Messen unter Beobachtung – Ende einer Ära?

Kommentar

Eva Westhoff ©dot

Autorin: Eva Westhoff
Messen sind kein Anachronismus, im Marketing-Mix der Unternehmen bleiben sie wichtig. So zumindest das Ergebnis des im Frühjahr 2019 publizierten „AUMA MesseTrend“. Für die regelmäßig durchgeführte repräsentative Studie hat das Marktforschungsunternehmen TNS Emnid im Auftrag des Verbands der deutschen Messewirtschaft, AUMA, 500 deutsche ausstellende Unternehmen zu ihren vergangenen und zukünftigen Beteiligungen an Fachbesuchermessen befragt. In der Rangliste „Instrumente im Marketing-Mix und ihre Wichtigkeit“ belegten Messebeteiligungen mit 83 Prozent den zweiten Platz – wichtiger war nur die eigene Homepage (90 Prozent). Für den Anteil des Messebudgets am Gesamtkommunikationsetat lag die Prognose für das Jahr 2019/2020 bei 46 Prozent und als Fünf-Jahres-Ausblick gaben immerhin 12 Prozent der Befragten an, dass Messebeteiligungen noch einmal an Bedeutung gewinnen werden. Knapp zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) gingen von einer gleichbleibend hohen Bedeutung in diesem Zeitraum aus, lediglich 24 Prozent von einer Bedeutungsabnahme.

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Klar, das war vor Corona und die Zahlen beziehen sich auf sämtliche Branchen, nicht nur auf die Mode. Allemal gilt: Die Gegenwart kennt ihre eigenen Argumente. Das im November bekannt gegebene Aus der PREMIUM verdeutlicht einmal mehr, in welch krisenhafter Situation sich die Modemessen in Deutschland befinden. Nach zwei Jahrzehnten, in denen die PREMIUM die Messelandschaft hierzulande maßgeblich geprägt hat, lässt sich durchaus gemeinsam mit den Veranstaltenden vom „Ende einer Ära“ sprechen. Und dieses Ende wird vielfach bedauert. „Schade, dass die PREMIUM nach der aus meiner Sicht tollen Veranstaltung im Sommer nun eingestellt wird“, so Torge Thede, Head of Product beim Modehändler Ramelow, im Gespräch mit FT.

Doch nicht nur in Berlin, auch andernorts sind die Messeveranstaltenden in den vergangenen Jahren ins Schwimmen geraten – auch schon vor Corona. Und so muss die Frage zwangsläufig lauten: Hat das klassische Messeformat eine Zukunft? Hier gehen die Meinungen auseinander. Dies wurde auch während unserer letzten Redaktionssitzung deutlich. Plädierten die einen für Messen mit gestrafftem Zeitplan, die sich aufs Business fokussieren, führten die anderen den Mehrwert ins Feld, der von Rahmenprogrammen verschiedenster Art ausgehe. Als Referenz wurden die glorreichen alten Zeiten bemüht – nicht die ganz alten, als die IGEDO ab der Nachkriegszeit der Modestadt Düsseldorf zu ihrem weltweiten Ruf verhalf, aber doch die, als die BREAD & BUTTER zunächst in Köln, dann in Berlin Streetwear inszenierte, als gäbe es kein Morgen. Heute kaum mehr vorstellbar, aber als die „Off-Show“ im Sommer 2001 als Parallelveranstaltung zur Herren-Mode-Woche/Interjeans im Industriedenkmal „Eckiger Rundbau“ startete, galt hier eine strenge Türpolitik.

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„Die Gespräche auf den Gängen sind oft wichtiger als die auf dem Messestand“, sagt Torge Thede und spricht damit ein offenes Geheimnis aus. Austausch, das lässt sich nach den zurückliegenden Saisons im Homeoffice sagen, funktioniert Face to Face noch immer besser als virtuell. Das bestätigt auch eine Befragung des Weltmesseverbands UFI. Laut 31. „Global Exhibition Barometer“ vom Juli dieses Jahres ist eine Quote von 91 Prozent der Meinung, dass gerade die Pandemie den Wert von Präsenzveranstaltungen noch einmal unterstrichen hat. Vertrauen als wichtiger Faktor stabiler Geschäftsbeziehungen entwickelt sich in der persönlichen Begegnung schlicht leichter und nachhaltiger als in der weitaus sterileren digitalen Welt, daran ändern auch Social Media nichts. Und natürlich ist das sinnliche, haptische Erlebnis gerade im Konsumgüterbereich essenziell.

Doch gleichzeitig haben sich die Einkäuferinnen und Einkäufer im Zuge der Pandemie an die digitale Order gewöhnt und der Aufwand an Ressourcen, seien sie zeitlicher oder finanzieller Natur, lässt viele selektiver auf Messen fahren. Ist die virtuelle Messe vielleicht doch das Format der Zukunft? Wird sie die physischen Veranstaltungen in den kommenden Jahren ersetzen? Nein, sagen immerhin 80 Prozent der im Rahmen des 31. „Global Exhibition Barometer“ Befragten. Dennoch: 78 Prozent wollen ihre Messepräsenz um zusätzliche digitale Dienstleistungen und Angebote erweitern. Eine Entwicklung hin zu hybriden Veranstaltungen gilt immerhin 22 Prozent der Befragten als sicher und 44 Prozent als wahrscheinlich.

Kommen wir noch einmal auf den Rahmen zurück: Braucht es für den gelungenen Austausch die großen Partys und Shows, die Konferenzformate und Round Tables, ja, sogar die Öffnung für Verbraucherinnen und Verbraucher – ein Konzept, das immer mal wieder aufploppt? Was entspricht den Bedürfnissen der Retailer, was treibt die Aussteller um? Sollte man sich vom Fokus auf die Ware lösen, damit zeitlich unabhängiger werden und so ein Stück weit der Konkurrenz durch die Showrooms entgehen? Eine Verallgemeinerung fällt schwer. Zwar gibt es den Trend zum kleineren Format, zur spezialisierten Veranstaltung mit einer festen Community – hier möchte die PREMIUM GROUP mit der Weiterführung der SEEK ja anknüpfen. Zugleich ist der Wunsch nach einem großen, zentralen Messeevent in Deutschland noch immer in der Branche vorhanden. Dass die Pitti Uomo als derzeit wichtigste europäische Menswear-Plattform den Showcase „NEUDEUTSCH“ mit ins Programm genommen hat, ist ebenfalls ein Signal und ein Appell, am Modestandort Deutschland die Flinte nicht ins Korn zu werfen.