Autor: Markus OessDas Konsortium aus NRDC Equity Partners und BB Kapital SA strebt die Übernahme und Finanzierung von GALERIA im Rahmen eines Insolvenzplans an. Mindestens 70 der verbliebenen 92 Filialen der insolventen Warenhauskette sollen weitergeführt werden. Der Handelsexperte Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb ist von dem Deal überrascht. Dass der Turnaround gelingen kann, ist für Roeb noch lange nicht raus. Im Gegenteil.
FASHION TODAY: Herr Professor Roeb: Nun also ein US-amerikanischer Rückkehrer und eine Übernahme durch ein deutsch-amerikanisches Konsortium. Hat Sie der Deal überrascht?
Prof. Dr. Dr. Thomas Roeb: „Sehr! Immerhin hatten die Investoren bereits schlechte Erfahrungen mit Kaufhof gemacht – und Kaufhof mit ihnen …“
Was, schätzen Sie, hat den Ausschlag gegeben, dass die Übernahme zustande kam?
„Auf GALERIA-Seite: Es gab niemand anderes. Auf Investorenseite: Man will die Scharte Kaufhof auswetzen und es nochmals allen zeigen.“
Noch ist nicht allzu viel über die nächsten Schritte bekannt. GKK soll wie ein „mittelständisches Unternehmen“ geführt werden mit rund 70 Filialen. Womit ist da zu rechnen? Bislang war die Rede von maximal 60 Standorten …
„Es werden so viele Standorte, wie Standorte unter Berücksichtigung der Miete und der Overhead profitabel geführt werden können. Ich denke nicht, dass es eine absolute, definierte Zahl bereits gibt.“
Jack Baker war schon mal bei Kaufhof eingestiegen, hat aber an Benko verkauft mit dem bekannten Ende. Warum sollte es diesmal besser laufen?
„Aus einem einzigen Grund: Man könnte von damals gelernt haben und das aktuelle Management weiterarbeiten lassen. Aber: Ich persönlich kann mir das nicht so recht vorstellen …“
Wie könnte ein Warenhauskonzept aussehen, das zukunftsfähig ist?
„Es muss sortimentspolitisch und organisatorisch viel stärker lokalisiert werden als in der Vergangenheit, als dies bereits oft angekündigt, aber nie wirklich umgesetzt wurde.“
Sicher werden sich auch Lieferanten auf Veränderungen einstellen müssen, wenn konzeptionelle Veränderungen vorgenommen werden. Was meinen Sie, wie könnte ein neues Marken-Angebot beziehungsweise modernes Sortiment denn aussehen? Welche Marke bleibt, welche fliegt raus und was ist mit dem Preisaufbau?
„Da die Sortiments- und Preispolitik lokaler werden sollte, ist es momentan kaum möglich, hier Prognosen abzugeben. Ich glaube jedoch, dass im Schnitt das Sortiment nicht so anders aussehen wird als heute.“
Macht man da die Rechnung ohne die Verbraucherinnen und Verbraucher, hat ein innerstädtisches Warenhaus überhaupt eine Daseinsberechtigung?
„Es gibt bis heute mindestens circa 60 Warenhäuser, die profitabel arbeiten, und vermutlich noch einige Dutzend, die es unter verbesserten Rahmenbedingungen könnten. Insofern haben die Investoren die Rechnung durchaus mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern gemacht.“
Die Belegschaft durchlebt die dritte Insolvenz und erneute Angst um Arbeitsplatzverlust. Rund 100 Mitarbeiter arbeiten pro Standort für GKK und auch in der Filiale wird gestrichen. Was macht das mit den Mitarbeitern hinsichtlich Motivation und Vertrauen …?
„Die Mitarbeiter in den schlechten Filialen werden das Unglück vermutlich schon haben kommen sehen und sind, soweit möglich, zu anderen Unternehmen gewechselt. Für die übrigen ist es natürlich, selbst wenn es absehbar war, ein großes persönliches Unglück.“
Es wird, das klingt schon durch, auch bei den Mieten nachverhandelt. Wie bewerten Sie denn den Zustand des Filialnetzes, wie hoch schätzen Sie den tatsächlichen Investitionsbedarf dort ein?
„In den Warenhäusern, die bereits seit fast 30 Jahren mehr oder weniger ausgesogen wurden, dürfte es erheblichen Sanierungsstau geben. Ich schätze, dass man sich hier in Richtung einer Milliarde bewegen könnte, je nach Anspruchsniveau.“
Wie lange wird es dauern, bis man tatsächlich bei GALERIA von einem erfolgreichen und nachhaltigen Neustart sprechen kann? Es gibt Stimmen, die schon die nächste Insolvenz vorhersagen …
„GALERIA hat wenig Rückenwind vom Markt. Insofern wird man vermutlich hier auf Dauer einen Schlagzeilenproduzenten haben. GALERIA wird meines Erachtens so wenig dauerhaft saniert, wie ein Krebspatient auf Dauer geheilt werden kann. Es besteht immer das Risiko eines Rückfalls.“
Hintergrund
GALERIA Karstadt Kaufhof machte in den zurückliegenden Jahren drei Insolvenzen durch. Die erste ereignete sich im April 2020 in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der COVID-19-Pandemie. Infolgedessen wurden rund 62 Filialen geschlossen und etwa 6.000 Mitarbeiter entlassen. Im Zuge der Restrukturierung erwarb die Signa Holding, angeführt von René Benko, im September 2020 einen Großteil der Anteile an GALERIA Karstadt Kaufhof. Die Übernahme sollte das Unternehmen vor dem Zusammenbruch bewahren und neue Perspektiven für die Zukunft bieten. Allerdings wurden im Zuge des Insolvenzverfahrens weitere Filialschließungen angekündigt. Ende 2020 mussten mehr als 50 Filialen geschlossen werden, was zur Entlassung von weiteren 5.000 Mitarbeitern führte. Im Sommer 2021 folgte die zweite Insolvenz als Resultat anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und struktureller Herausforderungen im Einzelhandelsumfeld, aber auch im Unternehmen selbst. In diesem Zusammenhang wurden weitere Filialen geschlossen, verloren abermals Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze.
Der Warenhauskonzern ist erneut insolvent und nun sollen die New Yorker Investmentgesellschaft NRDC Equity Partners sowie die deutsche BB Kapital SA die Kehrtwende nachhaltig schaffen. Das Konsortium aus NRDC Equity Partners und BB Kapital SA strebt die Übernahme und Finanzierung von GALERIA im Rahmen eines Insolvenzplans an. Der Insolvenzverwalter der GALERIA Karstadt Kaufhof GmbH, Rechtsanwalt Stefan Denkhaus von der Kanzlei Boege Rohde Luebbehuesen (BRL) wird den Plan Ende April beim Amtsgericht Essen einreichen. Die Gläubigerversammlung soll dann voraussichtlich Ende Mai darüber abstimmen.
Die Vereinbarung sieht vor, dass GALERIA als Ganzes erhalten und voraussichtlich mehr als 70 Filialen deutschlandweit übernommen werden sollen. Aber da viele Mietverträge noch gemeinsam von dem Insolvenzverwalter und der GALERIA-Geschäftsführung mit den Vermietern verhandelt würden, werde die Entscheidung über die genaue Anzahl der zu übernehmenden Filialen erst Ende April fallen, heißt es dazu. Auch die „Unternehmenszentrale wird an die reduzierte Warenhausgröße angepasst, mit dem Ziel, GALERIA wie ein mittelständisches Unternehmen zu führen“. Mit anderen Worten: Es kommt auch hier zum Stellenabbau. Im Mittelpunkt der nächsten Tage stünden der Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Gesamtbetriebsrat. Eine Transfergesellschaft soll sich um sozialverträgliche Lösungen kümmern.
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens soll Denkhaus nach der Zustimmung der Gläubigerversammlung voraussichtlich bis Ende Juli 2024 die Kontrolle über das Unternehmen behalten. Dann treten NRDC Equity Partners und BB Kapital SA als Eigentümer ein und die Führung geht vom Insolvenzverwalter über auf Bernd Beetz als Shareholder und Chairman, mit dem bestehenden Management um CEO Olivier Van den Bossche von GALERIA.
NRDC Equity Partners ist eine Investmentgesellschaft, die vom kanadischen Unternehmer Richard Baker geführt wird, der auch die Mehrheit an der Hudson Bay Company (HBC) hält. Baker hatte bereits in der Vergangenheit durch den Kauf der Warenhauskette Kaufhof, die später an die Signa Gruppe verkauft und mit Karstadt fusioniert wurde, eine Verbindung zum deutschen Einzelhandelsmarkt. Ob der Turnaround tatsächlich nachhaltig gelingen kann, wird in der Branche skeptisch bewertet.
Der Interviewpartner
Thomas Roeb studierte nach dem Abitur Betriebswirtschaftslehre in Bayreuth und Trier. Danach arbeitete er als Bereichsleiter Verkauf bei ALDI SÜD. 1993 promovierte er an der Universität Siegen. Anschließend arbeitete Roeb bei der Unternehmensberatung Roland Berger. 1998 wurde er Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und lehrt dort zu den Themen Marketing und Logistik von Handels- und Konsumgüterunternehmen. Nebenberuflich berät er verschiedene Unternehmen aus Handel und Industrie.