Studie
Im Onlinehandel, in seiner Logistik und der digitalen Infrastruktur liegen erhebliche ökologische Einsparpotenziale, wie die neue „Studie zur ökologischen Nachhaltigkeit des Onlinehandels in Deutschland“ („OeNO“) zeigt. Das teilt der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e.V. (bevh) mit. In der Studie werden die gesamten klimatischen Umweltauswirkungen eines Online-Einkaufs von der Bestellung, digitalen Weiterbearbeitung, Verpackung, Logistik bis zur Zustellung (gegebenenfalls mit Retoure) anhand von Treibhausgas-Äquivalenten aufgeschlüsselt sowie Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit skizziert. Neben typischen Bestellszenarien wurden auch neuere E-Commerce-Modelle wie Re-Commerce, Instant Delivery und Retail-as-a-Service einbezogen. Die Studie wurde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI im Auftrag des bevh und mit Unterstützung von Amazon Deutschland, Cairo, Rock’n Shop, Skatedeluxe sowie The British Shop durchgeführt.
„Unsere Studie zeigt nicht nur ein aktuelles Bild zur Lage der ökologischen Nachhaltigkeit im deutschen Onlinehandel, sondern nennt auch ganz konkrete Ansatzpunkte und real umsetzbare Hebel, wie der Onlinehandel künftig noch nachhaltiger werden kann“, sagt Prof. Dr. Matthias Gotsch vom Fraunhofer ISI. „Was die Verantwortung für Umweltauswirkungen angeht, sollte man sich zuerst ‚an die eigene Nase fassen‘. Es hilft dem Klima nicht, mit weit hergeholten Vergleichen die Schuld auf vermeintlich größere Umweltsünder abzuschieben. Darum haben wir uns bewusst für eine sehr offene Bestandsaufnahme unserer eigenen Umweltauswirkungen entschieden, um daraus abzuleiten, wo unsere Branche E-Commerce noch besser werden kann“, sagt Christoph Wenk-Fischer, bevh-Hauptgeschäftsführer.
Eine typische „Standard“-Paketlieferung bis zur Haustür verursachte im Jahr 2021 durchschnittlich 1.421 g CO2-Äquivalente. Dies entspricht etwa dem neunfachen Ausstoß eines mit einem Verbrenner-Auto zurückgelegten Personenkilometers. Wie viel Treibhausgas-Äquivalente tatsächlich bei einer Bestellung anfallen, hängt allerdings stark vom Einzelfall ab. In einem hypothetischen „Best Case“ würde eine Bestellung nach kurzer Produktsuche per Smartphone (im WLAN), bei optimal geplantem Versand (letzte Meile durch Elektro-Fahrzeug an eine Packstation) mit einer recycelten Mehrwegversandverpackung (hohe Anzahl von Umläufen), über energetisch optimierte Logistikzentren sowie ohne folgende Retoure 469 g CO2- Äquivalente verursachen. Dies entspricht in etwa dem dreifachen Ausstoß eines Personenkilometers mit einem Auto. Beim hypothetischen „Worst Case“ würde der Bestellung eine lange Produktsuche mittels Desktop-Computer vorangehen, der Transport per Dieselfahrzeug (Zustellung erst im dritten Versuch an der Haustür) und mit einer materialintensiven Mehrwegversandverpackung (nicht faltbar für Rückversand, wenige Umläufe, kein recyceltes Material) erfolgen. Die Logistik- und Verteilzentren wären energetisch nicht optimiert. Käme dann noch eine Retoure hinzu, die anschließend eine Ersatzbestellung auslöst, entstünden 4.426 g CO2-Äquivalente. Dies wäre ungefähr das 30-fache eines mit einem Auto zurückgelegten Personenkilometers.
In der Logistik könnten mit elektrischen Lieferfahrzeugen 24 Prozent aller Emissionen auf der letzten Meile eingespart werden. Weitere bis zu 25 Prozent fielen weg, wenn sich Logistiker bei der Belieferung ländlicher Regionen zusammenschlössen. Eine gebündelte Zustellung an Paketshops und Packstationen, die für Kunden fußläufig erreichbar sind, verursacht 51 Prozent der Emissionen einer Haustürzustellung. Zudem könnten durch den Transport in versandfähigen Produktverpackungen (und den Wegfall eines Versandkartons) bis zu 24 Prozent des Verpackungsmaterials eingespart werden. Durch den Einsatz von Mehrwegversandtaschen (viele Umläufe, faltbar für Rücktransport, recyceltes Material) wären es 60 bis 98 Prozent der Treibhausgas-Äquivalente. Logistikzentren könnten mithilfe von Solaranlagen und einer energetischen Optimierung im Idealfall sogar klimapositiv sein (bis zu 105 Prozent CO2-Einsparung in nicht-automatisierten Lagern).
Im Lebenszyklus von Produkten mache der Handel einen Teil von vielen am ökologischen Fußabdruck aus. Bei einer Betrachtung des gesamten Produktlebenszyklus fielen die meisten Emissionen bei der Produktion an. Auch der Verbraucher selbst trage Verantwortung, so der Verband und fordert entsprechende Anreize durch die Politik: „Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung und den weiteren Ausbau der Nachhaltigkeitsanstrengungen der Händlerinnen und Händler ist eine entsprechende Unterstützung der genannten Optionen durch die Politik. Dazu gehört ein entsprechendes Anreizsystem, der Abbau bürokratischer Hürden sowie realistische und zielführende Regelungen”, sagt Wenk-Fischer.