Autor: Markus OessDamals hatte wohl kaum einer den MODEPARK RÖTHER auf dem Zettel, als es um einen möglichen Investor der Ahlers AG und ihre Marken ging. Seit der Übernahme zum 1. August dieses Jahres sind einige Wochen vergangen und während das operative Geschäft weiterging, arbeitete die Führung der neu gegründeten R.BRAND GROUP an der Neuordnung. Seit 1. September ist Raphael Heinold offiziell auf dem Chefposten. Ein erstes Statement des neuen CEO.
„pierre cardin hat einen klangvollen Namen und ist immer noch eine wichtige Marke für uns. Der Markenname ist vor allem nicht beschädigt, kaum ein Endkunde weiß von der Insolvenz. Dirk Heper (der damalige Marken-GF von pierre cardin, die Redaktion) und sein Team haben ihren Job sehr gut gemacht. Die neue Kollektion ist wieder marktfähig und geht absolut in die richtige Richtung – modisch, aber auch, was die Preise angeht. Die Hose ist stark und ganz besonders auch der Artikelpart. Ich könnte allerdings besser schlafen, wenn ich wüsste, dass das jetzige Team noch an Bord wäre, um den eingeschlagenen Kurs zu halten“, sagte Ralf Gerber gegenüber FT kurze Zeit, nachdem klar war, dass der MODEPARK RÖTHER wesentliche Teile der Ahlers AG und damit auch die Marken BALDESSARINI, pierre cardin, PIONEER und Pionier WORKWEAR übernommen hatte. Er sagte aber auch: „Jeder hat eine Chance verdient und warum sollte es Herr Röther nicht hinbekommen? Klar: Die Gefahr, Konkurrenz durch die Marke beziehungsweise den Absender der Marke vor die eigene Haustüre zu bekommen, ist permanent da. Dennoch ist für uns jetzt der falsche Zeitpunkt, die Verbindungen zu kappen. Ich werde auf Vorjahresniveau ordern, vielleicht sogar etwas mehr.“
Das alles ist nun einige Wochen her. Damals war noch nicht klar, wer sich ans Steuer in Herford setzen wird. Inzwischen ist die Umstrukturierung in der Führung der Marken und im Unternehmen durch. Mit Raphael Heinold, der von ESPRIT zur R.BRAND GROUP wechselte, ist auch der Chefposten besetzt. Wir haben ihn um ein erstes Interview gebeten. Sein Versprechen: „Die R.BRAND GROUP und ihre dazugehörigen Entities sind eigenständige Marken, die sich alle stark am Markt positionieren wollen und werden.“ Renata DePauli, Chefin der DePauli Aktiengesellschaft (unter anderem helrenaustatter.de) sieht gegenüber FT auch Redebedarf: „Die Zusammenarbeit nach der Übernahme ist unverändert. Der Einkauf hat beide Marken ähnlich zum Vorjahr geordert. Allerdings werden wir sicherlich im Dialog mit den Ansprechpartnern der jeweiligen Marken die weitere Zusammenarbeit intensiv besprechen.“
FT: Herr Heinold, ist die Neustrukturierung der R.BRAND GROUP mit Verantwortlichkeiten abgeschlossen oder sind noch zentrale Posten zu besetzen? Wie würden Sie die Stimmung der Mitarbeitenden im Unternehmen beschreiben?
Raphael Heinold: „Wir freuen uns und sind sehr zufrieden, dass wir die Neustrukturierung so zügig umgesetzt bekommen haben und bereits in den neuen Verantwortlichkeiten arbeiten. Die Key-Rollen sind alle besetzt, das heißt, jede Brand hat ihren Brand Manager, welcher für Kollektion, Vertrieb und Beschaffung verantwortlich ist. Bekannte Gesichter für unsere Kunden haben diese Positionen besetzt: Gerri Pasturi für pierre cardin, Grischa Gladen für BALDESSARINI und Dirk Bornemann für PIONEER beispielsweise. Neu ist die Positionierung des Marketings, welches ab jetzt zentral für alle Marken gesteuert ist, auch hier haben wir an bereits etablierten Personen festgehalten. Nun gilt es, die neu geformten Teams zusammenzubringen, dafür werden wir auch räumlich den Rahmen schaffen und generell den Teamspirit stärken.
Die Stimmung ist positiv! Alle wissen, dass wir uns zu einem modernen und agilen Unternehmen verändern müssen. Dabei wollen alle mitmachen und den ‚Neustart‘ zu einem Erfolg machen. Es geht eine Art positive ‚Aufbruchsstimmung‘ durchs Unternehmen.“
Wie ist der Neuanfang geglückt, wurden alle Bereiche in den Marken und den Stabsstellen hochgefahren und wann rechnen Sie damit, die Organisation auf „100 Prozent“ beziehungsweise „Normalbetrieb“ zu bringen?
„Grundsätzlich sind wir in eine Brand-geführte Organisation übergegangen. Wenig Stabsstellen, wenige Zentralfunktionen. Verantwortung in den einzelnen Brands ist gestärkt worden. Die Verantwortlichkeit muss vollumfänglich sein in unseren Augen. Wir gehen also weg von einer vorher bestehenden Produktgruppen-Organisation hin zur Brand-geführten. Wir sind bei circa 85 Prozent Umsetzung, es gibt noch einige Felder, an denen nachgearbeitet wird, aber alles in allem stehen wir sehr gut da und haben in kürzester Zeit sehr viel erreicht. Man bedenke, dass wir erst seit dem 1. August 2023 in dem neuen Unternehmen arbeiten.“
Wie sieht es derzeit mit der Warenverfügbarkeit beziehungsweise Auslieferungsquote aus?
„Es wird jeden Tag besser! Klar hat es da Schwierigkeiten gegeben, aber wir bekommen regelmäßig Ware. Wir konnten ganz viel Ware trotz Insolvenz abnehmen und liefern diese nun umgehend an unsere Partner. Auslieferungsniveau und -quote sind allerdings nicht da, wo wir sie mittelfristig haben wollen. Wir nehmen uns ganz konkret vor, zum einen kompletter und zum anderen pünktlicher zu liefern in der Zukunft. Das steht ganz oben auf unserer To-do-Liste. Das muss in einer guten partnerschaftlichen Handelsbeziehung ein Basic sein.“
Was sagen die Zulieferer und Produzenten, konnten Sie alle Aufträge und Orders Ihrerseits platzieren? Gab es hier Änderungen?
„Auch hier haben wir sehr gute Ergebnisse erzielen können mit allen Beteiligten. Wir haben einen Großteil unserer Ware erhalten. Natürlich sind auch Orders verloren gegangen, zu spät oder gar nicht geliefert worden, aber insgesamt kann man mit der Situation zufrieden sein. Wir sprechen im Moment mit all unseren Partnern und finden auch jetzt noch für ganz viele Fälle konstruktive Lösungen.“
Wie haben die Händler reagiert, haben Sie Kunden verloren und wenn ja, in welchem Ausmaß?
„Es hat natürlich eine gewisse Verunsicherung gegeben, das ist nicht wegzudiskutieren. Seit dem 1. August, seitdem man weiß, wie es konkret weitergeht, besteht dazu aber kein Anlass mehr – das kann ich versichern. Die R.BRAND GROUP ist sehr gut aufgestellt, mit Liquidität ausgestattet, hat tolle Marken im Portfolio, die in unseren Augen deutlich mehr Potenziale bieten, als man sie bisher genutzt hat – hier spreche ich vor allem beispielsweise von pierre cardin. Wir werden mit der neuen Struktur die Marken weiter schärfen, sodass die Brands ihre vollen Möglichkeiten ausschöpfen können.“
Wie läuft die Order für die einzelnen Marken als pierre cardin, BALDESSARINI und PIONEER? Mit welchen Planzahlen gegenüber der Vergleichssaison sind Sie in die Order gegangen und welche Rolle spielt hier der neue Investor als Handelskunde?
„Die Verunsicherung hat klar auch zu Order-Einbußen geführt. Insgesamt war die letzte Orderrunde sicher challenging und die Ergebnisse nicht wie gewünscht. Daher werden wir die Planzahlen nicht ganz erreichen, arbeiten aber bereits daran, noch etwas aufzuholen durch Sofortgeschäft und Lagerwarenvermarktung. Für uns zählt nun die ‚neue‘ Zukunft, denn die Vergangenheit können wir nicht ändern, aber wir können und müssen unsere Kunden nun davon überzeugen, dass wir in Zukunft ein zuverlässigerer Partner sein werden: Das ist unsere Hauptaufgabe und unsere Mission. Der Investor spielt in dem Zuge keine große Rolle. Er ist und bleibt Handelspartner der R.BRAND GROUP, aber die Intention des Investments war nicht, die beiden Firmen enger oder gar komplett miteinander zu verbinden. Wir nutzen Synergien, wo es Sinn macht, aber die R.BRAND GROUP und ihre dazugehörigen Entities sind eigenständige Marken, die sich alle stark am Markt positionieren wollen und werden.“
Mit welchen Erwartungen schauen Sie auf die kommenden Saisons hinsichtlich Umsatz und Händlerzahl?
„Das ist sicher per Brand differenziert zu beantworten. Die verschiedenen Marken der Gruppe befinden sich in ihrer Entwicklung in unterschiedlichen Phasen. Es gibt sicher bei einer Brand mehr zu tun als bei der anderen, das schauen wir gerade sehr genau an und machen Pläne für die kurz-, mittel- und langfristige Ausrichtung der Brands. Beispielsweise sehen wir bei BALDESSARINI nur strukturelle Verbesserungen, aber wollen an der Strategie und Markenausrichtung generell nichts ändern. Wir werden nicht alles zur kommenden Saison bereits umgesetzt und ausrollfähig stehen haben bei den anderen Marken, das wäre vermessen, aber wir gehen zuversichtlich in die neue Saison. Wir werden in vielen Gesprächen und viel Interaktion Kontakt aufnehmen zum Markt, uns austauschen, Ideen und Konzepte entwickeln, die spannend sind und uns partnerschaftlich mit dem Handel wieder erfolgreicher machen.“
Hintergrund
Die R.Brand Group GmbH, eine neue Tochtergesellschaft der Röther-Gruppe, hat zum 1. August 2023 zusammen mit ihren Tochterunternehmen New P.C. GmbH, New Pioneer GmbH, New Baldessarini GmbH und der New Pionier Berufsbekleidung GmbH die wesentlichen Vermögenswerte der Ahlers AG übernommen. In Zukunft gibt es für jede Marke einen verantwortlichen Brand Director. Innerhalb der Marken-GmbHs sollen alle Prozesse, die mit dem Produkt in Verbindung stehen, abgebildet werden. Für pierre cardin wird der bisherige International Sales Manager Gerri Pasturi als Brand Director arbeiten. Mit der Société de Gestion de Pierre Cardin wurde ein langfristiger Lizenzvertrag ausgehandelt. pierre cardin werde in der am Markt bekannten Positionierung weitergeführt, heißt es weiter. Für BALDESSARINI steht der damalige Head of Sales Grischa Gladen in der Verantwortung. Die Leitung von PIONEER übernahm der bisherige Geschäftsführer Dirk Bornemann. Im Bereich Pionier WORKWEAR leitet weiterhin Maik Friedrichs die Marke. Neben der Neuorganisation der Marken-GmbHs wurden auch die Zentralbereiche komplett neu aufgesetzt.
Die Auslieferung der Herbst/Winter-Ware 2023 ist gesichert. Die Produktion der Ware ist erfolgt, sodass die zeitnahe Auslieferung gewährleistet werden kann. Die Ware für Frühjahr/Sommer 2024 ist ebenfalls bestellt. Aktuell arbeiten die Produktteams an der Erstellung der Kollektionen für Herbst/Winter 2024.
CEO/Geschäftsführer der R.BRAND GROUP ist seit 1. September Raphael Heinold. Der Manager ist für alle Brands und damit auch für Produkt, Vertrieb und Marketing verantwortlich. Nach Stationen bei LEVI’S und s.Oliver war Heinold zuletzt als Senior Vice President Product bei ESPRIT tätig. Weiterhin dabei ist Anna-Lena Schulte-Angels als CFO (Geschäftsführerin für Finanzen, Personal, IT und die kaufmännische Betreuung der ausländischen Tochtergesellschaften). Sie ist im April dieses Jahres als Vorständin bei der Ahlers AG eingestiegen.