Autorin: Katja VadersViele Jahre generierten Marken aus den verschiedensten Sparten Aufmerksamkeit, indem sie mehr oder minder berühmte Stars in aufwendigen Printanzeigen oder TV-Spots ihre Produkte präsentieren ließen. Die Prominenten sollten auch noch so schnöden Waren einen Hauch von Glamour verleihen. In den letzten Jahren ersetzt man diese sehr kostenintensiven Kampagnen jedoch vermehrt durch „Reels“ und „Selfies“, die Influencer auf Social-Media-Kanälen posten.
Reichweite ist alles. Das wissen heutzutage nicht nur Werbeagenturen und Marketingabteilungen großer Marken, sondern auch immer mehr sogenannte Influencer, die seit einigen Jahren vor allem Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok überschwemmen und zu den Werbeikonen unserer Zeit geworden sind. Laut einer Schätzung von Statista soll der Influencer-Marketing-Markt in den kommenden Jahren weiterwachsen. In 2021 wurde das Marktvolumen auf 13,8 Milliarden US-Dollar geschätzt, es soll jedoch kontinuierlich steigen und 2025 bei 22,2 Milliarden US-Dollar liegen.
Vertreter der Generation X oder Y erinnern sich noch an Markenkampagnen, in denen Stars wie George Clooney für Kaffee oder Weltmeister Thomas Müller für Nuss-Nougat-Creme warben. Und natürlich gibt es auch heute noch zahlreiche Brands, die sich Stars ins Boot holen, um ihre Produkte ganz klassisch in TV und Print zu präsentieren.
„Royal Warrants“
Schneller und vor allem kostengünstiger funktioniert so etwas inzwischen allerdings digital, auf Social-Media-Plattformen. Warum also viel Geld für große Stars investieren, wenn man genauso viel Reichweite – oder sogar noch mehr – ohne viel Aufwand über ein Selfie oder Reel einer Influencerin bekommen kann, die sich mal eben zwischendurch selbst mit dem eigenen Handy ablichtet? Viele große Onlinehändler wie zum Beispiel ABOUT YOU setzen schon lange auf die Zusammenarbeit mit den Social-Media-Sternchen. Trotzdem sei hier die Frage erlaubt: Was wird dann aus dem Glamourfaktor, den bisher die echten Stars den Marken verliehen?
Bekannte Persönlichkeiten werden bereits seit Hunderten von Jahren als Fürsprecher in der Markenkommunikation eingesetzt – wenn historisch gesehen auch eher im übertragenen Sinne. Schon die alten Römer kannten Werbung, und Verweise darauf, dass bekannte Persönlichkeiten der Gesellschaft oder des Hochadels gewisse Produkte benutzten, haben eine lange Tradition – wie die Bezeichnungen „Hofschneider“ oder „Hoflieferant“ beweisen. Bis heute gibt es in Großbritannien das „Royal Warrant“, ein Gütesiegel, das zuletzt Queen Elizabeth zahlreichen Produkten verlieh. Es ist eine Art königliche Genehmigung, die signalisiert, dass das entsprechende Produkt auch von der Krone verwendet wird. Zu ihren Lebzeiten hatte Königin Elizabeth Hunderte von diesen „Royal Warrants“ erteilt: HP Sauce, Kellogg’s Corn Flakes, BURBERRY-Kleidung, CLARINS-Hautpflegeprodukte oder Elizabeth-Arden-Kosmetika trugen das königliche Wappen und viele Marken bangen aktuell, ob sie es auch unter King Charles behalten dürfen.
Dass Stars ganz direkt für ein Produkt werben, war in den USA bereits vor hundert Jahren gang und gäbe. Filmstars wie Marlene Dietrich standen seinerzeit zum Beispiel Modell für LUX-Seife, eine Kampagne, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland Verbreitung fand.
„Kraft auf den Teller“
Im Jahr 1966 entwickelten deutsche Werbeagenturen schließlich eigene Konzepte für Promi-Marketing und ließen den seinerzeit noch blutjungen Fußballspieler Franz Beckenbauer Werbung für Tütensuppen von Knorr in Magazinen und im Fernsehen machen. Ausgerechnet das wenig gehaltvolle Convenience-Produkt sollte „Kraft auf den Teller“ bringen; kurz darauf sah man auch andere bekannte Spieler wie Jupp Heynckes oder Gerd Müller in Werbespots für Produkte anderer etablierter Marken.
In den folgenden Jahrzehnten wurden bekannte Werbegesichter immer beliebter – was in den 1990ern und 2000ern darin kulminierte, dass Frauen wie Verona Pooth oder Daniela Katzenberger überhaupt erst prominent wurden, weil sie in Werbespots und -anzeigen auftraten – oder umgekehrt – und dadurch wenig später sogar zu ihrer eigenen Marke wurden. Aber auch immer mehr „echte Prominente“ wurden zu dieser Zeit als Markenbotschafterinnen und -botschafter verpflichtet, weil man hoffte, dass die Produkte im Glanz ihrer positiven Persönlichkeitsmerkmale erstrahlen mochten.
Dass Stars für Marken werben, nennt man übrigens „Celebrity Endorsement“, ein Konzept, das in der Werbung wie weiter oben bereits erwähnt schon sehr lange angewendet wird. Hierbei setzt man natürlich vor allem auf die Reichweite der Promis und darauf, dass ihr Werbeauftritt eine gewisse Identifikation mit einem Produkt vorgibt, die die Fans davon überzeugt, sich ebenfalls für eine bestimmte Marke zu entscheiden.
Turbo Social Media
Längst sind in diesem Zusammenhang auch die Social-Media-Kanäle der Testimonials wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit als Markenbotschafterin und -botschafter. Hier binden sie den Gebrauch der Marke in ihren Alltag ein und verknüpfen für ihre Follower und Followerinnen ihr eigenes Image untrennbar mit dem des beworbenen Produkts, was gleichzeitig dessen Wiedererkennungswert erhöhen soll.
Laut einer INNOFACT-Umfrage waren die am stärksten wahrgenommenen Prominenten in der deutschen Werbung im Jahr 2022 Bastian Schweinsteiger (6,8 Prozent der Befragten), gefolgt von Musikproduzent Dieter Bohlen (rund 6 Prozent) und dem ehemaligen Tennisprofi Boris Becker (rund 3,7 Prozent). Ebenfalls viel Aufmerksamkeit generieren internationale Stars, die vor allem für Luxusmarken werben, wie Kristen Stewart für CHANEL oder, interessanterweise, Johnny Depp. Der soll einen extrem lukrativen neuen Werbedeal mit DIOR SAUVAGE eingestielt haben, der dem Schauspieler Pressemeldungen zufolge mindestens 20 Millionen Dollar einbringt. Dies ist angeblich der höchstdotierte Werbevertrag für einen Herrenduft aller Zeiten. Erstaunlich, dass DIOR so viel Geld auf den Tisch legte, nachdem im letzten Jahr viele schmutzige Details von Depps Ehe mit Schauspielerin Amber Heard im Rahmen eines Verleumdungsprozesses öffentlich wurden. Das scheint dem Image des 60-Jährigen jedoch nicht geschadet zu haben – zumindest nicht in den Augen von DIOR. Wie heißt es doch gleich: Any promotion is a good promotion.
Dennoch werden die meisten Marken sicherlich weiterhin versuchen, eher positiv besetzte Testimonials für ihre Kampagnen zu gewinnen – und diese vor allem auf digitalen Kanälen zu lancieren, wie aktuell der Discounter ALDI mit einer Social-Media-Kampagne mit dem vergleichsweise unverfänglichen Moderatoren-Duo Steven Gätjen und Oli P.
Der Schritt weg von kostenintensiven Printanzeigen und TV-Spots mit Hollywoodstars hin zu digitalen Kampagnen soll für viele Marken neue Märkte erschließen und verfolgt einen Multiplikationsansatz. Auf Social Media möchten sie neue Zielgruppen für ihre Produkte erschließen und das funktioniert natürlich am besten dort, wo sich vor allem neue, junge Kunden bewegen.
Sehr beliebt bei den Jüngeren ist TikTok, das vom chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben wird. Die Generation Z, also Userinnen und User zwischen 14 und 25 Jahren, ist die Hauptzielgruppe der Social-Media-Plattform – 44 Prozent der jungen Deutschen nutzen TikTok täglich und immerhin noch 15 Prozent der 30- bis 49-Jährigen. Fast einen Tag pro Monat, so Schätzungen von DataReportal, verbringen die Menschen hierzulande auf TikTok.
Noch angesagter ist nur Instagram: Der Kanal wird laut einer ARD/ZDF-Onlinestudie von 31 Prozent aller Deutschen täglich genutzt, insbesondere von den 14- bis 29-Jährigen (74 Prozent). Dementsprechend beliebt ist die Plattform daher bei Influencern, die Instagram ganz besonders gern für die Präsentation der Produkte ihrer Werbepartner nutzen. Instagram hat eine sehr breite Altersstruktur und findet auch bei den Älteren großen Anklang. So sind 39 Prozent der 30- bis 49-Jährigen und immerhin noch 13 Prozent der 60- bis 69-Jährigen regelmäßig auf der Plattform aktiv.
Kein Wunder, dass Marken ihre Testimonials und Werbegesichter verstärkt auf Instagram suchen. In Zeiten, in denen die jüngere Generation immer weniger Fernsehen schaut und sich die Vertreterinnen und Vertreter der Gen Z teilweise einige Stunden am Tag in Social Media bewegen, kann man auf Plattformen wie Instagram oder TikTok erheblich mehr Reichweite erlangen als mit einem TV-Spot – selbst wenn man für diesen einen Hollywoodstar engagiert hat.
Längst hat sich auch rund um die Influencer ein großer Markt entwickelt. Um sie bemühen sich Agentinnen und Agenten, die mit Marken oder Werbe- und Marketingagenturen zusammenarbeiten, welche die Postings oder die Follower der Influencer analysieren, um deren Reichweite zu optimieren, ihre Inhalte zu monetarisieren und sie zu einer eigenen Marke aufzubauen: Nicht selten entwickeln diese Influencerinnen und Influencer in der Folge ihre eigenen Produktlinien, die sie dann natürlich selbst für ihre Follower im Hunderttausenderbereich vermarkten. Aber auch sogenannte Micro Influencer mit einer Reichweite ab 10.000 Followern sind für die Marken interessant. Auch sie werden durch die Vermarktung ihres Alltags zu Identifikationsfiguren ihrer Community – eine Goldgrube für große Marken. In Zeiten von Inflation und Krisen sind diese Testimonials nämlich erheblich nahbarer und damit authentischer als Fußball- und Hollywoodgrößen, deren Lebensrealität für ihre Fans unerreichbar ist. Marketingexperten werden also in Zukunft auch weiterhin vermehrt auf Werbung mit Influencern setzen – auch wenn dies bedauerlicherweise auf Kosten des Glamourfaktors gehen wird.