunft gekauft, allen Krisen und Casualisierung zum Trotz. Aber er muss sich weiterentwickeln und benötigt auch neue Impulse. Wie Berngruber die Marke CARL GROSS in die Zukunft führen will.
FASHION TODAY: Herr Berngruber, der Anzug hat nach den Monaten des Aufschwungs der zurückliegenden Monate nicht nur eine „Ruhephase“ eingelegt, sondern das Segment pendelt sich wieder auf ein niedrigeres Niveau ein. Richtig oder falsch?
Michael Berngruber: „Absolut richtig. Es gab nach Corona einen großen Nachholbedarf, aber dieser hat sich inzwischen aufgelöst und wir sind wieder auf einem vernünftigen Niveau angelangt.“
Wie sehen die Lagerbestände aktuell aus?
„Ich komme gerade aus einem Meeting, wir haben eine hohe Verfügbarkeit. Es ist ja auf der einen Seite ein langer Weg, bis das Produkt an der Stange hängt. Wir können es uns auf der einen Seite auch gar nicht leisten, das Lager herunterzufahren, aber auf der anderen Seite verlangt der Handel immer mehr und schneller neue Themen. Das heißt, hier müssen wir auch unser NOS entsprechend anpassen, agiler und schneller werden. Daran arbeiten wir gerade, wir werden den Anteil an Seasonal NOS erhöhen. Wir dürfen aber auch nicht die Wirtschaftlichkeit solcher Maßnahmen aus den Augen verlieren.“
Was verstehen Sie als Anzugspezialist unter Casualisierung und welche Antworten haben Sie darauf?
„Die Casualisierung ist schon seit Jahren im Gange, nicht erst seit Corona, das die Sache nur beschleunigt hat. Darauf müssen wir in der Kollektion auch mit neuen Angeboten antworten, aber am Ende des Tages hat der klassische Anzug immer noch einen hohen Umsatzanteil. Wir verkaufen immer noch viele Anzüge, müssen sie aber dafür auch neu interpretieren, etwa Overshirts in Kombination mit einer entspannten Hose. Auch hochwertige Anzüge laufen sehr gut. Wir gehen diesbezüglich neue Wege hin zum Modern Tailoring – eine tolle Herausforderung.“
BLACKLINE und …
In welchem Zustand haben Sie CARL GROSS bei Ihrem Start im April vorgefunden?
„Die Kollektion ist meiner Meinung nach top und das Team arbeitet auf einem hohen Niveau. Im Unternehmen bestand ja Bedarf, CARL GROSS auch gegenüber CG – CLUB of GENTS abzugrenzen und das Profil zu schärfen. Das ist gelungen.“
Wo soll die Marke künftig hin?
„Wir wollen die Kollektion noch ausgewogener und begehrlicher machen, über den Schnitt, über die Qualitäten und über die Passform. Wir haben inzwischen Strick abgestimmt auf den Look im Programm. Genau diesen Weg gehen wir weiter, CARL GROSS im Komplett-Outfit weiterzuentwickeln.“
Zwar gibt es erste Anzeichen einer Erholung des Konsums, aber tendenziell ordert der Handel doch vorsichtiger. Wie gehen Sie damit um?
„Ich habe die Kollektion in dieser Saison von meinem Vorgänger übernommen, als ich im April angefangen habe. Ich sehe aktuell drei Stellschrauben: Profil weiter schärfen, NOS wettbewerbsfähiger durchtakten, auch mit neuen Themen. Schließlich sollten wir unsere Agilität und den Mut behalten. Ganz klar, wir befinden uns in einem Verdrängungswettbewerb. Da kannst du nur wachsen, wenn du jemand anderem etwas wegnimmst. Wir sind ein verlässlicher Partner des Handels.“
Mit der BLACK LINE wurde in der Vergangenheit oben angebaut. Gleichzeitig haben kaufkräftige Konsumenten real vergleichsweise größere Einkommensverluste zu verkraften als die unteren Einkommen. Spüren Sie da eine Veränderung?
„BLACK LINE hat uns viel Imagegewinn im Inland beschert. Vor allem aber ist sie extrem wichtig für den Export, wo nicht so preissensibel eingekauft wird. Tatsache ist aber natürlich auch, dass im Premiumsegment die Bäume auch nicht mehr in den Himmel wachsen. Wir justieren von Saison zu Saison nach und das wird auch diesmal der Fall sein. Insgesamt bin ich aber mit der Entwicklung der BLACK LINE sehr zufrieden.“
… CONCEPT GREEN
Bleibt es bei den bestehenden Anteiligkeiten von BLACK LINE und der MAIN LINE sowie CONCEPT GREEN?
„Wir haben in der Kollektion drei Bausteine: MAIN LINE, BLACK LINE und CONCEPT GREEN. An den Anteiligkeiten MAIN LINE und BLACK LINE mit 70 zu 30 wird sich im Großen und Ganzen nichts ändern. Das ist bei CONCEPT GREEN, das inzwischen 50 Prozent der MAIN LINE ausmacht, anders. Wir wollen die gesamte Kollektion nachhaltig gestalten.“
Was kommt modisch?
„Grau und Schwarz dominieren die Farbpalette, ergänzt durch Beigetöne, Brauntöne, verschiedene Blautöne, Rosé und dunkle Beerentöne sowie Akzente in Grün. Leinen und Leinenmischungen prägen CARL GROSS und CONCEPT GREEN, Seide und Seidenmischungen die BLACK LINE. Highlights sind ein marineblauer Blazer aus reiner Seide und crispy Baumwollqualitäten, Seersucker und hochgezwirnte Wolle. Die Schultern werden weicher und runder. Wir bringen sommerlich halbgefütterte Anzüge, Hemdjacken in Leinenstruktur, voluminöse Revers und setzen einen Fokus auf Zweireiher. Die Schnitte bei den Hosen werden entspannter und wir betonen die Bundfalte. In der SAY YES Pre-Collection setzen wir Pastelltöne und Leinen ein.“
Hat sich die Präsenz auf der Pitti in Summe bezahlt gemacht?
„Absolut. Wir sind jetzt die dritte Saison auf der Pitti. Wir haben uns im April mit Dirk Schaal als Exportleiter verstärkt und wollen das Geschäft weiter internationalisieren. Die Pitti ist dafür die richtige Basis.“
Der Gesprächspartner
Michael Berngruber ist seit 1. April Division Head CARL GROSS innerhalb der Création Gross. Als Division Head trägt Berngruber die stilistische und kreative Verantwortung für die Kernmarke der Hersbrucker. Der Manager soll CARL GROSS inklusive der Sublabels BLACK LINE und CONCEPT GREEN weiter schärfen. Berngruber war zuletzt bei der Digel AG verantwortlich für Produkt, Marketing und Vertrieb. Weitere berufliche Stationen waren die CLINTON Großhandels GmbH, TOMMY HILFIGER und HUGO BOSS.