Frisches aus Florenz

Pitti Uomo #106

Es tut sich eine ganze Menge auf der Sommer-Pitti-2024. Die neuen weiteren Hosen, die wir den Italienern kaum zugetraut hätten, das Festival der gestrickten Polos mit viel Fantasie et cetera. ©Pitti Uomo

Autor: Markus Oess
Die 106. Ausgabe der Pitti Uomo in Florenz, die unter dem Motto „Pitti Lemon“ steht, zeigt sich von ihrer sonnigen Seite. Während das Wetter in Deutschland die Stimmung trübt, sorgt die Messe in Italien für gute Laune. Ein leichter Anstieg internationaler Käufer und zufriedene Aussteller prägen das Bild der diesjährigen Veranstaltung.

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©Pitti Uomo

In Florenz landen, aus dem Flieger steigen und die Sonne genießen. Die 106. Ausgabe der Pitti Uomo unter dem Slogan „Pitti Lemon“ passt diesmal besonders gut, denn das Stimmungsbarometer auf der Menswear-Messe zeigt nach oben, während in Deutschland das schlechte Wetter die Laune drückt. Die Resonanz ist positiv und die Aussteller sind zufrieden.

Die Florentiner Messe verzeichnete einen leichten Anstieg internationaler Käufer. Deutschland, die Niederlande sowie zentrale und nordeuropäische Märkte zeigen Wachstum. Frankreich, die USA und Großbritannien bestätigten ihre Zahlen, während Asien eine Erholung konsolidiert. Für italienische Käufer wird ein Rückgang erwartet. Insgesamt kamen rund 11.500 Einkäufer und mehr als 15.000 Besucher.

„Die ersten Daten zeigen“, berichtet Raffaello Napoleone, CEO von Pitti Immagine, dass nach dem deutlichen Anstieg im Juni 2023, um 20 Prozent gegenüber 2022, die Zahl der ausländischen Käufer leicht gewachsen ist und 5.300 Einheiten erreichten. Die Bestätigung internationaler Käufer – die den Markt machen und die Richtung vorgeben – ist ein wichtiger Indikator für Aussteller. Die Zahl der italienischen Teilnehmer hingegen sank um 7 Prozent, was jedoch angesichts der Schließung vieler Geschäfte in den letzten Jahren und des weniger dynamischen Trends des Binnenkonsums erwartet wurde. Man geht davon aus, dass eine entscheidende Erholung bis 2025 abgewartet werden muss.“

Kurz nach dem Ende dieser 106. Ausgabe erreichte die Gesamtteilnehmerzahl 11.500 Einkäufer, mit einem Auslandsanteil von 46 Prozent. Insgesamt überschritt die Besucherzahl in der Fortezza da Basso 15.000. „Die Qualität der Teilnehmer ist hoch“, fährt Napoleone fort, es sind die Besten, motiviert und mit dem Ziel, Kunden zurück in ihre Geschäfte zu bringen.“ Besonders hervorzuheben sind die Zuwächse in Zentral- und Nordeuropa sowie die Erholung in Asien und die beeindruckenden Leistungen in Märkten wie der Türkei und Kasachstan. Die 15 am stärksten vertretenen Auslandsmärkte waren: Deutschland, die Niederlande, Großbritannien, Spanien, Japan, die Türkei, die USA, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Belgien, Polen, Südkorea, Russland und China.

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Bei den deutschen Herstellern war die Zuversicht spürbar gestiegen. Die Zahl der Einkäufer habe nochmals zugenommen, auch von Händlern, die nach längerer Zeit wieder oder sogar zum ersten Mal einen Pitti-Besuch gemacht haben. So sagt Dirk Heper, Geschäftsführer von ETERNA, es habe sich schon jetzt als richtig erwiesen, mit der Premium-Linie 1863 nach Florenz zu kommen. Die Messe, so Heper, sei die Menswear-Plattform schlechthin, um national und international neue Kunden zu gewinnen und bestehende Geschäftsbeziehungen zu intensivieren. Umso erfreulicher sei es, gleich mit der ersten Bewerbung Teil der Pitti-Familie geworden zu sein. Schräg gegenüber vom ETERNA-Stand präsentiert sich TOM RIPLEY, eine Premium-Marke, die Wolfgang Müller gestartet hat. „Die Marke präsentiert Modern-Retro-Strickpolos und T-Shirts in allen Facetten“, führt Müller an. Dabei spiele ihm der aktuelle Trend zu Sommerstrick in die Hände. Die Messe, sagt Müller, sei deutlich besser als erwartet nach dem insgesamt doch etwas verhalteneren Januar. Müller will weitermachen. „Wir müssen noch sichtbarer werden als bisher schon. Kontinuität zahlt sich aus und auch von immer mehr namhaften Häusern spüren wir inzwischen Interesse.“

Bei OLYMP geht unterdessen die Kollektionsarbeit im Zusammenhang mit der Casualisierung weiter, berichtet Geschäftsführer Heiko Ihben. Die Resonanz aus dem Handel auf die Aktivitäten der Schwaben, um die Marke breiter aufzustellen, werde begrüßt, sagt Ihben. Auch er spricht von einer guten Pitti. Gleiches gilt für bugatti-CBO Florian Wortmann, der mit der Marke eigens in Florenz die ganze bugatti-Familie zu einer überaus sehenswerten Modenschau eingeladen hat. „Es ist ein tolles Erlebnis, alle Stakeholder, von der Unternehmerfamilie über die Mitarbeiter, die hier in Florenz mitgewirkt haben, bis zu unseren Händlern und Lizenznehmern bugatti zu feiern und den nächsten Schritt unserer Neuausrichtung unseres Markenauftrittes zu gehen. Die Sommer-Pitti ist in jeder Hinsicht ein Erfolg!“ DESOTO-Geschäftsführer Mario Zimmermann kann sich noch recht genau an die Anfänge des Jersey-Spezialisten erinnern. Damals war er noch nicht Geschäftsführer und damals gab es noch Redebedarf. „Heute können wir problemlos Hemden für weit über 100 Euro verkaufen. Wir sind die Spezialisten, die mit Druck eine Illusion verkaufen, die sämtliche Vorteile und Qualitätsansprüche eines gut gemachten Jersey-Hemdes auf sich vereinen. Die Marke hat eine tolle Entwicklung hinter sich.“

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©Pitti Uomo

Vertriebs-Chef Philippe Celeny zählt jedes Mal die Besuche auf seinem DIGEL-Stand in Florenz. Er sagt, es kämen auch Kunden, die Florenz früher eher gemieden hätten. Das zeige die wachsende Bedeutung der Messe im Handel, ganz egal ob in Deutschland oder im Ausland. Die Marschrichtung des gebürtigen Franzosen für DIGEL ist klar: 2023 ist das neue 2019. Früher habe er wie alle anderen auch das Vor-Corona-Jahr 2019 als Referenz genommen. Jetzt sei es das Rekordjahr 2023, das merklich über 2019 liege. Christian Fenske, Head of Design bei DRESSLER, muss sich bremsen, wenn er über die Kollektion spricht. Die Mode habe sich bereits deutlich modernisiert, ohne dabei die Grundaussage der Marke, die klassisch sei, zu verlassen. DRESSLER ist nach zehn Jahren Abwesenheit nun wieder zum zweiten Mal in Florenz dabei. Der richtige Schritt, sagt Fenske, man habe den Exportanteil bereits erhöht und wolle den Vorteil ausspielen, dass die Marke absolut hochwertig produziere, aber im Vergleich zur italienischen Konkurrenz deutlich preisgünstiger verkaufen könne.

Marco Lanowy befindet die Pitti als internationalen Treffpunkt der Branche und wie zum Beweis diskutiert er intensiv mit kanadischen Kunden, gibt ihnen Reisetipps. „Pitti ist gesetzt“, sagt er, was sollen wir noch groß erklären?“ Auch bei Création Gross ist die Zustimmung zur Messe zu spüren. Michael Berngruber, erst seit wenigen Monaten in Verantwortung für die Marke CARL GROSS, zieht am zweiten Tag der Messe ein gutes Fazit. Für ihn ist bei der Internationalisierung der Marke Florenz ein fester Fixpunkt. Die beiden Geschäftsführer Ralph Böhm und Dominik Gross betonen beide, dass es Herausforderungen gebe in der Branche und auch ganz allgemein. Man müsse mehr Einsatz bringen, um Ziele zu erreichen. Aber man müsse es eben tun. Umso besser, wenn dabei wieder die Sonne scheint, oder? In der kommenden FT-Ausgabe erscheint dann die modische Analyse der Messe.

Pierre-Louis Mascia: Eine Ode an die Freiheit bei Pitti 106

Autor Winfried Rollmann

Der französische Designer Pierre-Louis Mascia hat beim Pitti 106 erstmals eine Modenschau in Florenz inszeniert. Seine poetischen Drucke auf Seide wurden im Gewächshaus Trepidarium Giacomo Roster präsentiert und zeigten eine moderne, impressionistische Bohème. Mascia sieht sich von Kandinsky inspiriert. „Die Kollektion ist eine Ode an die Freiheit, Haare im Wind zu den Reflexen der Seide, zur Melodie der Zeit, pure Bewegung durch unendliche Farb-Schattierungen. Ein vielfarbiger Traum befreit uns von einengenden Fesseln, von fehlender Flexibilität, die Gedanken und Körper einfriert.“

Der Event begann mit der Choreographie einer befreundeten Tanzgruppe „R.onde.s“ aus Toulouse, seiner Heimatstadt. In uralten Tänzen, die sich in allen Zivilisationen und Kontinenten ähneln, kommunizierten die Tänzer, in Schichten aus Seide gehüllt, in intuitiver Bewegung miteinander.

In bildhaften, phantasievollen Looks begeisterte Mascia in einer ganz persönlichen Bildsprache. Im Vertrauen auf ein altes Kunsthandwerk, den Seidendruck, verbindet er die Vergangenheit mit der Gegenwart, ganz ohne Nostalgie. Seine Silhouetten von Männern und Frauen lassen Gendergrenzen verschwimmen und wirken dennoch ganz selbstverständlich. Seine Traumwelten sind reiche Bilder, die uns intuitiv mit ihrer Virtuosität begeistern. Es ist selten geworden, einer solch generösen Maestria in unserem Metier zu begegnen. Pierre-Louis Mascia ist ein strahlender Solitär, der dem Modeschaffen seine Zauberkraft zurückgibt.

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