Autor: Markus OessK-Pop, schräge Outfits und die typische Vorliebe für die Comic-Kultur. Das reiche Südkorea bewegt sich auf einem hohen Konsumniveau und die Konsumenten sind anspruchsvoll: Qualität, Design und Image. Kennt man, möchte man fast sagen, aber es ist doch anders. Ein Spotlight auf Daehan Minguk.
Von wegen höfliche Zurückhaltung. Politisch wird der konservative Präsident Yoon Suk-yeol Südkorea bei den Parlamentswahlen ordentlich abgewatscht. Es gab einen regelrechten Erdrutschsieg der Opposition. Ob der Präsident die laufende Legislatur durchhält, ist unklar, denn Wahlprognosen bei Redaktionsschluss von FASHION TODAY sehen eine knappe Zweidrittelmehrheit des linksliberalen Lagers: Gut 200 der 300 Nationalratssitze könnten an die Minjoo-Partei gehen. Vor diesem Hintergrund den bisherigen wirtschaftsfreundlichen Kurs beizubehalten, dürfte im Nationalrat auf Widerstand stoßen. Sollte die Opposition auf über 200 Sitze kommen, kann sie sogar ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einleiten. Das Land spalten in erster Linie innenpolitische Themen. Gleichberechtigung, Generationengerechtigkeit und auch die politische Grundorientierung beschäftigen Südkoreas Bevölkerung gerade sehr. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Militärdiktatur wenige Jahrzehnte her ist, von der weltpolitisch angespannten Lage im Spannungsgeflecht zwischen Russland, Nordkorea, China und den USA ganz zu schweigen.
Szenenwechsel: Nach Einschätzung der Germany Trade & Invest, der Außenwirtschaftsagentur des Bundes (GTAI), wird in Südkorea trotz einer allgemeinen wirtschaftlichen Verlangsamung ein anhaltend hohes Konsumniveau beobachtet, das für Unternehmen im Modebereich relevante Chancen bietet. Die Wirtschaftsleistung des Landes soll nach einer Phase verhaltenen Wachstums im Jahr 2023 mit einer Prognose von 1,4 Prozent im Jahr 2024 leicht auf 2,1 Prozent ansteigen, beeinflusst durch eine erhöhte Exportaktivität und Investitionen in Schlüsselsektoren wie Halbleiter und Automobilbau.
Die Verbrauchsstimmung in Südkorea ist allerdings gemischt. Die Bank of Korea zeigt, dass trotz mehrfacher Zinserhöhungen zur Inflationsbekämpfung der private Konsum in der ersten Jahreshälfte 2023 real um 3,1 Prozent gestiegen ist, allerdings wird eine Abschwächung in der zweiten Hälfte erwartet. Dies spiegelt eine vorsichtige Haltung der Konsumenten wider, die jedoch immer noch ein hohes Maß an Kaufkraft besitzen, insbesondere in urbanen Zentren.
Südkorea gehört laut GTAI zu den Hochlohnstandorten Asiens. Das verfügbare Einkommen pro Kopf lag 2022 bei etwa 1.300 US-Dollar monatlich. Trotz der hohen Lebenskosten gibt es eine breite Mittelschicht, die aktiv Konsumgüter, insbesondere Marken- und Luxusprodukte, nachfragt. Diese Konsumentenschicht hat hohe Erwartungen an Qualität und Prestige, was besonders beim Kauf von Modeartikeln zum Tragen kommt.
In den größeren Städten wie Seoul und Busan, wo mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt, ist die Kaufkraft besonders stark. Diese Gebiete zeigen auch eine hohe Dichte an ausländischen Autos, was auf eine Vorliebe für hochwertige ausländische Marken hindeutet. E-Commerce gewinnt in dem Land zunehmend an Bedeutung. Die Ausgabenstruktur zeigt, dass südkoreanische Haushalte einen signifikanten Anteil ihres Einkommens für Bildung, Gastronomie und Telekommunikation aufwenden, aber auch Gesundheit und Freizeit sind wichtige Posten. Comic in Südkorea? Zu kurz gegriffen …
Zehn Thesen
Das österreichische AußenwirtschaftsCenter Seoul hat 2019 einen Report vorgelegt, der den Modemarkt Südkoreas analysiert. Lesenswert, auch wenn natürlich wichtige Updates fehlen. Wir haben daraus zehn Thesen über Südkorea abgeleitet – ein etwas anderes Paradies für Modebegeisterte.
1. Südkoreas rasante Modeevolution: Ein Land, das einst seine Mode fast ausschließlich aus Übersee bezog, ist nun ein begehrter Laufsteg für lokale und internationale Designer. Von traditioneller Kleidung bis hin zu kühnen modernen Kreationen – in Südkorea findet man eine Mode, die ebenso dynamisch ist wie die berühmten K-Dramen.
2. Die Mode-Barometer Konsumenten: Koreanische Verbraucher sind nicht nur Trendsetter, sondern auch ein Barometer für die globale Modeindustrie. Ihre Präferenzen entscheiden oft über Erfolg oder Misserfolg einer Kollektion auf den internationalen Märkten.
3. Eine Stadt als Shopping-Paradies: Seoul, eine Stadt, die niemals schläft und wo man alles von schillernden Kaufhäusern bis zu nächtlichen Straßenmärkten findet, bietet ein Shopping-Erlebnis, das seinesgleichen sucht.
4. Die Digitalisierung des Modekaufs: Mit einer beeindruckenden Affinität für Technologie ist es keine Überraschung, dass Südkorea auch im Bereich des Online-Shoppings führend ist. Von High-End-Mode bis zu Fast Fashion, Online-Plattformen bieten alles und überall.
5. Die Renaissance der Straßenmode: Dongdaemun, einst ein bescheidener Markt, ist heute ein globales Zentrum der Fast Fashion, wo täglich Hunderttausende von Stücken gehandelt werden.
6. Aufstieg der Athleisure: Sportbekleidung ist nicht mehr nur für das Fitnessstudio. In Südkorea ist sie Alltagsmode geworden, unterstützt durch ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein und eine junge, stilbewusste Bevölkerung.
7. K-Pop und Mode – eine Symbiose: Die globale Beliebtheit von K-Pop hat die südkoreanische Mode auf die Weltbühne katapultiert. Idole werden nicht nur wegen ihrer Musik, sondern auch als Modeikonen verehrt.
8. Nachhaltige Mode kommt in Mode: Inmitten von Fast Fashion gibt es einen wachsenden Trend hin zu nachhaltiger und ethischer Mode, angetrieben durch das Umweltbewusstsein der jüngeren Generationen.
9. Luxusmarken lieben Korea: Südkorea hat sich als ein Schlüsselmarkt für Luxusmode etabliert, mit einem anspruchsvollen Kundenstamm und einer hohen Kaufkraft.
10. Kreative Hubs fördern Innovation: Die Unterstützung für junge Designer und Start-ups durch staatliche und private Institutionen zeigt das Engagement Südkoreas, an der Spitze der globalen Modeinnovation zu stehen.
„Man möchte eher nicht auffallen!“
Tina Ayasse, Gründerin und Creative Director des Brands AYASSE, verbringt seit zwei Jahren viel Zeit in der pulsierenden Metropole Seoul, um Energie und Inspiration für das eigene Label zu sammeln. Zudem baut die Kreative vor Ort Netzwerke auf – mit dem Ziel, AYASSE auf dem asiatischen Markt zu etablieren. Für Fashion Today kommentiert Ayasse den Stellenwert von Mode in dem südostasiatischen Land.
FT: Welche Rolle spielt Mode in Südkorea?
„Mode und Bekleidung spielt für Koreaner eine sehr bedeutende Rolle. Im Allgemeinen sind Koreaner gut gekleidet. Ein gepflegtes Erscheinungsbild ist sehr wichtig, um vor allem nicht negativ aufzufallen. Im Stadtbild und in den Geschäften nehme ich eine gewisse Tendenz hin zu Homogenität im Erscheinungsbild wahr – man möchte eher nicht auffallen. Die Farben von Outfits sind dezent und subtil gewählt. Daher werden Fashion Labels und das jeweilige Markenimage genutzt, um sich zu differenzieren, Individualität und insbesondere Status auszudrücken. Korea hat die weltweit höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Luxusgüter.“
Was denken Sie, könnten sich westliche Länder von Südkorea in Sachen Mode abschauen?<
„Es ist bemerkenswert, wie Fashion Retail hier gelebt wird. Cafés im Ladengeschäft sind schon lange nicht mehr wegzudenken. Darüber hinaus ist der Retail in Seoul sehr von temporären Pop-up Formaten geprägt – in unerwarteten Gebäuden und an überraschenden Orten. Kollaborationen mit Künstlern schaffen ganze Erlebniswelten. Und auch wenn aufwendige Interieurs und interaktive Videoinstallationen möglicherweise das eigentliche Produkt in den Hintergrund rücken, so sind diese Konzepte doch essentiell, um in der schnelllebigen Metropole Seoul relevant und im Gespräch zu bleiben.“
AYASSE definiert sich als eine Symbiose aus Luxus und Nachhaltigkeit. Seit 2014 werden von den Gründern Tina und Philipp Ayasse kleine, hochwertige Fell- und Lederkollektionen entwickelt – im zeitgemäßen, lässigen Stil. Dabei stellt ein nachhaltiger Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen den Kern der Unternehmensphilosphie dar, insbesondere in Bezug auf eine schonende Färbung und Verarbeitung der Materialien. AYASSE sieht die Schönheit des Naturmaterials und Langlebigkeit im Vordergrund. Stretchlederhosen bilden in den Kollektionen die Basis. Die Modelle werden in einer Manufaktur nahe Stuttgart gefertigt und sind in der Maschine waschbar. AYASSE folgen