Autor: Markus Oess100 und ein Jahr seien ein Beleg für Resilienz, sagt ALBERTO-Chef Marco Lanowy im FT-Gespräch. Mittlerweile erhebt die Marke ihre Hosen zum Lifestyle. Das Produkt sei der Chef, sagt Lanowy. Aber ohne Marke und Marketing gehe es auch nicht. Die Digitalisierung eröffnet neue Chancen, verlangt aber nach neuen Spielregeln. Lanowy über das Zusammenspiel von Handel und Industrie im Wandel der Zeit und den nächsten Trip nach Florenz zur Pitti Uomo.
FT: Marco, ALBERTO ist 100 und ein Jahr alt. Was bedeuten Tradition und Markenhistorie für dich und für ALBERTO?
Marco Lanowy: „Wenn ein Unternehmen mehr als 100 Jahre bestehen kann, ist das eine gute Basis für Resilienz, um seinen Weg sicher und erfolgreich zu gehen. Wir können auf unserer langjährigen Erfahrung aufbauen, die unseren Markenkern auszeichnet, und die Zukunft aktiv gestalten. Ich finde es spannend, wie im Unternehmen Generationen zusammenwirken und Neues erzeugen.“
Inwiefern hat der Fortschritt oder sagen wir einfach die Zeit den Markenkern weiterentwickelt, bereichert?
„Tradition und Kompetenz zeichneten unsere Firma schon immer aus. Wir haben früher für andere Hosen gefertigt und das ist der Beleg, dass man uns auch diese Kompetenz zutraut. Das Produkt ist der Chef. Aber wir haben die Hose, das Herzstück von ALBERTO, weiter perfektioniert und zum Lifestyle erhoben, egal ob du die klassische Wollhose, Jeans, die Chinos oder unsere Bike Pants nimmst. Unsere Pants sind mehr als nur Hosen. Sie sind intelligent, weil sie mit Funktion und Nutzen ausgestattet sind. Und sie sind Lifestyle, weil sie ein Lebensgefühl ausdrücken. So spielen Zeitgeist und Fortschritt ineinander: Pants follow function.“
Marke und Marketing – wie stark spielen mittlerweile die Digitalisierung und vor allem der technologische Fortschritt hierbei eine Rolle?
„Marke und Marketing sind ja nicht nur das gesehene Bild. Es sind ganz viele Inhalte und Daten, die hier aufeinandertreffen. Ein Schmelztiegel an Informationen und Eindrücken, gewollte und nicht gesteuerte, die aber in Summe immer mehr verdichten und so ein immer schärferes, aber auch tiefergehendes Profil erzeugen. Bei allem, was wir tun, sollten wir nicht vergessen, dass es die menschliche Intelligenz ist, die entscheidet. Auch und gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um KI geht die Wissensbasis immer von der menschlichen Intelligenz aus und sie sollte immer die letzte Instanz bleiben.“
Das Shooting fand diesmal …
Wie sehen die nächsten Planungsschritte aus? Ihr seid im Metaverse unterwegs, experimentiert mit KI.
„Was das Metaverse angeht, wird es den nächsten großen Entwicklungsschritt erst geben können, wenn es Mobile-Device-fähig wird. Wir sind immer noch im Versuchsstadium und müssen erst verstehen, wie sich menschliche und künstliche Intelligenz verbinden, auch wenn wir die Ersten waren, die KI in die Website bei der Suchfunktion einsetzten, um sie ‚begehbarer‘ zu machen. Ich bin wirklich sehr gespannt, welcher Nutzen tatsächlich aus all dem entsteht.“
Ihr seid vertrieblich klar zweistufig ausgerichtet. Treiben die sozialen Medien, KI und die Digitalisierung und damit die zunehmende Möglichkeit der Personalisierung gegenüber den Endverbrauchern einen Keil zwischen Marke und Handel?
„Sicher können die KI und die Digitalisierung einen Keil zwischen Handel und Marke treiben, aber nur, wenn die Pläne in den betreffenden Unternehmen in diese Richtung gehen. Dann läge es aber nicht am Werkzeug, also KI und Digitalisierung, sondern dann ist die Grundhaltung des Unternehmens die Ursache. Das ist bei uns definitiv nicht der Fall. Der zweistufige Handel ist fester Bestandteil von ALBERTO und ein USP, den wir nicht aufgeben werden. Wir müssen das Produkt vor Ort erlebbar halten und können gar nicht so fein ausdistribuiert sein, wie wir es mit dem Großhandelsmodell schaffen.“
Wie verändert sich das Zusammenspiel zwischen Marke und Handel, wohin hat sich die Aufgabe des Handels weiterentwickelt?
„Dazu muss man den Nutzen der zunehmenden Digitalisierung sehen. Wo setze ich an? Es geht um Wissenstransfer, um Markeninhalte. Das hängt auch stark von der Struktur des Handels ab. Wir arbeiten weltweit mit Fachhändlern zusammen und erzeugen so eine unersetzbare Personalisierung der Marke vor Ort. Auch im Handel wachsen die Möglichkeiten der Personalisierung gegenüber dem Endkunden und die sollte er auch nutzen. Aber im Grunde hat sich an der klassischen Rollenverteilung wenig verändert. Nehmen wir nur zum Beispiel EDI als frühen Schritt in die Digitalisierung der Prozesskette. Wir steigern die Effizienz, aber wir verändern nicht die Aufgabe des Händlers.“
… in der gläsernen Werft in Überlingen statt
Können Hosen Zukunft? Damit meine ich jetzt nicht die Funktion, sondern Image, Markeninhalte und die Nachhaltigkeit.
„Hose ist Zukunft. Dazu musst du nur auf die zurückliegenden 100 Jahre schauen. Wenn wir über das Heute reden, ist es schon Vergangenheit. Innovation kommt aus dem Prozess und der Gestaltung, nicht aus dem Marketing. Wir bieten Alternativen. Kaufst du eine Hose, die nachhaltig ist, mit Innovation ausgestattet ist und auch ihre sieben Jahre hält oder nicht? Am Ende entscheidet der Verbraucher. Unser Statement ist ein Dreiklang aus Preis/Leistung, Qualität und Modernität. Und in diesem Sinne auch nachhaltig.“
„Marke und Marketing sind ja nicht nur das gesehene Bild. Es sind ganz viele Inhalte und Daten, die hier aufeinandertreffen. Ein Schmelztiegel an Informationen und Eindrücken.“
Kommen wir zum Produkt selbst. Was werden wir auf der Pitti sehen?
„Hosen! Das Shooting für die Herbst/Winter-Kollektion haben wir in diesem Jahr in der gläsernen Werft in Überlingen gemacht. Die perfekte Kulisse für die aktuelle Kollektion. Wir zeigen unsere Chino 2.0, neue Qualitätsansätze und natürlich Japanese Denim. Ein besonderes Highlight sind bedruckte Jerseys. Auch das ist ALBERTO – ein wenig skandinavisch, ein wenig italienisch, ein wenig deutsch, aber immer international!“
Auf der Pitti hattet ihr Premiere. Was hat die Pitti euch vertrieblich gebracht?
„Vor allem hat die Messe uns einen wichtigen neuen Markt eröffnet. Wir werden in dieser Saison in Italien in vier Gebieten starten. Zwar sind wir mit Golf schon seit 20 Jahren in dem Land, aber eben nicht mit unserem Hauptprogramm. Die Pitti ist Showcase und Bühne in die Welt.“
Gab es auch Impulse aus der Messe heraus, aus dem Umfeld, etwa in Sachen Mode?
„Natürlich ist die Pitti auch modische Inspiration für die Marke selbst. Sie ist aber vor allem auch Spiegel und gibt Orientierung, wo wir modisch und konzeptionell stehen. Hier trifft sich die Top-Menswear. Und da kann ich sagen, dass wir ohne zu übertreiben ganz vorne mitspielen.“
Zeigt ihr auch die Bike Pants, für die ihr ja auch als Gattungsbegriff steht?
„Wir sind im Winter mit unserem Hauptprogramm in Florenz.“
Corona hat dem Biking ordentlich Rückenwind verpasst. Auch wenn sich die Corona-Effekte gelegt haben, bleibt Biking in jedweder Ausprägung angesagt. Was habt ihr in dem Segment aktuell vor?
„Wir haben Fahrradfahrern gezeigt, dass eine Fahrradhose büro- und alltagstauglich sein kann, ohne auf wichtige Funktionen wie Wasser abweisend, Stretch und reflektierend zu verzichten. Aktuell geht es eher um Finetuning denn um modische Weiterentwicklung.“
Hat Biking die Marke ALBERTO auch verändert?
„Hose und Funktion sind seit jeher Bestandteilte unserer Hosen. Als wir mit den Bike Pants angefangen hatten, haben wir den Markt in eine ganz andere Richtung aufgebrochen. Ich sage das gerade in Richtung des klassischen Fahrradhandels. In der Pandemie hatte das Bike ordentlich Rückenwind bekommen. Jetzt ist der Markt mit Hardware gesättigt und so müssen Ergänzungskäufe für Umsätze sorgen. Unsere Bike Pants können das. Ich würde sagen, unsere Bike Pants haben aus B2C heraus einen Markt B2B kreiert. So herum geht es auch.“