Dino Brandãos Debütalbum „Self Inclusion“ ist ein Album voller lyrischer Tiefe, Liebe, Sozialkritik und Wahrheit – man könnte ganze Proseminare drüber ausrichten. Was hier jetzt nach einem ziemlichen Brocken klingt, musikalisch erstaunlicherweise aber dermaßen leicht in die Füße, die Hüfte, das Herz und dann eben auch in den Kopf geht, dass man dem Schweizer Singer-Songwriter geradezu diabolische oder vielleicht gar sirenenartige Kräfte zuschreiben könnte. Dass er das Album fast komplett im Alleingang eingespielt hat, macht die Sache noch beeindruckender.
Der Schweizer Sänger, Musiker, Songwriter und Produzent ist gefühlt schon seit Jahren präsent, hat längst nicht mehr nur in der Schweiz umjubelte Konzerte gespielt und veröffentlicht nun endlich sein Debütalbum.
Bis 2019 war Brandão Sänger und Gitarrist der Band Frank Powers, 2020 kam die schweizerdeutsche Liebeserklärung „Ich liebe dich“ mit Faber und Sophie Hunger und die Debüt-EP „Bouncy Castle“ hat inzwischen auch schon über zwei Jahre auf dem Buckel. Aber wie heißt es so schön im vergnüglich klingenden, aber lyrisch tiefschürfenden Titeltrack der EP: „Life’s a bouncy castle / Filled with tears and laughter.“ Das trifft im Falle von Dino Brandão umso mehr zu. Er hatte in den letzten Jahren, in denen er sein Solodebüt aufnehmen wollte, nicht nur mit der Pandemie zu kämpfen wie wir alle, sondern musste sich auch einer Multiple-Sklerose-Diagnose stellen und verbrachte einige Zeit in einer psychiatrischen Einrichtung. Dass sein Debütalbum „Self Inclusion“ nun mit einem Song namens „Sweet Madness“ beginnt und mit der Außenseiter-Hymne „Loser“ endet, die ebenfalls in einer solchen Klinik spielt, ist also kein Zufall.
Dino Brandão sagt selbst: „Ich habe früh für mich entschieden, da ganz offen zu sein und alles, was mich umtreibt, zu erzählen. Vielleicht hilft es auch ein wenig, das zu entstigmatisieren. Ich hoffe nur, dass ich nicht immer auf diese Themen reduziert werde.“ Das dürfte sein tolles Debütalbum „Self Inclusion“ zu vermeiden wissen. Auch wenn „diese Themen“ dort künstlerisch verarbeitet werden, haben die zehn Lieder so viel mehr zu bieten. Da wäre allein die Tatsache, dass Dino Brandão ein fantastischer Sänger ist. Weich und schwebend klingt er, was ihn aber nicht davon abhält, in „Pretty“ zum Beispiel herzlich und giftig „Fuck, Nestlé!“ zu rufen.
Wenn man ihm mit diesem „Vorwurf“ konfrontiert, lächelt er besonnen und sagt: „Ich mag es irgendwie, den Leuten schwere Themen mit beschwingter Musik unterzujubeln.“ Ein großer Einfluss sei für ihn der aus Angola stammende Künstler Bonga, der mit seinem heute legendären Album „Angola 72“ als eine Stimme der Unabhängigkeitsbewegung gesehen wird. Dino Brandão sagt über ihn: „Mit seinen Liedern und dem Semba-Stil, das ist so eine der angolanischen Volksmusiken, bin ich aufgewachsen. Was man den ruhigeren Liedern wie ,Coconut‘ oder so auch anhört. Dieses Traurige. Dieses Lamento. Sich dem hinzugeben und zugleich diese Tanzmusik zu spielen, die halt etwas aussagt. Da finde ich mich sehr wieder.“
Das Umtreiben mit gesellschaftlichen und eigenen Problemen steht für Dino Brandão im Zentrum seines Debütalbums. Was für ihn auch den Titel erklärt: „Self Inclusion“. „Für mich ging es darum zu akzeptieren, was rauskommt. Das war so ein langer Prozess, ich habe viel darüber nachgedacht, was eigentlich Inklusion für einen selbst heißen soll, und bin darauf gekommen, dass man sich zuerst selbst inkludieren muss, bevor man diesem großen Topos ,Inklusion‘ gesamtgesellschaftlich gerecht werden kann. Ich glaube, dieser aus diversen Gründen sehr lange Prozess meines Debütalbums war so was wie ein neues Kennenlernen von mir selbst, das über diesen Arbeitsprozess erfolgte.“
VÖ: 19. April 2024
On Tour
10. April 2024 – Beatpol, Dresden
15. April 2024 – Ampere, München
16. April 2024 – Karlstorbahnhof, Heidelberg
19. April 2024 – Manufaktur, Schorndorf
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Douglas Dare – „Omni“
Der Brite Douglas Dare veröffentlicht sein viertes Studioalbum „Omni“. Für ihn selbst ist es eine Wiedergeburt und Hinwendung zum Elektronischen und gleichzeitig eine pulsierende, avantgardistische, queere, düstere und filmische Platte, durchzogen von seiner Liebe zur Rave-Kultur und seinem unvergleichlichen Gespür für schonungslos ehrliches, atmosphärisches Storytelling.
Seit 2013 arbeitet Douglas im Spannungsfeld zwischen Klassik und Chamber Pop, Folk und Avantgarde-Experimenten immer neue verblüffende Perspektiven heraus – und singt dazu mit einer Ausnahmestimme, die einen regelrecht umhauen kann. So hat er sich im zurückliegenden Jahrzehnt unter anderem bereits die Bühne mit Größen wie Nils Frahm, Perfume Genius und Ólafur Arnalds geteilt und wurde zudem von David Lynch und Robert Smith von The Cure für die von ihnen kuratierten Festivals nach Manchester (MIF) beziehungsweise London (Meltdown) eingeladen.
Mit seinem vierten Album „Omni“ schlägt Douglas nun jedoch ein ganz neues Kapitel auf. Alles klingt nach Aufbruch, alles ist elektrisiert. Vor allem Robert Raths, der Gründer von Erased Tapes, ermutigte Douglas dazu, die angestammten Instrumente hinter sich zu lassen, alles Akustische auszuklammern. So löste er sich auch vom Klavier, mit dem er aufgewachsen war, und beschäftigte sich stattdessen intensiv mit Synthesizern und Drum Machines.
Tatsächlich erinnern die neuen Aufnahmen vielfach an das Werk von Arca oder auch die Aufnahmen der verstorbenen Sophie – zwei Kunstschaffende, für die der künstlerische Ausdruck vor allem ein Akt der Befreiung ist beziehungsweise war. „Wir haben auch zusammen im Studio abgehangen“, sagt Douglas über Letztere. „Ihre ganze Herangehensweise als Musikerin hat mich extrem beeindruckt.“ Und doch ist auch „Omni“ durchzogen von jenem intelligenten Storytelling, dem Schwung der Streicher, dem eleganten Kontrastreichtum und den fast schon märchenhaften Stimmungen, die man von Douglas kennt – und die seine künstlerische Handschrift so einzigartig machen. Passiert sonst ja nicht so oft, dass man einen massiven Electro Banger hört, der auch aus dem Soho der Neunziger stammen könnte, und darüber Vocal Loops, die von den experimentellen Sounds der US-Pionierin Meredith Monk inspiriert sind.
Ein anderer Teil ist seine Drag-Persönlichkeit. Bislang hat Douglas eher versucht, diesen Aspekt von seiner Musik zu trennen. Nur sind seine Auftritte als „Visa“ letztlich auch ein zentraler Teil dessen, was seine künstlerische Vision ausmacht. Drag helfe dabei, so Douglas, „noch ein bisschen mehr von dem zu enthüllen, was du bist“. Schließlich erlaube es einem, verschiedenste Looks und Songs einfach mal anzuprobieren. Bei „Omni“ gehe es letztlich um denselben Impuls. Im Verlauf der Songs schlüpfe er in ganz unterschiedliche Rollen – daher auch der lateinische Titel, der übersetzt „alle, jede(r) und alles“ bedeutet. „Ich würde sagen, ich hab die anderen Leute dazu benutzt, um mich selbst zu verstehen“, sagt er schließlich, wenn man ihn nach dem Kernthema von „Omni“ fragt. „So, als ob ich versuchen würde, im Universum mich selbst zu finden.“
Letzten Endes versucht Douglas mit „Omni“, all diese unterschiedlichen Facetten seiner Persönlichkeit – Songwriter, Raver, Beobachter, Lover – unter einen Hut zu bringen. Das Ergebnis klingt maximal queer: verführerisch und sexy, lüstern und vollkommen frei vom Korsett binärer Kategorien. „Selbst Matrosen begegnet man auf diesem Album!“, sagt Douglas abschließend und muss lachen. „Noch queerer gehts echt nicht.“
VÖ: 10. Mai 2024
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Dehd – „Poetry“
Zigaretten brennen im Mondlicht. Halsketten schlagen gegen nackte Brüste. Und auf ihrem triumphalen fünften Album „Poetry“ entführen uns Dehd in eine Welt voller Bilder. Es ist eine Welt, die in den Sonnenuntergangstönen von Sommerromantik und flackernden Flammen gemalt ist. Es geht um verchromte Motorräder („Mood Ring“), um gefälschte GUCCI-Sonnenbrillen („Dog Days“) und um das Händeschütteln vor einem schwankenden Liebhaber („Hard to Love“). In 14 Songs wirft das Trio – Jason Balla, Emily Kempf und Eric McGrady – die Frage auf, was es bedeutet zu hoffen, wohl wissend, dass Dinge enden und Herzen brechen können. „Man kann den Tod nicht besiegen, aber man kann den Tod im Leben besiegen“, schrieb Charles Bukowski, und beim Hören dieses Albums ist es offensichtlich, dass die Band sich für Letzteres entschieden hat.
Nachdem sie mit ihrem 2020 erschienenen Album „Flower of Devotion“ und ihrem Fat-Possum-Debüt „Blue Skies“ im Jahr 2022 einen Durchbruch erzielt hatten, taten Dehd etwas anderes. Sie verwandelten eine Schreibsession in einen Roadtrip. Mit einem Van voller Aufnahme-Equipment machten sie sich auf den Weg zu Kempfs netzunabhängigem Earthship in New Mexico, wo sie Holz hackten, um sich warm zu halten, und so lange arbeiteten, wie die Solarzellen eine Ladung hielten. Dann reisten sie nach Norden zu einer geliehenen Hütte inmitten der kühlen Gewässer des Puget Sound, wo die Stunden nur von den Gezeiten bestimmt wurden. Auf dem Rückweg nach Chicago zu ihrer letzten Schreibsitzung in dem Lagerhaus, das sie seit über einem Jahrzehnt ihr Zuhause nennen, saßen Balla und McGrady tagelang im ländlichen Montana fest, nachdem sie ein Reh angefahren und ihren Van verlassen hatten. Dieser unermüdliche Sinn für Abenteuer, sowohl intern als auch extern, ist im Laufe der Jahre zu einem Markenzeichen von Dehd geworden. „Wir aßen, schliefen, atmeten – unser einziges Ziel war das Schreiben“, erinnert sich Kempf. Und es scheint, dass Dehd an diesem Ort der ruhigen Konzentration ihr bisher ehrlichstes und verletzlichstes Schreiben erreicht haben.
Im Studio holten sie sich Ziyad Asrar (von Whitney) als Co-Produzenten an die Seite von Balla, womit sie zum ersten Mal mit jemandem außerhalb der Band für den Aufnahmeprozess zusammenarbeiteten. Mit der Hinzunahme von Asrar wird die emotionale Landschaft des Albums lebhaft wiedergegeben, manchmal konfessionell und manchmal hymnisch, mit offenem Gesang und dem Selbstvertrauen einer Band, die die Kraft ihrer Worte kennt.
Niemand schreibt so über die Liebe wie Dehd und auf „Poetry“ lassen sie sogar Herzschmerz einladend klingen. Im Strudel von aufkeimenden neuen Beziehungen und anhaltenden Trennungen finden sich ihre Texte, die gleichzeitig die Liebe preisen und dann an ihr zweifeln. Sie untersuchen ihre eigenen selbstzerstörerischen Gewohnheiten. „Ich habe mich selbst im Weg stehen lassen und jeden Gedanken in Eifersucht verwandelt“, gesteht Balla in „Light On“, „aber war es das wert, ein Zuhause zu verlieren?” In „Pure Gold“ gräbt Kempf ihre Gefühle für eine andere Frau aus – und während sie sich beim Schreiben des Songs mit jahrelang verinnerlichter Heteronormativität auseinandersetzen musste, schreibt sie über eine sapphische Liebe, die sich für Dehd fast zu perfekt anfühlt. Leicht und luftig: „Oh yeah, we laugh so freely“, singt sie und verkörpert damit die befreite Freude an einer neuen Liebe.
„Jeder, den ich kenne, bricht sich heute Abend das Herz“, heult Balla in „Dog Days“. „Jeder, den ich kenne, blutet, aber ich weiß, dass alles wieder gut wird.“ Dieser rastlose Optimismus ist einzigartig für Dehd und spricht für ihre Karriere, in der sie sich mit der chaotischen Dualität von Leben und Liebe auseinandersetzen. Auf „Poetry“ beschwört die Band eine Welt herauf, die wie durch die Augen von Leonard Cohen oder die Kameralinse von Wong Kar-wai wirkt. Es ist dunkel, aber nicht düster, während sie Selbstliebe, Feminismus und Freundschaft mit seltener Offenheit erkunden. „Dist B“ basiert auf einer schwierigen emotionalen Erfahrung, die Kempf in Kopenhagen gemacht hat, und stellt einen Zusammenbruch als Hilfeschrei dar: „Was ist nötig, damit du mich siehst?“, fragt sie. In „Knife“ nimmt sie das Patriarchat ins Visier – „das, was einem politischen Song am nächsten kommt, den ich wahrscheinlich jemals schreiben werde“ – und schießt, um zu töten: „Es ist nur eine Frage der Zeit und ich werde frei sein“, singt sie, während die alte Garde ihre Tage zählt: „Ihr seid veraltet. You mean nothing.“
Das Album „Poetry“stellt eine Reise dar, die so weitläufig und nuanciert ist wie die amerikanische Landschaft, die Dehd bereiste, um es zu schreiben. Es gipfelt in dem Schlussstück „Forget“, einem Trennungslied, das zum Mantra wird. „Wie konnte ich vergessen?“, klagt Balla, während verzerrte Gitarren wie die letzte Glut des Tages brennen. Es ist passend, dass die letzten Worte des Albums in Form einer Frage kommen, denn so wie Dehd es sieht, haben wir die Wahl: auf Nummer sicher gehen oder alles riskieren und das Leben wie „Poetry“ leben.
On Tour
5. Juli 2024 – MCT, Köln
12. Juli 2024 – Kantine am Berghain, Berlin
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beats international
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