Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Das gilt aber in einem anderen Sinne. Respekt vom ersten Tag an und Ernsthaftigkeit im Umgang mit den Mitarbeitende und Lernende auf Augenhöhe, faire Bezahlung und Entwicklungschancen sind kein Add-on. Sie sind ein Muss. Die klassische Volkswirtschaftslehre kennt drei Produktionsfaktoren: Kapital, Boden und Arbeit. Man könnte noch technologischen Fortschritt hinzurechnen, aber auch dann sind Kapital zur Finanzierung und Arbeit zur Realisierung zentrale Stellgrößen und in der Wertehierarchie gleichberechtigt. Diese Faktoren kennt auch die Betriebswirtschaftslehre, sie stellt aber diesen noch die dispositiven Faktoren dazu. Man unterscheidet zwischen ausführender Arbeit und Leitung/Überwachung. In aller Regel werden Letztere besser bezahlt, sei es als Angestellte oder sei es als Unternehmer. Das Modell stammt aus den 1950er-Jahren und hat ausgedient. Die Zeiten haben sich geändert. Der Markt korrigiert den Fachkräftemangel selbst, Arbeit wird ein limitierender Faktor, der sich wegen der hohen Nachfrage verteuert. Die Aufmerksamkeit und die Investitionen in diesen Sektor steigen, um die Versorgung zu sichern und zu verbessern. Wir können die Ausführungen auch einfach abkürzen. Die Modebranche konkurriert um Arbeitskräfte und sie muss sich strecken, um hier Erfolg zu haben, und ich schreibe hier nicht von den HUGO BOSS’ oder Marc O’Polos dieser Welt (für Deutschland) oder CHANEL und DIOR (für die Welt), sondern von den Marken, die eben nicht Sonderplätze einnehmen, sondern sich einreihen müssen.
Eine Menge Unternehmen fliegen unterm Radar, werden erst auf den zweiten Blick erkannt, obwohl sie wirklich flott unterwegs sind. L&T, wie viele andere Händler auch, leistet Großartiges, um den Produktionsfaktor Arbeit richtig einzusetzen. Ohne Mitarbeitende gehts halt nicht und die wollen überzeugt werden. Auch der Gesamtverband textil+mode hat natürlich längst erkannt, was zu tun ist. Klar ist andererseits auch: Versäumnisse der Vergangenheit zu korrigieren, kostet Zeit und Mut. Wie Employer Branding praxisnah und vergleichsweise einfach umgesetzt werden kann, zeigt uns Marilyn in ihrem Trendradar. Ein vielversprechender Ansatz gerade für kleine Firmen.
Themenwechsel. Mit den Jahren eröffnen sich neue Perspektiven und Türen. Bei FYNCH-HATTON etwa, die nun mit LIVING starten, ein interessantes Segment, das ganz sicher auf die Marke einzahlt. Wohnen, der intimste Lebensbereich der Menschen überhaupt, ist eng mit Emotionen verbunden, mehr noch als Mode! Mit den Jahren verschwinden auch Marken und plötzlich werden sie wieder zum Leben erweckt. Merz b. Schwanen ist dank eines Flohmarktfundes so ein Fall. Merz b. Schwanen hat es dank einer Streamingserie sogar in den Staaten zum Kultstatus geschafft. Wir waren vor Ort und haben uns die Produktion angeschaut. Das Unternehmen lässt in Portugal fertigen, hat aber auch in Albstadt einen Produktionsstandort für seine Premiumlinie. Und der Maschinenpark? Stammt aus einem vergangenen Jahrhundert. Es geht also auch analog.
Und wem die Laune aktuell nicht nach Fachartikeln ist, dem seien unsere Tipps für Ohr und Auge empfohlen.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr Markus Oess