Autor: Markus OessEs war die fünfte Ausgabe der türkischen Textilmesse IFCO in Istanbul und es war eine gut besuchte Messe. Unter dem Claim „Coloring the Future of Fashion Together“ war die Stimmung in den Messehallen besser, als es die globale Lage in der Welt vermuten ließ. Mustafa Pasahan, Vice Chairman des Textilverbandes İTKİB/İHKİB, der die Messe organisiert, schätzt, dass schon Mitte 2024 die türkische Textilindustrie Auftrieb bekommt. Gerade Westeuropa ist für das Land ein wichtiger Pfeiler des Exportgeschäftes. 60 Prozent aller Ausfuhren gehen dorthin. Wichtigster Abnehmer mit Abstand ist Deutschland. Ein Stimmungsbild.
Inzwischen ist es ein Jahr her, seit ein verheerendes Erdbeben die Türkei und Syrien erschütterte und Zehntausende Menschen in den Tod riss. Mustafa Pasahan, Vice Chairman des Textilverbandes İTKİB/İHKİB, zeigt sich selbstbewusst und will anpacken. Die Folgen der Naturkatastrophe seien bis Ende des Jahres beseitigt. Man arbeite intensiv am Wiederaufbau, der Staat helfe und die Bevölkerung sei jung. Die Erholung habe vergleichsweise schnell eingesetzt und es gehe weiter aufwärts, sagt Pasahan. Auch wenn sich auf Dauer die Auswirkungen der globalen Krisen und insbesondere des Krieges zwischen Russland und der Ukraine bemerkbar machen, geht der Verbandsvize davon aus, dass im zweiten Halbjahr die Erholung der türkischen Wirtschaft beziehungsweise der Exporte einsetzen wird, die sich im Jahr darauf dann beschleunigen soll. Dann seien auch die kräftigen Lohnsteigerungen und die Inflation weitestgehend verarbeitet.
Der türkischen Textilindustrie hat das Beben rund 9 Prozent der Exporte gekostet, sagt Pasahan. Im vergangenen Jahr sollte ein Exportvolumen von 265 Milliarden US-Dollar erreicht werden. Laut der Vereinigung türkischer Exporteure haben die Ausfuhren im ersten Halbjahr 2023 ein Niveau von 123,4 Milliarden Euro erreicht. Das ist ein Rückgang von 1,8 Prozent. Wie die WirtschaftsWoche vorrechnet, dürfte es auch noch einige Zeit dauern, bis die hohe Teuerungsrate eingebremst wird. Ende 2023 erreichte die Inflationsrate in der Türkei einen Wert von 65 Prozent. Bis Mitte 2024 dürfte sie voraussichtlich auf etwa 75 Prozent ansteigen und Ende 2024 immer noch bei etwa 50 Prozent liegen. Trotzdem werde es nach oben gehen, meint Pasahan.
Vor diesem Hintergrund lief vom 7. bis 10. Februar 2024 im Istanbul Expo Center die fünfte Ausgabe der IFCO, Istanbul Fashion Connection. Auf 100.000 Quadratmetern zeigten 545 Aussteller und Marken in acht Hallen ihre neuesten Kollektionen und das über alle Marktsegmente: Womenswear, Menswear, Baby- und Kidswear, Denim und Activewear, Lingerie und Strumpfwaren, Anlass- und Brautmode sowie Leder, Pelz und Schuhe. Die Organisatoren mehr als 38.500 Besucher darunter rund 5.000 ausländische Einkäufer. Gegenüber Februar 2023 gab es damit einen Besucheranstieg von 34 Prozent im Vergleich zu Februar 2023 und im Vergleich zu August 2023 von 146 Prozent. Zur Verteilung: Middle East 33,4 Prozent, Europa 24 Prozent, Asien 23,3 Prozent, Nord Afrika 13,3 Prozent sowie restliches Afrika, Nord- und Südamerika und Australien 6 Prozent. (Diese Zahlen wurden nachgereicht, die Redaktion).
Am Tag zwei, als FT mit Pasahan sprach, sah es so aus, als ob die Zahlen erreicht würden. Rund 12.000 Besucher zählten die Veranstalter am ersten Tag, davon rund die Hälfte aus dem Ausland, sagt Pasahan. Tatsächlich waren die Länder stark, die traditionell zu den Anreisestaaten gehörten: Russland, Ukraine, generell die ehemaligen Sowjetstaaten, Near und Middle East. Aber es kamen auch Einkäufer aus Ländern wie Kolumbien, USA, Kanada. Insgesamt habe man bei der Registrierung 150 Länder gezählt, heißt es von offizieller Seite. Qualität und Menge der Einkäufer legten zu. So beteiligten sich beim von der Messe organisierten Speeddating 150 Einkäufer von 100 Firmen. Tendenziell wächst das Interesse noch. Pasahan ist überzeugt, dass die IFCO auch international bald so viel Strahlkraft ausüben wird, dass die Einkäufer ganz von selbst kommen werden. Man werde in jedem Falle alles Sinnvolle dafür tun, diesen Status möglichst schnell zu erreichen. Nicht ohne Grund läuft die fünfte Ausgabe unter dem Claim „Coloring the Future of Fashion Together“.
Menswear is „Core“
Die international erfolgreiche Designerin Nihan Peker ist Präsidentin des türkischen Designer-Verbandes MTD (Moda Tasarımcıları Derneği). Sie ist auch verantwortlich für die Auswahl von 28 etablierten und aufstrebenden Designtalenten, die im The Core İstanbul präsentiert wurden. Die Anzahl der Designer ist größer geworden und mit ihr auch die Fläche. Drei von ihnen produzieren Menswear. Nicht eben übermäßig viel, aber die Womenswear dominiert den Markt. Das Istanbuler Label shyz gibt es nun knapp vier Jahre und steht für eine Art Cyberpunk Outerwear, die Preise liegen im VK zwischen 80 und 250 US-Dollar, in der Spitze bei 380 US-Dollar.
Sein Gründer Seydullah Yılmaz ist zum zweiten Mal auf der Messe. „Wir lernen immer noch, wie wir uns am besten vermarkten können“, sagt er. Mit rund 300 bis 400 Kunden steht er noch ziemlich am Anfang. The Core soll helfen. Er sieht gegenüber der ersten Teilnahme einen Fortschritt. „Mehr Besucher, mehr Internationalität“, resümiert der Absolvent der Mimar Sinan Fine Arts University. In dem Moment betritt der Libanese Haidar Dhaini den Stand, um mehr über shyz zu erfahren. Auch das Label Y PLUS mit Unisex-Kollektionen im hochwertigen Preissegment treffen wir wieder. Der Designer Yakup Biçer spricht von einer langsamen Erholung von der Pandemie. Allerdings sorgen auch im höherwertigen Preisgenre Krieg, Inflation und wirtschaftliche Unsicherheiten für Gegenwind. „Wir wollen uns auf der IFCO in erster Linie zeigen. Inzwischen denken wir auch darüber nach, den nächsten Schritt zu gehen und uns auf Standorten wie New York, Kopenhagen oder auch Moskau zu präsentieren“, sagt Biçer. Emre Erdemoğlu ist sogar zum dritten Mal auf der IFCO. Seine Kunden kommen zu ihm ins Atelier. Seine Mode bezeichnet er als „Mixed Casual Luxury Sportswear“, alle Teile werden mit der Hand gefertigt, entsprechend hochwertig wird verkauft (200 bis 2.500 US-Dollar). Für ihn bleibt die Inflation ein echtes Problem, da er Zutaten und Stoffe aus dem Ausland bezieht, auch wenn der schlechte Wechselkurs umgekehrt einen Vorteil bei den Verkaufspreisen darstellt. Schritt für Schritt gehe es voran, sagt auch er. Sein Label ist indes schon 15 Jahre am Markt und beliefert internationale Kunden, darunter auch Galeries Lafayette in Berlin. Allerdings schließt das Haus Ende des Jahres seine Pforten.
Die von der Modeakademie İMA gestaltete Trend Area beschäftigt sich diesmal mit dem Leitthema RESILIENCE AW 2024. Im Grunde sei es fast schon die Fortschreibung des Leitthemas der vergangenen Sommerausgabe, sagt Raf Stesmans, Creative Director der İMA und verantwortlich für den Messeauftritt. Im Sommer ging es um die Verbindung neuer, innovativer Materialien mit traditionellen Stoffen, die Heilung versprechen und darüber ein Zurück zur Natur neu definieren. „Wir wollen mehr Bewusstsein in die Mode bringen“, sagt Stesmans, „mit handgefertigten Materialien, die sich in der Natur finden oder ihre Wurzeln in den ethnischen Kulturen unserer Welt haben. Wir wollen heilen, was wir Menschen zerstören.“ Gleichzeitig greife die Area Fragen zur künstlichen Intelligenz und generell dem Verlangen nach technologischen Innovationen auf, um Natur, Kultur und Fortschritt auf einer neuen Ebene zu vereinen, so Stesmans. Auch aus diesem Grund präsentiert sich dort das US Software House refabric, das mit einem fertigen Plug-and-play per KI die Designer bei ihrer Arbeit bis hin zu fertigen Teilen unterstützt. Kostenpunkt: 700 US-Dollar pro Monat und Arbeitsplatz oder als Flatrate 9.000 US-Dollar für zehn Arbeitsplätze.
In der Brand Hall stellen Marken wie ARMINE, B&G store, GIOTELLI, GIZIA, KAYRA, KiğILI, JAKAMEN, NaraMaxx, NCS, PANÇO und Perspective aus.
Insgesamt zeigten sich die Markenanbieter von der Frequenz und auch der Qualität der Besucher angetan. Sie sprachen aber auch davon, dass sich der Ukraine-Krieg und die globale unsichere Weltlage doch zusehends auswirken würden. Zumal sich im Nahen Osten die Lage mit dem Gaza-Krieg zuzuspitzen drohe und die Gefahr mit der Hand zu greifen sei, dass sich der Krieg zu einem Flächenbrand in der Region dort auswachse. Unternehmen, auch in der Fertigung, äußerten sich dahingehend, dass sie zunächst mit sinkenden Auftragseingängen rechneten und es abzuwarten gelte, wie sich die nähere Zukunft entwickle. Die Hoffnung auf Besserung im zweiten Halbjahr 2024, spätestens 2025, ist zu spüren. Vom Krisenmodus allerdings sind die Unternehmenslenker weit entfernt. Das Leitthema der Trend Area RESILIENCE erfährt auf der IFCO so eine zusätzliche, allgemeingültige Dimension.
Die IFCO wird von ITKIB Fairs organisiert, einer Tochtergesellschaft der Istanbul Apparel Exporters’ Association, dem Dachverband der türkischen Mode- und Bekleidungsindustrie.