Kooperation bitte!

Ausblick

©Gerhard Bögner auf Pixabay

Autor: Markus Oess
Wie hart kommt es in den kommenden zwölf Monaten oder verläuft das Jahr doch besser als erwartet? Was muss geschehen, damit wir am Ende auf ein gutes 2024 blicken können? Wir haben nachgefragt bei den Verbänden von Handel (BTE) und Industrie (GermanFashion). In drei Dingen sind sich Handel und Industrie einig: weniger Bürokratie, mehr Kooperation und ein qualitätsbewussteres Konsumverhalten. BTE-Geschäftsführer Axel Augustin und GermanFashion-Präsident Gerd Oliver Seidensticker geben Antworten.

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FT: Die Neujahrsrede des Bundeskanzlers Olaf Scholz war von Optimismus geprägt. Welche positiven Zeichen sehen Sie, dass das Jahr 2024 ein besseres wird, als manche angesichts der bevorstehenden (geo-)politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen befürchten? Was gibt Zuversicht speziell für die Modebranche?

„Deutschland braucht wieder eine Aufbruchstimmung“ BTE-Geschäftsführer Axel Augustin

Axel Augustin: „Im Moment ist die Stimmung in der Wirtschaft sehr verhalten. Positiv könnten sich aber gegen Frühjahr/Sommer die weiter sinkende Inflationsrate und das damit gegebenenfalls verbundene Absenken der Kreditraten auswirken. Positiv ist ebenso, dass der Arbeitsmarkt in Deutschland recht stabil bleiben wird. Gleichzeitig werden die Löhne und Gehälter deutlich steigen. Die Kaufkraft der Einkommen wird also zunehmen. Das dürfte den privaten Konsum und damit die Konjunktur stützen. Zumindest im mittleren bis hohen Genre sind ein Gutteil der Käufe Spontan- beziehungsweise Lustkäufe. Da geht es auch darum, sich trotz schlechter allgemeiner Stimmung etwas zu gönnen und gerade auch im stationären Bereich auch etwas zu erleben. Diese Motive werden bleiben, da es sich bei Modekäufen ja nicht um teure Investitionen handelt, die geplant werden, und die Mode ja auch immer ein Stück weit persönliche Selbstverwirklichung und Freude bietet.“

,Nutzen wir die Krise als Chance!‘“ GermanFashion-Präsident Gerd Oliver Seidensticker

Gerd Oliver Seidensticker: „Wir schauen tatsächlich auf ein herausforderndes Jahr 2023 zurück, welches die Modebranche sehr beschäftigte. Insolvenzen im Handel wie auch in der Industrie mussten wir hinnehmen. Zum Jahresende erwarten wir jedoch ein Umsatzplus von rund 10 Prozent. Dies ist noch lange nicht mit Gewinn gleichzusetzen, aber wir stellen damit durchaus einen positiven Trend fest.
Mit Zuversicht erfüllt uns, dass unsere Unternehmen sich gut aufgestellt haben und in Anbetracht der hohen Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit weiterhin gut performen und sich weiterentwickeln. Auch die Exportzahlen steigen weiter an, die Branche entdeckt neue Märkte und kann somit weit über die Grenzen Europas hinaus Umsatzzuwächse einfahren. Qualität und Design der deutschen Mode haben weltweit einen sehr guten Ruf.“

Trotz allem sind die Herausforderungen groß. Kriege, Klimawandel und Krisen begegnen uns überall. Was geben Sie der Bundesregierung mit auf den Weg, um die bestehenden Herausforderungen zu meistern und Deutschland auf Kurs zu halten? Welche Hürden müssen speziell in der Mode abgetragen werden, um gut durch das Jahr 2024, aber auch darüber hinaus zu kommen?
Gerd Oliver Seidensticker: „Wir empfehlen der Regierung, die Hürden für den deutschen Mittelstand machbar zu halten. Da ist zum einen der Bürokratieabbau ein großes Thema, aber auch die Vermeidung weiterer ,Kostenbaustellen‘. Die Modeindustrie ist in Deutschland sehr mittelständisch geprägt und die Aufgaben, die man Konzernen zumuten kann, beispielsweise im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, müssen bei kleineren Unternehmen, deren Finanzdecke eben nicht so dick ist, herabgesetzt werden und realistisch bleiben.“

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Augustin: „Deutschland braucht wieder eine Aufbruchstimmung, im Moment laufen wir (mental) eher in eine Depression. Gerade Selbstständige haben das Gefühl, dass die Politik ihnen ständig Knüppel zwischen die Beine wirft, anstatt sie in ihrem Handeln zu unterstützen. Das muss sich ändern! Wir brauchen seitens der Politik grundsätzlich mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit sowie eine klare Fokussierung auf wesentliche Kernthemen, wozu unbedingt auch eine wirtschaftsfreundlichere Politik zählen sollte. Was die Hürden angeht, gibt es viele Baustellen. Das fängt beim Bürokratieabbau an, der trotz gegenteiliger Bekundungen – vor allem aus der EU – weiter zunimmt (zum Beispiel Lieferkettengesetz, EU-Textilstrategie, Kreislaufwirtschaftsgesetz). Vor Ort sind es oft ideologisch motivierte Behinderungen des Individualverkehrs, welche die Erreichbarkeit der Standorte behindern oder verteuern.“

Was würden Sie Ihren Marktpartnern im Handel beziehungsweise in der Industrie ins Pflichtenheft schreiben?
Augustin: „An partnerschaftlichen Modellen geht kein Weg vorbei. Die aktuell schwierige Situation ist nur gemeinsam zu meistern. Konkret wünschen wir uns eine kompetente Modemesse an einem gut erreichbaren Ort mit entsprechender Infrastruktur in Deutschland, die der Handel vor der Orderrunde für Gespräche und Sichtung der Trends nutzen kann.“

Seidensticker: „Es ist sicherlich anmaßend, die Antwort auf diese Frage für alle zu geben. Wenn man aber davon ausgeht, dass unsere Branche, unser Land und vielleicht auch die Welt zurzeit doch eher unruhig und hier und da auch im Krisenmodus laufen, dann vielleicht dies: ,Nutzen wir die Krise als Chance!‘ Damit will ich sagen: Handelsketten brechen ein, höchste Zeit, sich über den Zugang neuer Absatzkanäle Gedanken zu machen und diese umzusetzen. Oder: Das Kaufverhalten der Konsumenten ist zurückhaltend, dann sollte man sich als Handel über eine engere Kommunikation mit seinen Kunden kümmern und als Industrie noch intensiver mit der Bedeutung seiner Marke oder seines Services für den Kunden beschäftigen. Last but not least: Die CR-Anforderungen der Regierung an die Bekleidungsindustrie steigen erheblich; möglicherweise der richtige Zeitpunkt, in diesem Umfeld und mit diesem USP die Chance zur Profilierung zu suchen.“

Wie lautet Ihre Kernbotschaft an die Verbraucher, wenn Sie die zwei Top-Punkte ansprechen könnten, um Kauflaune und -verhalten nachhaltig positiv zu stimmen?
Seidensticker: „In unserer repräsentativen Studie, die das Einkaufsverhalten der Endverbraucherinnen und Endverbraucher untersucht, stellen wir fest, dass der Wunsch nach nachhaltiger, fair produzierter Bekleidung dem Verbraucher zwar ,auf dem Papier‘ wichtig ist, dass sein Kaufverhalten jedoch davon abweicht. In erster Linie geht es ihm um den Preis. Die deutschen Modehersteller unternehmen sehr viele Anstrengungen, um die Bekleidung nachhaltig und demnächst auch recycelbar zu produzieren. Qualität, Design und Passform sind Merkmale, die insbesondere die deutschen Produkte auszeichnen. Wir wünschen uns vom Verbraucher, dass er dies nicht nur zu schätzen weiß, sondern ihm auch klar wird, dass diese Merkmale Geld kosten und nicht zu Fast-Fashion-Preisen zu bekommen sind.“

Augustin: „Lassen Sie sich nicht von den negativen Meldungen demotivieren. Wenn jetzt alle aus Angst vor künftigen Belastungen den Konsum einstellen, wird die Rezession nur noch größer. Im Moment sehen wir schon, dass sich selbst solvente Kunden wegen der allgemeinen Verunsicherung beim Modekauf einschränken, obwohl sie über ausreichend finanzielle Mittel verfügen.“