„Ich möchte präsent sein“

RAMELOW

„Schon heute lebt ein Modegeschäft ja nicht länger nur von Mode, es ist auch ein Place to be. Und ich glaube, dass wir in fünf bis zehn Jahren unsere Umsätze nicht mehr länger nur mit Mode machen.“ Torge Thede, Head of Product, Gustav Ramelow KG. Alle Bilder ©Ramelow

Autorin: Eva Westhoff
150 Jahre RAMELOW – das Modehaus gehört zu den Platzhirschen, die auf eine lange Familientradition zurückblicken und die auch in der Gegenwart erfolgreich sind. Fünf Standorte gibt es im Norden Deutschlands, das kürzlich runderneuerte und erweiterte Stammhaus in der Elmshorner City wurde 2023 vom HDE als „Store of the Year“ ausgezeichnet. Wie bewertet Head of Product Torge Thede die Relevanz von Messeveranstaltungen? Welche Inhalte und welchen Rahmen braucht es aus Sicht eines Händlers wie Ramelow, um eine deutsche Modemesse zum Erfolg zu führen? Ein Gespräch über Austausch und Business, den anstehenden Berlin-Termin und Inspirationen in Florenz und Kopenhagen.

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FASHION TODAY: Gehen Sie auf Messen? Wenn ja, auf welche?
Torge Thede: „Selbstverständlich gehe ich zusammen mit meinem Team auf Messen! Wir sind froh und dankbar über jeden, der heutzutage noch eine Messe ausrichtet, und sind eigentlich immer dort, wo sich die Branche trifft. Das bedeutet für uns auch diesmal wieder drei Tage Florenz, mit der Menswear, und drei Tage Kopenhagen, mit der Mens- und der Womenswear. Wir gönnen uns natürlich auch die drei oder vier Messetage in Düsseldorf – um Gespräche zu führen und uns intensiv mit Ware zu beschäftigen. Schade, dass die PREMIUM nach der aus meiner Sicht tollen Veranstaltung im Sommer nun eingestellt wird. Dennoch fahre ich zusammen mit meinem Category Manager Trend auch für einen Tag nach Berlin, dann jetzt ‚nur‘ noch zur SEEK. Ich möchte präsent sein und mir ein Bild machen, was in Berlin noch stattfindet.“

Welchem Zweck sollte eine Messe dienen? Sollte das Business im Vordergrund stehen oder die Inspiration?
„In Florenz und Kopenhagen steht für uns die Inspiration im Vordergrund, Zweck einer Messe ist aber auch immer der Austausch. Dabei sind die Gespräche auf den Gängen oft wichtiger als die auf dem Messestand. Das Treffen von Händlerkollegen, aber auch von Vertretern der Industrie ist für uns immer schon Ansporn gewesen, Zeit in Messebesuche zu investieren. Gerade in Berlin waren aber von Mal zu Mal weniger Aussteller und weniger Händler unterwegs – das wirkte sich natürlich auch auf die Qualität der Gespräche auf den Gängen aus.“

Sollte es auf einer Messe produktfokussiert zugehen oder sind Sie eher am Aufspüren von Trends interessiert?
„Sowohl … als auch. Ich glaube, ein Ausblick auf Produkte macht sicherlich Sinn, der Fokus sollte aber auf Inspirationsquellen liegen. Auf Key Looks, Styles, vielleicht ein paar Visual-Merchandising-Ideen. Und das Thema Digitalisierung finde ich wichtig, die Frage: Was bietet eine Firma hier überhaupt an? Im stressigen Alltag ist für die Beschäftigung mit solchen Inhalten bekanntlich wenig Raum. Beim Besuch im Showroom geht es ja vor allem um Ware und Zahlen.“

Wann sollten Modemessen stattfinden?
„Der Zeitpunkt sollte möglichst früh sein, um danach genügend Möglichkeiten zu haben, als Händler zu reagieren. Eine zu späte Veranstaltung wie in der Vergangenheit in Kopenhagen funktioniert als Inspiration oder Bestätigung, aber nicht, um für die anstehende Saison Neues zu entdecken.“

„Ein Großteil unserer Händlerkollegen fährt zur Pitti Uomo und lässt sich dort inspirieren, wie wir auch. Dann kommen wir alle nach Hause, steigen an den heimatlichen Bahnhöfen irgendwo in Deutschland aus, sind wieder geerdet – und kaufen Mode ein für unseren jeweiligen Standort.“

Wie lange sollte eine Messe dauern?
„Ich glaube, zwei gut gefüllte Tage sind völlig ausreichend. In der Vergangenheit waren die großen Veranstalter oft gezwungen, das Event auf drei Tage auszudehnen, zum Beispiel in der Messe Berlin mit ihrer Mindestmiete. Da ist man in anderen Locations etwas flexibler.“

Wie wichtig ist Ihnen ein Rahmenprogramm?
„Das ist mir schon wichtig, denn es geht ja wie gesagt nicht nur um Mode, sondern auch um Austausch. Und wenn man sich in Ruhe austauschen möchte, braucht man auch schon mal Rückzugsmöglichkeiten oder Meeting Areas, um sich geplant mit Leuten zu treffen. Eine Abendveranstaltung ist nice to have, denn so kann man sich abends auch weiterhin auf dem Gelände aufhalten und connecten, doch zwingend ist das nicht.“

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  • Der „Store of the Year“ an der Elmshorner Königstraße bietet auf knapp 4.000 Quadratmetern Mode für Damen, Herren und Kinder, außerdem eine Sport- und eine Wäscheabteilung.

In Sachen Menswear ist unbestreitbar Florenz der große Anziehungspunkt. Kann sich der Messestandort Deutschland der Konkurrenz durch eine Spezialmesse wie die Pitti Uomo überhaupt erwehren?
„Florenz ist wichtig, weil dort etwas passiert. Dort treffen sich Menschen, dort sieht man coole Looks. Und es ist sicherlich schwierig, den Lifestyle aus Florenz nach Deutschland zu transferieren. Doch die wenigsten kaufen in Florenz. Ein Großteil unserer Händlerkollegen fährt zur Pitti Uomo und lässt sich dort inspirieren, wie wir auch. Dann kommen wir alle nach Hause, steigen an den heimatlichen Bahnhöfen irgendwo in Deutschland aus, sind wieder geerdet – und kaufen Mode ein für unseren jeweiligen Standort. Für die Inspiration und auch für die Motivation meines Teams ist es wichtig rauszukommen und sich mit Looks zu beschäftigen, die man im Straßenbild einer mittelgroßen Stadt in Deutschland nicht unbedingt sieht. Man muss das Gesehene entsprechend runterbrechen, aus Sicht der Kommerzialität ist die in Florenz gezeigte Mode ein Randthema. Wir machen unsere Hauptumsätze mit Labels, die in Düsseldorf ihren Showroom haben oder in Berlin ausstellen.“

Ließe sich der Messestandort Deutschland auch dadurch stärken, dass man die Zahl der Messeveranstaltungen weiter reduziert?
„Auf jeden Fall. Das Hauptproblem, das wir haben, bestand und besteht darin, dass es so viele Veranstaltungen gibt, aber keine richtig zentrale. Wenn es diese zentrale Veranstaltung geben würde, mit einer Modemesse über drei Tage, wo auch immer in Deutschland, wäre viel gewonnen und wir müssten uns in puncto Ware nicht länger mit Kopenhagen oder Florenz befassen. Ob man den Lifestyle der beiden angesagten Städte dann zusätzlich weiter aufsaugen möchte – gut möglich. In jedem Fall glaube ich, dass ein fokussierter Messestandort in Deutschland weiterhin wichtig ist.“

Treffpunkt für die Menschen vor Ort – auch dank eines einladenden Obergeschosses, unter anderem mit großer Dachterrasse.

Würde sich dafür nicht tatsächlich Düsseldorf mit den hier gewachsenen Strukturen anbieten?
„Grundsätzlich ja. Die Zentralität, der Charakter als Modestadt prädestiniert Düsseldorf dafür, eine solche Veranstaltung auszurichten. Sie haben in Düsseldorf allerdings die große Herausforderung, dass ein Großteil der Industrieunternehmen hier eigene Showrooms besitzt. Es gibt schöne Locations wie das Areal Böhler, dort ist Platz – doch wie bekommen Sie die Industrie aus ihren Showrooms und auf diese Fläche?“

Könnte die Hinzunahme anderer Inhalte als der Mode zur Zukunftsfähigkeit der Messen beitragen?
„Ja, definitiv. Schon heute lebt ein Modegeschäft ja nicht länger nur von Mode, es ist auch ein Place to be. Und ich glaube, dass wir in fünf bis zehn Jahren unsere Umsätze nicht mehr länger nur mit Mode machen. Wir müssen das anbieten, was der Endverbraucher möchte, und das sollte sich dann auch in den Messekonzepten spiegeln. Nehmen wir das Thema Nachhaltigkeit: Die Weltveröffentlichung eines neuen Plug-in-Hybrids – auch für so etwas kann eine Modemesse der Rahmen sein. Und was ist mit den ganzen Sportthemen, die uns heutzutage umtreiben? Oder generell Lifestyle? Dementsprechend glaube ich schon, dass an den Inhalten der Messen dringend gearbeitet werden muss.“

Sind internationale Messekooperationen wünschenswert?
„Vor Corona sind wir durch die Welt gejettet und haben uns relativ wenig Gedanken gemacht. Heute versuchen wir, das möglichst im Rahmen zu halten –mit Blick auf die Nachhaltigkeit. Wenn Messen in angrenzenden Ländern stattfinden und man dort beispielsweise auch mit der Bahn hinkommt, dann können solche Kooperationen durchaus ihre Berechtigung haben. Zum Store Check fahren wir ja auch nach Amsterdam oder Dänemark.“

 

150 Jahre RAMELOW

Die Gustav Ramelow KG wurde 1872 im mecklenburgischen Klütz gegründet und wird heute in vierter Generation von Marc Ramelow geführt. 2022 hat das Familienunternehmen in der Elmshorner Innenstadt neben dem 1928 eröffneten Traditionshaus einen modernen Neubau errichtet und damit dort seine Ladenflächen annähernd verdoppelt. Mehr als 8 Millionen Euro wurden in die Filiale investiert, die 2023 vom HDE als „Store of the Year“ ausgezeichnet wurde. Die Auszeichnung verdankt sich laut HDE der „herausragenden Gestaltung als Treffpunkt für die Menschen vor Ort“. In der Begründung hervorgehoben wird „das Zusammenspiel aus modernen Büro- und Verkaufsflächen, Gastronomie und öffentlicher Dachterrasse“ am Standort, der auch Unternehmenssitz ist. Neben dem Haus in Elmshorn gibt es Filialen in Buchholz, Uelzen, Heide und Stendal.