Mut zur Entschlossenheit

STRELLSON

„Wer den Umsatz zur alleinigen Handlungsmaxime erhebt und nicht die Risiken gegenrechnet, bekommt irgendwann ein Problem." STRELLSON-Chef Marino Edelmann

Autor: Markus Oess
Vom Handel wünscht sich STRELLSON-Chef Marino Edelmann zum Auftakt der Ordersaison Mut zur Entschlossenheit. Mut, die richtigen Orders zu definieren, und Entschlossenheit, sie auch zu platzieren. Edelmann sieht sich mit einem profitablen Wachstum im einstelligen Bereich bestärkt, den eingeschlagenen Kurs beizubehalten. Gesundes Wachstum geht vor, sagt der Manager und verzichtet dabei auch bewusst auf Umsatz. Wie STRELLSON durchs Jahr gekommen ist und was 2024 herausspringen soll.

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FT: Marino, wie lief es dieses Jahr?

Wer den Umsatz zur alleinigen Handlungsmaxime erhebt und nicht die Risiken gegenrechnet, bekommt irgendwann ein Problem“ Strellson-Chef Marino Edelmann

Marino Edelmann: „Ich komme gerade aus einem Meeting mit meinem Führungsteam, wo wir die Zahlen 2023 besprochen haben. Hätte vor einem Jahr jemand voraussagen müssen, was in diesem Jahr alles passieren wird, läge die Trefferquote nahe null, denke ich! Wir erleben die Verschärfung der globalen Krisen, Kriege und Klimakrise. Und abseits davon hat unsere Branche mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen. Es war generell gesprochen kein einfaches Jahr, aber wir sind gut durchgekommen. Wir gehen mit einem einstelligen Plus aus dem Jahr, vor allem aber sind wir profitabel.“

Was waren deine persönlichen Highlights?
„Es sind jetzt gar nicht mal Großereignisse, sondern eine Kette von Erfolgen, die wir aus unserer Strategie heraus einfahren. Die Neuausrichtung der Marke beginnt sich zusehends auszuzahlen und auch das Thema Jacke und Outerwear setzt sich langsam durch, nachdem der Start ja wetterbedingt schwächer ausfiel. Händler wie L&T, engelhorn oder auch PRINTEMPS in Frankreich arbeiten wieder erfolgreich mit uns. Es zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir machen nicht jeden Umsatz mit und das wird im Markt verstanden.“

Beim letzten Mal sagtest du zum Revival der Formal Wear, sie sei aus der Anlassmode getrieben und der Handel gehe mit höheren Lägern aus der Saison. Casual und Preislagen waren für dich die Stellschrauben. Ist die Formel aufgegangen?
„Preislage unbedingt. Auf der Beschaffungsseite hat sich die Lage merklich entspannt. So ist bei den Oberstoffen wieder mehr Luft. Insgesamt ist der Druck abgebaut, auch wenn die Weber bei den Preissenkungen weit weniger anpassungsfähig waren als bei den vorausgegangenen Preissteigerungen. Was die Kollektion angeht, merken wir, dass die Männer auf Mode nicht verzichten und gut angezogen sein wollen, sich aber vom alten klassischen Businesslook verabschiedet haben.“

Wintertime …

Das vierte Jahr in Folge im Krisenmodus. Die Mode gehört zu den Verlierern der schwachen Wirtschaftslage und der globalen Krisen. Richtig oder falsch?
„Schwer zu sagen. Das wird die Automobilbranche nach dem plötzlichen Wegfall der E-Prämie auch von sich behaupten. Oder auch die Messebranche hat schwere Krisenjahre hinter sich. Tatsache ist jedenfalls, dass wir seit Jahren zu viel Fläche und Ware im Markt haben. Ich gehe davon aus, dass die Bereinigungen auch im kommenden Jahr weitergehen werden. Die Insolvenzen sind auch Warnung an jede Marke, neben der passenden modischen Ansprache die Qualität zu halten, relevant zu bleiben und auf eine saubere vertriebliche Positionierung zu achten.“

Wie stark treffen euch die Pleiten der großen Warenhäuser?
„Hier waren wir wenig betroffen, daher hatte es für uns keinen größeren Impact. Da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen es häufig nicht möglich gemacht haben, ein Konzept zu entwickeln, das für beide Seiten Erfolg versprechend war, waren wir hier in den meisten Fällen bewusst nicht vertreten.“

Welche Lehren ziehst du aus den aktuellen Entwicklungen im Handel?
„Wer den Umsatz zur alleinigen Handlungsmaxime erhebt und nicht die Risiken gegenrechnet, bekommt irgendwann ein Problem, wenn Ware unkontrolliert zurückströmt oder schmerzliche Zahlungsausfälle aufpoppen. Außerdem ist es sehr hilfreich, wenn Großkunden nicht zu einem Klumpenrisiko heranwachsen. Wenn wir bei Flächen liegen, die bevorzugt mit Konzessionsmodellen und Rotpreisen arbeiten, bekommen wir das wirtschaftlich unmittelbar zu spüren, wenn es dann schiefgeht. Es geht aber auch mittelbar zulasten der Marke, wenn die regulären VK augenscheinlich gegenüber dem Endkunden nicht den wahren Wert eines Produktes widerspiegeln.“

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Wie wird die kommende Order volumenmäßig ausfallen?
„Wir werden auch in der kommenden Order beziehungsweise im kommenden Jahr wachsen, aber verantwortungsvoll und nachhaltig. Ich rechne mit einem erneuten einstelligen Plus.“

Was wird über Erfolg oder Misserfolg entscheiden und was habt ihr da im Gepäck?
„Alles hängt zuerst am Produkt. Marke und Produkt müssen modisch relevant sein. Stimmt das Produkt, verkauft es sich ordentlich ab. Stimmen die Abverkäufe, wird auch nachgeordert und können wir das Lager moderat hochfahren. Es ist wie ein Haus, das wir Saison für Saison aufbauen: Stein auf Stein. Kannst du dann noch pünktlich liefern, sind 85 Prozent des Jobs gemacht. Dann brauchst du noch einen zuverlässigen Service und Aspekte wie gutes Marketing und individuelle stimmige Aktionen mit dem Händler.“

Berlin ist als Messe-Standort abgesehen von der SEEK raus. Pitti und Paris gewinnen und auch Kopenhagen. Bekanntlich bewertest du Messen nach Preis/Leistung. Ist die Pitti doch mal ein Thema?
„So, wie es aussieht, ist die Pitti immer noch der Fels in der Brandung, der auch stürmischen Zeiten trotzt. Die Pitti hält Kurs und der Erfolg gibt den Messemachern recht. Die Pitti ist auch für uns immer in der Überlegung. Aber diesmal haben wir uns für Aktionen auf der Fläche und B2C entschieden, wie die Pop- up-Fläche bei L&T, die mit verschiedenen Marketing-Aktionen, unter anderem Out-of-Home-Werbung, gestützt wurde. Das war wirklich ein Mega-Erfolg, das Team hat dreimal nachgeordert. Wenn du fünf, sechs solcher Aktionen stimmig auf die Fläche bringst, zahlt das auf die Marke gegenüber dem Handel und gegenüber dem Endverbraucher gleichermaßen ein.“

… Wintertime.

Wann hattest du das letzte Mal mit einem Chatbot zu tun?
„Gestern, auch wir werden im kommenden Jahr in unserem Webshop KI einsetzen, um die Kommunikation mit den Endverbrauchern zu verbessern, etwa beim Versand und Retourenmanagement.“

Wie hoch war danach die Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10?
„10 klingt in solchen Fällen immer etwas unglaubwürdig. Aber nahe 10 geht das schon. Es ist schon irre, welche Tür mit KI aufgestoßen wurde. Dabei geht es mir weniger um das, was heute schon möglich ist, sondern um das, was die Zunft hier noch bringen wird. Ich bewege mich ja im Job auf irdischen Wegen. Aber wenn du einmal mit wirklichen Experten sprichst, dich damit beschäftigst, was da auf uns zukommt, ist das gewaltig. Klar kommt es auch bei der KI immer darauf an, was die Leute damit anstellen, welche Ziele sie verfolgen. Aber ich sehe mehr Chancen als Risiken.“

Wohin verschieben sich die Koordinaten, auf denen sich Handel und Industrie treffen, wenn die alten Fixpunkte verblassen, sind doch digital und KI die Antwort, etwa wenn für jeden Händler digital individualisierte Kommunikation möglich wird?
„Als die Pandemie zu Ende war, sprach alle Welt vom Siegeszug des Digitalen. Heraus stellte sich aber, dass das Gegenteil eintrat. Die Menschen haben den direkten persönlichen Kontakt vermisst und wollen auch in Zukunft nicht darauf verzichten. Wir sind soziale Wesen. Das gilt für uns im Dialog mit dem Händler wie auch für den Händler im Dialog mit dem Endkunden. Die Männer sind in aller Regel nicht so gestrickt, dass sie ewig lange recherchieren wollen, was modisch angesagt ist und ob die Preis/Leistung der Klamotte passt. Sie übertragen die Aufgabe dem Händler ihres Vertrauens. Der Händler hat immer noch alle Karten in der Hand, er kuratiert, er ist der Ratgeber …“

Was sagst du einem Händler, der trotz guter Durchverkäufe die Limits kürzen und mehr auf NOS gehen will?
„Wir sehen ja schon hier und da Tendenzen einer Risikoverschiebung. Die ganze Angelegenheit muss aber beiden Partnern passen. Wenn der Handel weniger ordert, produzieren wir auch weniger, geht auch die Verfügbarkeit zurück und letztlich die Auswahl für den Endkunden. Basics können das nicht auffangen. Dann verlieren wir beide. Wir setzen in der Kollektion natürlich auf eine stimmige Präsenz, aber Volume Driver vorhersehen kann niemand, der kein Hellseher ist – natürlich versuchen es alle, aber es gibt immer auch Überraschungen. Zudem geht es immer auch darum, Innovation und Spannung im Sortiment zu erzeugen. Das wird schwierig mit reinen NOS- und Basic-Sortimenten.“

Ist dann im Handel mehr Mut oder Entschlossenheit angesagt?
„Mut zur Entschlossenheit würde ich sagen. Mut, die richtigen Orders zu definieren, und Entschlossenheit, sie auch zu platzieren.“